Kultur

Blick in die Ausstellung auf ein grünes Wams mit „Gänsbauch“, einem modischen Attribut der Herrenmode, das mehr Stattlichkeit vorgaukeln sollte (um 1580/1600). Das Bildnis von Balthasar IV. Paumgartner (1589) zeigt, wie man damals up to date war. (Foto: GNM)

05.02.2016

Zeigen, wer man ist

Das Germanische Nationalmuseum führt Mode der frühen Neuzeit vor

Nur weil die historische Mode so kostbar war, ist sie überhaupt überkommen. Aus Seide, feinem Tuch, edlem Linnen und Brokat, mit Gold- und Silberfäden durchwirkt und bestickt, war sie dem Adel vorbehalten. Die verschlissenen Kleider des sprichwörtlichen Lumpenproletariats dagegen landeten beim Flickschneider, der selbst die armseligen Flicken und Fetzen noch verwertete. Historische Mode und Kleidung spiegeln also gesellschaftliche Verhältnisse wider, sofern sie überhaupt in seltenen Exemplaren und nicht nur auf zeitgenössischen Bildern überliefert ist. Der Mode- und Kleidersammlung des Germanischen Nationalmuseums Nürnberg, eine unvergleichliche textile Fachsammlung, kommt deswegen eine ganz besondere Bedeutung zu, zählt sie doch weltweit zu den ältesten und größten Sammlungen historischer Kleidungsstücke und Garderoben. Diese buchstäblich spröde, empfindliche Materie führt freilich dazu, dass diese Kleidersammlung, die nur ihre wenigsten Stücke in der Dauerausstellung des Museums zur Schau stellt, bislang eher ein museales Schattendasein führte. Eine Sonderausstellung des Museums zur Mode der frühen Neuzeit präsentiert nun erstmals die kostbarsten und aufschlussreichsten Stücke öffentlich, ergänzt durch einmalige Leihgaben aus New York, London, Wien und Stockholm. In Vitrinen und mit Figurinen werden aber nicht nur an die 50 historische Kostüme gezeigt, sondern darüber hinaus dokumentieren Gemälde, Zeichnungen, historische Darstellungen, Porträts, zeitgenössische Schriften, Kataloge und Verzeichnisse, dass in der Mode der frühen Neuzeit, in Kostümen, Garderoben und allerlei längst aus der Mode gekommenen historischen Kleidungsstücken, auch die Kultur-, Sozial- und Sittengeschichte der Renaissance und des Frühbarock ablesbar wird. Es geht also um die „Kleiderordnung“ der Zeit zwischen 1560 und 1650. Überliefert ist freilich nur Kleidung, die was hermachte: die der Repräsentation, der Selbstdarstellung diente und als gesellschaftliches Statussymbol galt, weil sich Samt und Seide, Stickereien, Pelz und Brokat nicht jedermann leisten konnte. In den Kleiderkammern des Adels und des gehobenen Bürgertums, als Erb- und Erinnerungsstücke des Patriziats, der Ratsherren und Senatoren, aber auch in mancher Familiengruft überdauerten diese Kleider die Zeiten.

Wer die Hosen anhat

Die sich ändernden Kleidersitten stehen aber auch für die Emanzipation des weiblichen Geschlechts. Mussten Mädchen und junge Frauen noch „unter die Haube“ gebracht werden, war es vor allem die Kopfbedeckung, die die aufkommende Gleichstellung von Mann und Frau signalisierte: Wenn nämlich im Zuge eines frühen „Self-Fashionings“ die Frau zum haarsichtigen Barett griff, sich die eigentlich den Männern vorbehaltene Halskrause umlegte oder gar – noch schlimmer – in Männerkleidung daherkam, also „die Hosen anhatte“. Als verkehrte Welt kommentierten das zeitgenössische Karikaturen und Satiren. Es war eine Sünde. Den Männern platzte buchstäblich der modische Kragen; wobei sie sich nicht selten um Kopf und Kragen redeten, weil sich historisch halt doch die Frau in Beinkleidern, heute im Hosenanzug, durchsetzte. Damals, in der frühen Neuzeit, waren Kleider noch keine Ware, die man von der Stange kaufen konnte. Vielmehr wurde sie den gebildeten und höheren Ständen vom Schneider angemessen, schlimmstenfalls – wenn es knapp wurde – auf der Altkleidermesse, gleichsam „second hand“, gekauft. Die ausgestellten, seltenen Utensilien des Schneiderhandwerks verdanken sich denn auch einem außergewöhnlichen archäologischen Fund in Bremen, wo man auf die Relikte einer Schneidewerkstatt um 1600 stieß und Fingerhüte, Scheren und an die 7000 Gewebeproben, also Stoffmuster, fand. Die Zunft verstand es, ihren Kunden zu einem modischen Aus- und Ansehen zu verhelfen. Denn schon damals galt, was Gottfried Keller in seiner Erzählung 300 Jahre später auf den Begriff brachte: „Kleider machen Leute“. (Fridrich J. Bröder) Information: Bis 6. März. Germanisches Nationalmuseum, Kartäusergasse 1, 90402 Nürnberg. Di. bis So. 10-18 Uhr, Mi. bis 21 Uhr. www.gnm.de Abbildung:
Das Grabkleid der Katharina Gräfin zur Lippe; es stammt von 1600 oder wenig früher und wurde nach 1970 ergänzt.    (Foto:GNM)

Kommentare (0)

Es sind noch keine Kommentare vorhanden!
Die Frage der Woche

Ist die Einführung der Aktivrente sinnvoll?

Unser Pro und Contra jede Woche neu
Diskutieren Sie mit!

Die Frage der Woche – Archiv
X
Vergabeplattform
Vergabeplattform

Staatsanzeiger eServices
die Vergabeplattform für öffentliche
Ausschreibungen und Aufträge Ausschreiber Bewerber

Jahresbeilage 2025

Nächster Erscheinungstermin:
28. November 2026

Weitere Infos unter Tel. 089 / 29 01 42 54 /56
oder
per Mail an anzeigen@bsz.de

Download der aktuellen Ausgabe vom 28.11.2025 (PDF, 16,5 MB)

E-Paper
Unser Bayern

Die kunst- und kulturhistorische Beilage der Bayerischen Staatszeitung

Abo Anmeldung

Benutzername

Kennwort

Bei Problemen: Tel. 089 – 290142-59 und -69 oder vertrieb@bsz.de.

Abo Anmeldung

Benutzername

Kennwort

Bei Problemen: Tel. 089 – 290142-59 und -69 oder vertrieb@bsz.de.

Unser Bayern - Nachbestellen

Aktuelle Einzelausgaben der Beilage „Unser Bayern” können im ePaper der BSZ über den App-Store bzw. Google Play gekauft werden.