Leben in Bayern

Der Seelsorger Mike Gallen. (Foto: Stumberger)

15.05.2020

Andacht statt Arbeitslosentreff

Mutmacher aus Bayern: Im Münchner Westend kämpft Seelsorger Mike Gallen mit den Folgen der Corona-Pandemie

Auch in der Kirche St. Rupert im Münchner Westend, einem ehemaligen Arbeiterviertel, finden endlich wieder Gottesdienste statt. Am Mittwoch zum Beispiel gab es eine Andacht für Hartz-IV-Empfänger und andere. „Ob du Erwerb-Suchende oder Arbeitende, systemrelevant oder irrelevant bist, komm“, hatte Mike Gallen auf die Einladung geschrieben. Gallen ist Pastoralassistent und Arbeitslosenseelsorger der katholischen Kirche. Normalerweise veranstaltet er im Westend einen Arbeitslosentreff, für viele in dem Viertel ein wichtiger Termin. Der nun allerdings auch wie so vieles dem Coronavirus zum Opfer gefallen ist.

Deshalb diese spezielle Maiandacht. Jede zweite Bankreihe in der Kirche ist gesperrt, es sind nur zwei Personen pro Bank zugelassen. Am Eingangsportal werden die Besucher mit einer Desinfektionslösung für die Hände empfangen. Gut ein Dutzend Menschen haben den Weg in die Kirche gefunden, das Tragen von Schutzmasken ist obligatorisch. Mike Gallen, ein gebürtiger Neuseeländer, der seit Jahrzehnten in München lebt, eröffnet den Gottesdienst: „Wie geht es uns? Was für Worte sind in dieser Zeit passend?“, fragt er. Auch er trägt eine Schutzmaske.

Die Corona-Krise macht gerade auch den Menschen zu schaffen, die in prekären Verhältnissen leben: Hartz-IV-Empfänger, Obdachlose, Bedürftige. Denn viele Hilfseinrichtungen sind geschlossen oder haben ihre Angebote ausgesetzt. So auch der Treff des Arbeitslosenseelsorgers. Seit zwei Jahrzehnten ist Gallen in der Diözese für die Nöte der Erwerbslosen zuständig. Jeden zweiten Mittwoch um zehn Uhr gibt es normalerweise im Pfarrsaal Frühstück: Kaffee, kleine Wurst- und Käseplatten. Zu den Treffen kommen an die 30 Leute, darunter zum Beispiel der 61-jährige Godi M., früher Einkaufsleiter, jetzt arbeitslos. Seit zehn Jahren versucht er, irgendwo in einer unbefristeten Tätigkeit Fuß zu fassen. In diesen zehn Jahren, sagt Godi M., habe er „zweitausend bis dreitausend Bewerbungen“ geschrieben. Vergeblich.

Doch seit dem 19. März sind alle Treffs abgesagt. „Ich wünsche Euch Kraft, Ruhe, Gesundheit und, ja, Gottes Segen“, hatte Gallen den Teilnehmer*innen in einer E-mail geschrieben.

Jetzt aber steht Gallen in der Kirche und fragt: „Habt ihr einen Wunsch, den ihr aussprechen möchtet?“ „Dass wir keine Masken mehr tragen müssen“, sagt eine Frau. „Dass wieder Besuche in Altenheimen möglich sind“, meint ein anderer. „Dass das Leben wieder normal ist“, so ein weiterer.

Nach der Andacht bekommt noch jeder eine Packung Schokolade mit auf den Weg – zur Stärkung. „Ja, das Treffen geht schon ab“, sagt Gallen. Wann die Langzeitarbeitslosen wieder zusammenkommen können, weiß er noch nicht. „Vielleicht nach den Pfingstferien“, meint er. Immerhin: An diesem Tag gibt es zwar kein Frühstück, aber ein Mittagessen „für alle, die es brauchen“, wie Gallen sagt. In der nahen evangelischen Auferstehungskirche stehen Hähnchen mit Kartoffelsalat bereit.
(Rudolf Stumberger)

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