Neue Dienstwaffen, bessere Schutzkleidung, mehr Schießtraining: Trotz der erhöhten Gefährdungslage müssen sich Polizisten in Geduld üben
Nach dem Tod eines Polizeibeamten durch einen sogenannten Reichsbürger im mittelfränkischen Georgensgmünd im Oktober fordern die Freien Wähler von der Staatsregierung eine bessere Schutzausstattung für Polizisten und deren Einsatzfahrzeuge in Bayern. Außerdem drängt die Abgeordnete Eva Gottstein (Freie Wähler) darauf, nach dem Amoklauf in München und den terroristischen Angriffen in Ansbach und Würzburg im Sommer früher als geplant die neuen Polizeipistolen zu beschaffen. Außerdem interessierte sich die innenpolitische Sprecherin der Landtagsfraktion dafür, wie es um die Kapazitäten in den Ausbildungsstätten steht.
Rüstungshersteller kommen der gestiegenen Nachfrage nicht hinterher
Das Innenministerium schreibt in seiner Antwort, insbesondere die Anschlagsszenarien in Paris und Kopenhagen hätten die neue Dimension terroristischer Bestrebungen in Europa deutlich gemacht. „Das Vorgehen der Täter, auch gegen die Sicherheitskräfte, hat eine neue Qualität erreicht.“ Dennoch sei angesichts der Dimension des Projektes „eine Auslieferung der Waffen vor dem Jahr 2018 trotz der ohnehin hohen Priorisierung höchst unwahrscheinlich“. Als Grund nennt das Ressort von Innenminister Joachim Herrmann (CSU) unter anderem die Umrüstung der Waffenwerkstätten, die Schulung des waffentechnischen Personals, die Qualifizierung der Schießtrainer und die Fertigungs- beziehungsweise Lieferzeiten der Waffenhersteller.
Gottstein kann das nicht nachvollziehen: Dass neue Dienstwaffen gebraucht werden, stehe seit Jahren fest, und dass der Beschaffungsprozess Jahre dauere, sei ebenfalls nichts Neues. „Mich ärgert es, dass das Projekt nicht schon längst läuft, sondern erst jetzt startet“, kritisiert die Abgeordnete. Immerhin wird das Magazin der neuen „Polizeipistole im Kaliber 9 mm x 19“ wie von ihr gefordert ein Fassungsvermögen von mindestens zwölf Patronen betragen und damit den neuesten technischen Richtlinien des Polizeitechnischen Instituts der Deutschen Hochschule der Polizei entsprechen. Die Gesamtkosten schätzt die Staatsregierung auf 30 Millionen Euro. Ob die Maschinenpistole MP5 ebenfalls erneuert wird, die in Streifenwagen in verschließbaren Waffenkästen untergebracht sind, prüft derzeit eine Arbeitsgruppe.
Zum besseren Schutz bekommen Polizisten zukünftig ballistische Schutzwesten, die wirksamer, leichter und flexibler als die aktuellen Unterziehschutzwesten sind und auch über der Kleidung getragen werden können. Zudem sollen in allen Einsatzfahrzeugen zwei Sätze bestehend aus Schulterüberwurf, Tiefschutz, Helm und Überziehweste der Schutzklasse 4 vorhanden sein. Kostenpunkt: 34 Millionen Euro. „Die Basisausstattung hat die Schutzklasse 1 und bietet somit einen wirksamen Schutz gegen die gebräuchlichsten Faustfeuerwaffen und gegen einige Maschinenpistolen“, erklärt das Innenministerium. Die Platten der Schutzklasse 4 hielten sogar einem Beschuss aus Gewehren und militärischer Munition stand.
Die Auslieferung soll in der zweiten Jahreshälfte 2017 abgeschlossen sein. Das Problem: Wegen der hohen Stückzahlen und der enormen Nachfrage bei den Herstellern in ganz Europa „können nach dem aktuellen Sachstand Verzögerungen bei einzelnen Losen nicht ausgeschlossen werden“. Gottstein will das so nicht hinnehmen: „Ich erwarte von der bayerischen Staatsregierung, dass sie gegenüber den Vertragspartnern auf einer termingerechten Lieferung besteht und bei Nichterfüllung des Vertrages alle zur Verfügung stehenden Konsequenzen zieht.“ Die Sicherheit der Polizeibeamten müsse absoluten Vorrang haben.
Obwohl sich Innenminister Joachim Herrmann (CSU) nach den Anschlägen im Sommer für ein verstärktes Training an der Waffe aussprach, sind nicht alle der 44 polizeieigenen Schießanlagen in Bayern nutzbar. In Nürnberg und Schwabach mussten zum Beispiel zwei Schießanlagen geschlossen werden, weil die Munitionsrückstände im Verdacht stehen, krebserregend zu sein. Sie enthalten Blei und Antimon, was vor allem für die Trainer, die sich dauerhaft in den Anlagen aufhalten, ein Gesundheitsrisiko ist. Im September waren außerdem aus diesem Grund die Schießanlagen in Dachau und Passau geschlossen, weil die Lüftungsanlagen für eine halbe Million Euro umgebaut wurden. Veraltete Lüftungsanlagen sind auf das erhöhte Training nicht ausgelegt. Wie oft Polizeibeamte durchschnittlich im Jahr ein Schießtraining absolvieren, kann das Innenministerium nicht sagen: Statistische Erhebungen lägen nicht vor.
FW: „Geld allein hilft den Beamten wenig“
Gottstein verlangt, die Anlagen nächstes Jahr auf einen neueren Stand zu bringen und für Langwaffentraining zu ertüchtigen. „Wenn im Jahr 2018 mit der neuen Dienstwaffe geschult werden soll, darf es keine Baustellen mehr geben“, mahnt die Abgeordnete. Sie attestiert der Staatsregierung zwar, beim Entwurf zum Doppelhaushalt 2017/2018 bei der Polizei nicht gespart zu haben. Doch Geld alleine helfe den Beamten erst einmal wenig. „Jetzt müssen die Verantwortlichen dafür sorgen, dass alle Baumaßnahmen zügig erledigt werden.“ (David Lohmann)
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