Landtag

Ludwig Spaenle im Landtag. (Foto: Rolf Poss)

05.06.2020

Der Erleichterte

Im Porträt: Der CSU-Abgeordnete Ludwig Spaenle, Antisemitismusbeauftragter der Staatsregierung

Freundschaft in der Politik, das ist so eine Sache. Es kann durchaus ein Vorteil sein, sich mit einem amtierenden Regierungschef auch privat gut zu verstehen. In der Regel sind Chef*innen ja eher geneigt, Führungspositionen mit Leuten zu besetzen, die sie nicht nur fachlich, sondern auch persönlich schätzen. Im Fall von Ludwig Spaenle allerdings war die Nähe zu Markus Söder am Ende ein Karrierekiller. So sehen das jedenfalls maßgebliche Leute in der CSU.

Im März 2018 hatte Söder nach seinem Amtsantritt als Ministerpräsident Spaenle völlig überraschend nicht mehr ins Kabinett berufen. Der 58-jährige Spaenle hatte von 2008 bis 2013 als Kultusminister fungiert, von 2013 bis März 2018 war er Minister für Bildung und Kultur. Spaenle ist außerdem seit 2011 CSU-Bezirksvorsitzender in München – ein Posten, der normalerweise als Entree für ein Regierungsamt dient. Und: Er und Söder galten als Freunde, beide zogen 1994 in den Landtag ein. Spaenle ist der Patenonkel von Söders Sohn.

Leider aber war erstens im von Spaenle verantworteten Bereich Schule einiges schiefgelaufen, zum Beispiel im Kontext der G8-Malaise. Dummerweise war Spaenle als Kultusminister auch in die Verwandtenaffäre des Landtags verstrickt und hatte seine Ehefrau unzulässigerweise als Mitarbeiterin beschäftigt. Zweitens war der ehrgeizige Söder bestrebt, seine Unabhängigkeit von jeglichem Spezltum zu demonstrieren. Beides zusammen, sagt ein CSU-Präside, „war tödlich für den Louis“. Bei der Frage nach seinem und Söders Verhältnis heute wird der ansonsten super redselige Spaenle schweigsam, guckt genervt und murmelt, das sei seine Privatangelegenheit.

Sogar die SPD lobt Spaenles Arbeit

Bei der Landtagswahl 2018 verlor der gedemütigte Spaenle dann auch noch sein Direktmandat im für die CSU traditionell schwierigen Stimmkreis München-Schwabing und flog aus dem Landtag – in den er nun zurückkehren durfte: Am 1. Mai rückte er offiziell für Otto Lederer nach, der bei der Kommunalwahl Ende März zum Landrat von Rosenheim gewählt worden war.

Ganz war die Nabelschnur zum Politikbetrieb für Spaenle ohnehin nicht durchtrennt. Sein Amt als Münchner CSU-Chef hat er behalten. Außerdem wurde er nach seinem Minister-Aus von Söder zum Antisemitismusbeauftragten der Staatsregierung berufen – ein Posten, den es bis dato nicht gab, dotiert mit 2000 Euro monatlich und angesiedelt beim Kultusministerium. Also ausgerechnet an dem Ort, den Spaenle früher als Minister befehligt hatte.

Tatsächlich ist er als „Beauftragter für jüdisches Leben und gegen Antisemitismus, für Erinnerungsarbeit und geschichtliches Erbe“, so die offizielle Bezeichnung, der richtige Mann am richtigen Platz. Das sehen nicht nur seine Parteifreunde so, sondern auch Oppositionsleute. Spaenle habe den Job bisher „sehr gut gemacht“, lobt der Fraktionschef der Landtags-SPD, Horst Arnold. Auch wenn Arnold sich wünscht, dass der Posten parteipolitisch unabhängig beim Landtag angesiedelt sein solle – analog zum bayerischen Datenschutzbeauftragten.

Antisemitismus: Damit war er schon früher befasst

Zu Spaenles ersten Amtshandlungen als Antisemitismusbeauftragter gehörte, dass Bayern auf seinen Wunsch hin eine rechtsverbindliche Definition des Begriffs Antisemitismus beschlossen hat. Sie basiert auf der Empfehlung der International Holocaust Remembrance Alliance und charakterisiert Antisemitismus als eine „bestimmte Wahrnehmung von Juden, die sich als Hass gegenüber Juden ausdrücken kann“. Antisemitismus könne sich ausdrücken „in Wort oder Tat gegen jüdische oder nichtjüdische Einzelpersonen und/oder deren Eigentum sowie gegen jüdische Gemeindeorganisationen und religiöse Einrichtungen“, so die Definition.

