Kultur

Hieroglyphen auf Steintafeln sind nicht das Einzige, das Groß und Klein bei der Ausstellung Kindheit am Nil im Staatlichen Museum Ägyptischer Kunst in München entdecken können. Man erfährt, wie Kinder im alten Ägypten gelebt haben – und auch, wie sie beerdigt wurden. (Foto: SMÄK/R. Hessing)

12.12.2025

Papa Ramses und seine 80 Kinder

Genau das Richtige für die Weihnachtszeit: Im Staatlichen Museum Ägyptischer Kunst in München hat die Ausstellung „Kindheit am Nil“ eröffnet

Das ist ein großer Coup: Die neue Ausstellung in Münchens Staatlichem Museum Ägyptischer Kunst wurde vor Weihnachten eröffnet und ihr Thema lautet "Kindheit am Nil. Aufwachsen im Alten Äypten". Also genau das Richtige für den Festtags-Familienbesuch bei einer der faszinierendsten alten Kulturen.

Man kann ganz hinten in der Ausstellung anfangen und ganz vorn mit dem Leben am Nil: der Geburt unter dem Schutz von Magie und Religion, mit einer Schwangerschaft und ersten Lebensjahren unter dem Einfluss von Amuletten und Zauberformeln und beschützt durch zauberkräftige Säfte. „Magisch-medizinische“ Gefäße sind aus dieser Zeit in den Museen und Sammlungen übrig geblieben, auch die magischen Texte und Zauberformeln dazu. Aus der Zeit um 1500 vor Christus mit den Pharaonen Thutmosis III. bis Amenophis III. gibt es eine kniende Mutter mit Baby auf dem Bauch als Fläschchen, es gibt Heilstatuen, ganze Götterfamilien aus Bronze, Kindgötter und Götter als Säuglinge.

Noch aus der Zeit Ägyptens als Teil des Römischen Weltreichs zeigt die Ausstellung Darstellungen krabbelnder Kleinkinder und Säuglinge, die aussehen wie Frösche. Je größer das Kind ist und je mehr in die Gesellschaft hineingewachsen, desto unterhaltsamer wirkt diese Ausstellung: Es gibt Hieroglyphen über die Kindheit und zum Nachmalen, Kulissen für die Selfies der Kinder von heute, Darstellungen von Kindern in der Kunst und eine Liste des altägyptischen Alphabets.

An all dem vorbei führt unter einem Baldachin ein ansteigender Weg zu den 80 Kindern des Königs Ramses II. Kalksteinfragmente zeigen, wie der fruchtbare Herrscher selbst von der Baumgöttin Nut gesäugt wurde und auch seine Kinder zu Mittlern zwischen Göttern und Menschen wurden. Man erlebt mit, wie die Pharaonenkinder genauso wie später die Prinzen aus Königshäusern eingebunden waren in das Spannungsfeld von Pflichten, staatlichen und religiösen Inszenierungen und in das politische System. Die Goldmaske des Tutanchamun kennt jeder, aber hier erfährt man auch etwas von seiner Kindheit und Jugend bis er allzu bald gestorben ist.

Dafür haben die Kuratoren der Ausstellung eine Menge von Tier- oder Schmuckfigürchen zusammengebracht, Grabbeigaben von Blüten und Blättern, Scherben und Minischwerter zum Kampf im Kinderzimmer. Deren Präsentation ist raffiniert durchdacht, oft auch interaktiv, und am schönsten ist, wenn man sich in einer Tunika als Kind am Nil fühlen kann. Mädchen dürfen sich messen und ihr Alter bestimmen: In Ägypten wären sie schon mit 13 Jahren und mit 1,40 Meter Größe verheiratet worden. Mit acht Jahren mussten sie Haushaltshilfen sein, ab fünf alle Handgriffe dafür lernen. Jungen mussten im gleichen Alter bei der Ernte helfen und mit 15 Hilfsdienste beim Militär übernehmen.

Das alles zieht zusammen mit dem Nil auf einem wandhohen Comic an einem vorüber: mit Papyrus am Ufer, mit springenden Fischen und den Transportmitteln für die Ernte. Wunderbar – selbst in Jahrzehnten als Museumsbesucher hat man so viel lebensnahe historische Unterhaltung nie im Museum gehabt. Im Liegen kann man den vorüberziehenden Sternenhimmel an der Raumdecke beobachten und auf Erden über geheimnisvolle Gucklöcher in den Lehmziegelmauern die Ernte: auf Kindeshöhe und mit Kindern beim Getreidedreschen. Im Original erhalten sind Kinderketten, Schuhsohlen, Sandalen, FlipFlops auf Ägyptisch, Reste eines Babywickeltuchs – das alles aus einem Kinderfriedhof.

Endlich kommen all diese Alltagssachen aus den Depots ans Licht einer einfallsreichen Ausstellung. Aber so schön die bestickte Tunika aus Leinen und Wolle aus dem 5. nachchristlichen Jahrhundert auch ist: Wenn man die kleine Paula von heute fragt, ob sie damals lieber hätte leben wollen, schüttelt sie den Kopf, besinnt sich aber und sagt: „Als Königskind schon.“

Aber auch die „normalen“ Bauernkinder stehen im Fokus der Schau: viele wahrscheinlich einfach verscharrt, aber auch in Amphoren und Gefäßen bestattet, die aus besseren Familien mit Grabbeigaben wie den Ketten aus Kaurimuscheln. An der Wand zieht ein Bestattungszug von einem der 80 Ramses-Kinder vorüber mit einem Sarg, wie man ihn gleich daneben wirklich sehen kann – aus Holz und Kartonagenmaterial.

Für alle aber gilt: Der Tod ist ein Teil des Lebens. Und man sieht auf einem solchen Kindersarg den Vater und die Geschwister ihre Schwester Nefretiti beklagen: Damals machte man das mit der Hand über dem Kopf. (Uwe Mitsching)

Bis zum 21. Juni 2026. Gabelsbergerstraße 35, 80333 München. Dienstags 10 bis 20 Uhr, mittwochs bis sonntags 10 bis 18 Uhr.
www.smaek.de

 

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