Kultur

Opera Incognita-Ensemble auf vertrauter Talkshow-Bühne: Serban-Constantin Cristache, Martin Summer, Torsten Petsch, Olivier Trommenschlager und Anastasia Zaytseva. (Foto: Opera incognita)

28.08.2015

Stiffelio zu Gast bei Pelzig

Die Opera Incognita spielt eine einstmals erfolglose Verdi-Oper in den Münchner Arri-Studios

Oper statt Bowle: Wo Kabarettist Erwin Pelzig seine Gäste sonst an dubiosen Getränken nippen lässt, wird derzeit Verdi gespielt. Andreas Wiedermanns Truppe Opera Incognita benützt nicht nur die Pelzig-ZDF-Originaldekoration, sondern trimmt auch Stiffelio auf Talkshow-Format – für die italienische Rundfunkanstalt RAI, deren Moderatorin das Opernpublikum auf „Lachen“ und „Applaus“ einstimmt.
Es soll mit den Talkgästen um „Glaube und Zweifel“ gehen: Die „Ahasveristi“ sind eingeladen, dazu ein eher atheistisch gesonnener Journalist. Ausgerechnet der verführt die Frau des Sektenführers, der bedauernswert an den Rollstuhl gefesselt scheint.
Giuseppe Verdi und sein Librettist Francesco Maria Piave haben zwischen Macbeth und Rigoletto ein damals brandneues Theaterstück zur Oper gemacht – und Stiffelio, das ist der gehörnte Ehemann. Der Zensur war das alles 1850 zu starker Tobak, Verdi hat sich schnell an eine Zweitverwendung seiner Musik gemacht: für die Kreuzfahreroper Aroldo.
Beide Opern blieben ohne Erfolg: Erst nach rund 150 Jahren war die Wiener Erstaufführung von Stiffelio. Das passt zum Geschäftsprinzip der Opera Incognita: eher unbekannte Stücke an ungewöhnlichen Schauplätzen. So gab es schon einmal Mozart im Volksbadbecken, Verdi jetzt in den Arri-Studios an der Türkenstraße.
Noch bevor die Ouvertüre unter Ernst Bartmann etwas zittrig anfängt, stimmen die Video-Einspielungen schon auf religiös-politischen Fundamentalismus ein: Pizzicato zu Al Qai da und IS-Terror. Danach drehen sich die drei Verdi-Akte um Eifersucht und Rache, pietistische Sektierer und skrupellose Sektenführer.
Das religiös verbrämte Eifersuchtsdrama: Verheiratete Frau liebt Journalisten, die Sache fliegt auf, der Liebhaber wird offenbar erschossen, die Ehebrecherin beichtet ihrem Mann, der verzeiht ihr – kann auch nicht anders, denn gerade hat er vor der versammelten Gemeinde aus der Bibel über „Frau und Ehebruch“ gepredigt.
Bartmann dirigiert dazu ein Zehn-Mann-Orchester, der „Opera Incognita-Chor“ mimt Sekten-Séancen – und man hört schnell: Daraus wird später einmal Ein Maskenball werden mit ähnlichem Sujet. Nur dass bei Stiffelio zwei Tenöre um die Gunst von Lina buhlen (um den richtigen Verdi-Ton bemüht: Anastasia Zaytseva).
Andreas Wiedermanns Transponierung in die TV-Gegenwart funktioniert zunächst amüsant und treffsicher, er verliert sie aber mehr und mehr aus den Augen. Am Ende weiß man dank Video-und-Wanzen-Mitschnitt: Das ganze Eifersuchtsdrama war ein abgekartetes Spiel, nicht einmal der Schuss auf den Liebhaber war echt, Geld regiert auch bei den Sekten die Welt.
Gerade als man sich nach viel Satire, Ernst und tieferer Bedeutung während der Pause denn doch entschlossen hatte, das Ganze als Opernjux zu nehmen, wird eine Menge Original und romantisches Schauerdrama des 19. Jahrhunderts gespielt. Dabei hätte es Wiedermann vielleicht auch belassen sollen, denn die unheimliche Geschichte auf Schloss Stankar und mitten im deutschen Pietismus war im Original wohl so wirkungslos nicht: zwar ein mühsam sich dahinschleppendes Libretto, aber eine Menge wirkungsvoller Verdi-Musik in schwungvollen Ensembles und kräftigen melodischen Erfindungen.

Interessante Nachhilfe

Die haben vor Jahren schon Tenöre wie José Carreras oder Placido Domingo an Stiffelio gereizt. Wiedermanns Sänger sind dagegen von sehr unterschiedlicher Qualität und schrammen manchmal an vermutbarer Indisposition entlang: besonders der Titelheld mit dem sich mühsam durch den Abend rettenden Olivier Trommenschlager, der sich beim Schlussapplaus wundersam geheilt aus dem Rollstuhl erhebt. Alle Ungereimtheiten aus den Arri-Studios nimmt man aber gerne in Kauf für diese interessante Nachhilfestunde in Sachen Verdi. (Uwe Mitsching)

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