Kultur

Leer stehende Gebäude in Ingolstadt wurden mit inneren Leerständen und Bedürfnissen in Corona-Zeiten in Verbindung gebracht: noch digital, bald auch mit Klebefolien. (Foto: Ina Wobker & Schnellvorlauf)

14.05.2021

Raus aus der Schockstarre

Eine Kunstaktion des Ingolstädter Altstadttheaters widmet sich dem Thema Leerstand

Es gibt so viel Leere: Leni Brem-Keil, die Leiterin des Altstadttheaters Ingolstadt, leidet natürlich unter dem seit Monaten dauernden Leerstand ihres Hauses. Menschen aus Ingolstadt wiede-rum leiden an der kulturellen und sozialen Leere, die sie unter Umständen zu Hause verspüren. Und es stehen in der Innenstadt der oberbayerischen Großstadt allerlei Geschäfte, Läden und Gastronomiebetriebe leer. Grund genug, aus dieser Vielfalt an Leere eine Fülle zuzubereiten: eine Fülle der Kreativität, mit der Leni Brem-Keil ideenreich jongliert und eine Kunstaktion auf mehreren Ebenen, mit mehreren Schichten entwickelt hat. Eine inspirierende Kunstaktion – beispielhaft auch für andere Orte.

Geschichten entdecken

Kunst, die coronakonform ist und dennoch für viele durchführbar und konsumierbar: Das seien Kriterien gewesen, die sie zu dem Leerstandsprojekt antrieben, sagt Brem-Keil. Also ist sie mit der Fotografin Ina Wobker losgezogen, um leer stehende Geschäfte zu suchen und abzulichten. 32 solche Objekte haben die beiden gefunden. Die Fotografien davon erzählen von „traurigen, aber auch inspirierenden Orten“ – weil in all diesen Räumen Geschichten und Erinnerungen stecken würden. Beispielsweise in der alten Bäckerei Uhlmann, und sei es nur, weil es dort bis vor einigen Jahren die besten, legendärsten Brezen Ingolstadts gegeben habe, erinnert sich die Theaterfrau.

Die Fotografien dieser Orte wurden in örtlichen Medien veröffentlicht. Die Menschen in Ingolstadt konnten eigene aktuelle Leerstellen gedanklich hineinprojizieren: Was fehlt ihnen in Corona-Zeiten besonders? Wo spüren sie eine emotionale Leere?

Es gab „schöne, spannende, emotionale Antworten“, sagt die Initiatorin. Es habe großes Interesse gegeben, sich zu äußern. Vielen Bürgerinnen und Bürgern fehlten Kontakte, Gemeinschaft, Unbekümmertheit, Kultur, grundsätzlich die Möglichkeit, Zeit mit anderen zu verbringen. Auf der Webseite www.leerelos.de sind nun die Antworten in Kombination mit den Fotografien als „Sehnsuchtsorte“ zu sehen, bald werden die leeren Läden auch an Ort und Stelle mit entsprechenden Fensterfolien beklebt. Ende Mai soll das Hörspiel Take a Walk hinzukommen: ein Podcast mit Stadtplan zu den fotografierten Orten als Spazieranleitung. Zwei gegensätzliche Charaktere werden in dem Hörspiel aufeinandertreffen, verrät Brem-Keil: eine Durch-und-Durch-Optimistin und ein nüchterner bis negativer Mensch, der mit ihrer vermeintlichen „Naivität“ nichts anfangen kann. Im Optimismus der weiblichen Figur spiegelt sich ihr eigener, sagt Brem-Keil: „Irgendwas muss man ja machen. Schockstarre nützt nichts. Das macht die Situation nicht besser.“

Performances in Auslagen

Deshalb wird die Aktion noch einen Schritt weitergehen: Auch die Läden, Geschäfte und Kneipen werden zum Sprechen gebracht. Schließlich seien das, sagt die Theaterleiterin, teilweise jahrhundertealte Häuser, in denen viel Leben stattgefunden hat. Derzeit werden derlei alte Lebensgeschichten recherchiert, die am Wochenende vom 18. bis 20. Juni von Künstlerinnen und Künstlern aus Stadt und Region mit Performances dargestellt werden. Die kann man sich bei einem Rundkurs anschauen, weil sie wiederholt in Schaufenstern abgespielt werden.

So will man Aufmerksamkeit für die Gebäude, für die Innenstadt und die Geschichte wecken. Leerstand lässt sich ändern – innerer Leerstand auch. (Christian Muggenthaler)

Information unter www.leerelos.de

 

 

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