Kultur

Der Künstler Lovis Corinth in seinem Atelier im Jahr 1911. (Foto: Zentralinstitut für Kunstgeschichte/Photothek, Bildarchiv Bruckmann)

19.12.2025

Vorreiter der Moderne: Eine Ausstellung widmet sich Lovis Corinth

Eine äußerst sehenswerte Ausstellung des Zentralinstituts für Kunstgeschichte in München zeigt das Werk des Malers, Grafikers und Zeichners Lovis Corinth

Wie macht man sich als Künstler oder Künstlerin einen Namen? Wie bleibt man im kulturellen Gedächtnis? Welche Rolle spielen Medien und Reproduktionskunst? Wer gehört zum Kanon der Kunstgeschichte und wer entscheidet darüber? Welche Macht haben die Akteure aus Wissenschaft, Ausstellungsmanagement, Galerien und die Künstler und Kunstschaffenden selbst? Oder deren Freunde, Familie, Ehepartner, welche als Nachlassverwalter möglicherweise die Deutungshoheit bei der Erfassung des Gesamtwerks haben?

Bei dem Maler, Grafiker und Zeichner Lovis Corinth war es seine Ehefrau und ehemalige Schülerin Charlotte Berend-Corinth, die nicht nur ihre Tagebücher (Mein Leben mit Lovis Corinth), sondern auch den Werkkatalog ihres Mannes publizierte. Das Zentralinstitut für Kunstgeschichte (ZI) in München, das sein eigenes Fach stets selbstreflexiv im Blick hat und in dessen Photothekbeständen sich annotierte Kartons mit Reproduktionen der Gemälde aus Corinths Werkkatalog befinden, beehrt den als „Bildermaschine“ titulierten Schnellmaler mit der aktuellen Ausstellung Corinth werden! Der Künstler und die Kunstgeschichte.

Er starb an einer Lungenentzündung

Anlass der im nördlichen Lichthof des ehemaligen Verwaltungsbaus der NSDAP präsentierten Themenschau, kuratiert von Dominik Brabant und seinem Team, ist der 100. Todestag von Corinth. Der Maler hatte ein bewegtes Leben: Er betätigte sich auch als Kunstkritiker, gründete in Berlin eine private Malschule und gehörte in München und in Berlin der Künstlergruppe Secession an. Er feierte frühe Erfolge, schrieb eine Selbstbiografie, war viel unterwegs, erkrankte auf einer Reise in die Niederlande und starb in Amsterdam am 17. Juli 1925 kurz vor seinem 67. Geburtstag an einer Lungenentzündung.

In elf Kapiteln zeichnet die mit Büchern, Fotos und Reproduktionen bestückte und mit erkenntnisreichen Wandtexten versehene Ausstellung die dynamische Rezeptionsgeschichte des gebürtigen Ostpreußen nach. Corinth war als akademisch ausgebildeter Maler (in Königsberg/Kaliningrad, Antwerpen, München und Paris) ein Stilpluralist, weshalb er sich nur schwerlich in eine Schublade einordnen lässt. Corinths Vorbilder waren neben den französischen Pleinairmalern die holländischen alten Meister.

Die Vielzahl seiner Selbstporträts erinnert an die reihenweise fabrizierten „Selfies“ des von ihm verehrten Rembrandt, der sich wie kein anderer Maler seinerzeit so oft selbst ins Visier genommen hatte. In seinem Frühwerk blieb Corinth dem Erbe des 19. Jahrhunderts verhaftet. Sein temperamentvolles Spätwerk machte ihn zum Vorreiter der Moderne und international berühmt.

Fantasievoller Außenseiter

Der in seiner Motivwahl wie in seinem Malstil so wendige und fantasievolle Außenseiter befreite sich kontinuierlich von der konservativen religiösen wie mythologischen Historienmalerei. Er wurde zum rebellischen Akt-, Porträt-, Schlachthaus- und Stilllebenmaler.

Für den Berliner Kunsthändler und Verleger Paul Cassirer bildete Corinth zusammen mit Max Liebermann und Max Slevogt das deutsche „Dreigestirn des Impressionismus“ – eine geschickte Marketingstrategie des gewieften Unternehmers.

Am Lebensende glänzte Corinth als Landschaftsmaler in Urfeld am Walchensee, wo er sich und seiner Familie ein Sommerrefugium erschuf. Seiner durch breite, hastige Pinselhiebe gekennzeichneten Farbflächenmalerei konnte er in seinen zahlreichen Walchenseebildern freien Lauf lassen. Im Unterschied zu Corinths als typisch deutsch gelesenen frühen Werken wurde sein nach dem Krieg gefeiertes informelles Alterswerk im Totalitarismus der NS-Zeit als „entartete Kunst“ verhöhnt und mit seinem 1911 erlittenen Schlaganfall untermauert.

Als besonderes Highlight in der Ausstellung zu bewerten ist die digitale Präsentation von Corinths Skizzenbüchern. Beim virtuellen Blättern an der Medienstation kann man dem Künstler bei der Ideenfindung heimlich über die Schulter schauen.

Bislang waren diese Artefakte ein ungehobener Schatz aus der Sammlung des jetzt mit dem ZI kooperierenden Kunstforums Ostdeutsche Galerie in Regensburg, das im Rahmen seiner Partnerausstellung Lovis Corinth – Bildrausch neben einem Ausstellungskatalog auch einen Bestandskatalog seiner insgesamt zwölf Skizzenbücher erarbeitet hat. Damit steht der Kunstwissenschaft neben dem 1992 in aktualisierter Form neu aufgelegten Werkkatalog von Corinth ein weiteres wichtiges Instrument zur Erforschung dessen Gesamtœuvres zur Verfügung.
(Angelika Irgens-Defregger)

Bis 6. März 2026. Zentralinstitut für Kunstgeschichte, Katharina-von-Bora-Straße 10, 80333 München. Montag bis Freitag 9 bis 20 Uhr. Möglichst mit Anmeldung. www.zikg.eu
 

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