Kultur

Wenn eine verrohte und korrupte Gesellschaft ihre Macht ausspielt: die Landkatze Minette der stupenden Seonwoo Lee (Mitte) am sozialen Pranger. (Foto: G. Schied/Staatsoper)

10.11.2025

Machtspiele und Liebestriebe

Hans Werner Henzes „Die englische Katze“ in München

Ohne ihr Opernstudio wäre die Bayerische Staatsoper, frei nach Nietzsche gesprochen, ein Irrtum. Was da seit 2006 geleistet wird, ist höchst verdienstvoll. Sorgsam ausgewählte Jungtalente werden für zwei Jahre Teil des Profiensembles des Hauses. Sie werden also nicht nur auf die internationale Opernwelt vorbereitet, sondern gezielt eingebunden. Große Karrieren starteten hier bereits, ein starkes Engagement für das Morgen.

Deswegen war der Start in die neue Saison der Bayerischen Staatsoper ein starkes Signal, denn: Die allererste Premiere einer Neuproduktion wurde diesmal vom Opernstudio gestemmt. Im Cuvilliéstheater hatte die 1983 in Schwetzingen uraufgeführte Oper Die englische Katze von Hans Werner Henze prominent Premiere. Damit wurden zwei runde Jubiläen vorweggenommen.

Im Sommer begeht die Musikwelt den 100. Geburtstag des 2012 verstorbenen und mit München eng verbundenen Komponisten Henze. Zudem wird das Opernstudio in seiner jetzigen Form zwanzig Jahre jung. Zuletzt hatte Henzes Englische Katze in München vor 25 Jahren Premiere: am benachbarten Gärtnerplatztheater. Nun gibt es gewichtigere Musiktheater von Henze als diese „Geschichte für Sänger und Instrumentalisten“ von Edward Bond nach Honoré de Balzac. Als sozialkritische komische Oper nimmt dieses Werk jedoch im ausgehenden 20. Jahrhundert einen besonderen Platz ein. Henze selbst nannte die Oper „seinen Falstaff“, und allein die Instrumentation ist so kunstvoll wie das Verdi-Werk. Sonst aber geht es um Lug und Trug, Heuchelei und Doppelmoral, Korruption, Bestechlichkeit und Prüderie. Hierfür versetzt Bond die Geschichte ins viktorianische London.

Der alte Kater Lord Puff (Michael Butler) soll Präsident der ehrenwerten „Königlichen Gesellschaft zum Schutz der Ratten“ (K.G.S.R.) werden. Die Mitglieder dieser Gesellschaft leben vegetarisch und pflegen die Waisen-Maus Louise (Iana Aivazian). Für sein Amt soll der Lord die Landkatze Minette (Seonwoo Lee) heiraten. Hierzu reist sie mit ihrer Schwester Babette (Lucy Altus) nach London. Sie verliebt sich prompt in den Straßenkater Tom (Armand Rabot). Am Ende wird die Ehe geschieden, Tom brennt mit Minettes Schwester durch, bevor er von der ehrenwerten Gesellschaft ermordet wird, und Minette selber stirbt an gebrochenem Herzen.

Die Premiere wirkte dynamisch mitunter übersteuert

Im Katzenhimmel vereinen sich Minette und Tom. Bis dahin helfen auch Justiz und Kirche eifrig den Mächtigen, ihre Machtspiele zu entfesseln. Sie haben freilich leichtes Spiel, weil alle korrupt sind: auch die Unterschicht und engste Verwandte. Für die Regie von Christiane Lutz, die Partnerin von Startenor Jonas Kaufmann, hat Dorothee Joisten eine Ausstattung entworfen, die dieses degenerierte Gesellschaftsklimbim visuell klar benennt. Dennoch wirkt die Inszenierung brav, zumal auch die Bühne von Christian Andre Tabakoff den Stoff wie nach dem Reclam-Heft bebildert.

Alles spielt sich in den Räumen einer Londoner Stadtvilla ab oder auf ihrem Dach. Am Pult des Bayerischen Staatsorchesters schaffte es Katharina Wincor zwar, den mit Salonmusik gewürzten Neoklassizismus zu verlebendigen, aber: Die Premiere wirkte dynamisch mitunter übersteuert. Nicht immer kamen die Stimmen im Orchesterklang durch.

Das galt auch für die stupende, herausragende Lee als Minette. Sie und der bisweilen etwas gepresste Rabot als Tom gaben ein hübsches Bühnenpärchen ab. Auch sonst war insgesamt ein starkes Ensemble zu erleben. Die nächste Staatsopern-Neuproduktion steigt schon Ende November mit Nikolai Rimski-Korsakows Die Nacht vor Weihnachten im Nationaltheater. (Marco Frei)

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