Mit den Themen Antisemitismus und Erinnerungsarbeit war Spaenle schon früh befasst. Bereits in der Jungen Union hatte er sich nach eigenen Angaben darum gekümmert. Im Landtag war er dann im Kulturausschuss verantwortlich für das Thema KZ-Gedenkstätten. Und als Kunst- und Kulturminister, sagt Spaenle, „war ich sicher zehn Mal in Israel“. Das alles „hat meine politische Arbeit geprägt“.

Das Minister- und Landtags-Aus: „Als ob man aus einem fahrenden ICE aussteigt“

Im Landtag ergatterte Spaenle seinen ersten Spitzenposten 2003, er avancierte zum Vorsitzenden des Kulturausschusses. Zehn Jahre später wurde er vom damaligen Ministerpräsidenten Horst Seehofer zum Bildungsminister berufen. Politisch aktiv war er bereits als Schüler, er trat mit 13 Jahren der CSU-Schülerunion bei.

Spaenle ist promovierter Historiker, neben Geschichte studierte er auch katholische Theologie. Sein Studium finanzierte er sich als Bahnarbeiter. „Das war harte Arbeit“, entsinnt er sich. Anpacken kann er auch heute noch. Zum Beispiel in seinem Wochenendhäuschen in der Fränkischen Schweiz. Dort ist regelmäßiges Rasenmähen am Hang angesagt. Was, wie er stöhnt, „echte Maloche“ sei. Egal – er liebt Gartenarbeit. Das entspannt ihn.

Nach dem Studium arbeitete Spaenle einige Jahre als Fernsehjournalist beim Bayerischen Rundfunk, zunächst im Bereich Aktuelles, später in der Kirchenredaktion. Schon damals war er oft abends und am Wochenende im Einsatz, sodass ihn die ungewöhnlichen Arbeitszeiten in der Politik nicht wirklich störten.

So richtig zur Ruhe gekommen ist der Vater zweier Töchter (18 und 23) ohnehin selten. Als Minister wirkte Spaenle stets wie ein Getriebener. Presseleute fürchteten seine Endlossätze, die er in atemberaubendem Tempo, ohne Verschnaufpause, herunterratterte. Und so empfand er sein Zwangs-Aus als Minister und Abgeordneter als kalten Entzug. „Das ist, wie wenn man aus einem fahrenden ICE aussteigt“, sagt Spaenle. Auf die Frage, ob die politikfreie Zeit nicht auch Vorzüge besitze, antwortet er nur widerstrebend. Es sei schön, Herr seines Terminkalenders zu sein, fällt ihm immerhin ein. Und natürlich bleibe Raum für Hobbys. Neben Gartenarbeit sind das: Geschichte, Radeln, Wandern. Spaenle sagt, er liebe es, stundenlang allein umherzustreifen, „auch in Städten, egal wo“.

Erleichtert ist er schon, dass die Zeit der nie gekannten Freiheiten relativ rasch vorbei war. „Mich freut’s, dass ich wieder im Landtag bin“, strahlt Spaenle. Auch wenn es ungewohnt sein muss, nun als einstiger Bildungsminister einfaches Mitglied im Bildungsausschuss zu sein. Sein Spezialgebiet Erinnerungsarbeit ist dort übrigens schon vergeben, zuständig ist die CSU-Abgeordnete Ute Eiling-Hütig. Spaenle wiederum kümmert sich als Bildungspolitiker um den Bereich Begabtenförderung.

Spaenles politischer Wunschtraum: „Ich möchte mein Amt als Antisemitismusbeauftragter überflüssig machen.“ Leider dürfte das so schnell nicht der Fall sein. Tatsächlich wird der Kampf gegen Antisemitismus auch in Bayern immer arbeitsintensiver. Zahlen aus dem Innenministerium belegen, dass die in Bayern gemeldeten antisemitischen Straftaten im Jahr 2019 um rund 40 Prozent auf 307 gestiegen sind. Dazu zählen Beleidigungen, Sachbeschädigungen wie Schmierereien oder Körperverletzungen.

Im Innenausschuss des Landtags musste der Antisemitismusbeauftragte Spaenle kürzlich berichten, dass die Hate-Speech-Sonderdezernenten der bayerischen Staatsanwaltschaften dieses Jahr 81 Ermittlungsverfahren wegen antisemitischer Hass-Posts im Netz einleiteten. Und auch die Covid-19-Krise erreicht ihn. Spaenle ist bestürzt darüber, dass einzelne Verschwörungstheoretiker den Juden die Schuld an der Pandemie geben – und es bei Demonstrationen gegen Corona-Beschränkungen wiederholt antisemitische Ausfälle gab.
(Waltraud Taschner)

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