Leben in Bayern

Mit traditionellen Schlitten den Berg hinunterrasen: Alljährlich findet im Allgäu das internationale Hornerrennen statt. (Foto: Karl-Josef Hildenbrand/dpa)

13.12.2019

Christbäume loben, Geister jagen

"Mei, isch des a schöner Baum!" - ist der Weihnachtsbaum noch so krumm, in Schwaben wird er gelobt. Skurrile Traditionen werden dort seit Jahrhunderten gelebt und gefeiert - von wild und rasant bis feurig und furchteinflößend

Die Tage werden kürzer, die Temperaturen fallen - und der nächste Sommer scheint unendlich weit weg. Dass die Wintermonate trotzdem spannend sein können, zeigen Bräuche aus dem Allgäu und Oberschwaben.

KLAUSEN- UND BÄRBELETREIBEN:
Felle und Tierhäute hängen um ihren Körper, aus dem zotteligem Haar am Kopf ragen spitze Hörner. Mit Schellen und Ketten poltern die Klausen Anfang Dezember im Allgäu durch die Straßen - rufen, läuten, rasseln. Ab und zu bekommt ein Passant einen Hieb. Es sind Gestalten, von denen Mann und Frau sich lieber fernhalten. Und das ist auch der Sinn des Brauchs aus dem alemannischen Alpenraum. "Die Klausen sollen Winterdämonen vertreiben", sagt Matthias Hecht vom Klausenverein Sonthofen.

Unter den Kostümen versteckten sich ledige Männer. Unverheiratete Frauen ab 16 Jahren kommen schon am Vorabend zusammen, zum Gedenktag der heiligen Barbara: In Fetzengewändern, Schürzen, Kopftuch und mit gruseligen Masken fegen sie mit Weidenruten und Besen symbolisch Schmutziges und Unanständiges vor den Haustüren weg. Auch Bärbele verteilen Hiebe - bekommt ein Bursche ein Tritt gegen das Bein, bedeutet das Fruchtbarkeit.

CHRISTBAUMLOBEN:
Der Brauch des Christbaumlobens ist in Oberschwaben und im Allgäu verbreitet. An Feiertagen ziehen kleine Gruppen von Haus zu Haus und loben ausführlich die aufgestellten Christbäume. Als Dank gibt es vom Besitzer einen Schnaps - bevor die Gruppe zum nächsten Haus weiterzieht. Der Verein "Soziale Bürger" im bayrischen Memmingen hat die Tradition mit einem Wettbewerb um den schönsten Weihnachtsbaum verbunden: Organisator Manfred Bretzel stellt 20 Bäume zur Verfügung, die von Teilnehmern geschmückt werden können. Die Besucher dürfen dann für 1,50 Euro einen Stimmzettel kaufen und die hübscheste Tanne bestimmen. Zum Dank gibt es - klar - einen Schnaps. Alternativ dürfe man sich aber auch einen Lebkuchen, Kinderpunsch oder Kaffee aussuchen, sagt Bretzel.

STEPHANSRITT:
In Eisenharz im baden-württembergischen Landkreis Ravensburg treffen sich am zweiten Weihnachtsfeiertag Reiter mit Pferden, um gemeinsam um eine Kapelle am Ortsrand zu ziehen und dabei Gottes Segen zu erbitten. In früheren Zeiten ritten viele Landwirte einzeln oder in kleinen Gruppen um die Kapelle - dieses "wilde Herumjagen" lenkte ein Pfarrer schließlich in geordnetere Bahnen: 1927 zogen die Reiter erstmals als kirchliche Prozession mit einer Musikkapelle und anschließender Pferdesegnung los. Ungefähr 200 Reiter waren damals der Einladung gefolgt. 1928 gründete sich der Verein der Stephanusreitergruppe Eisenharz, die den Ritt seitdem organisiert. Je nach Wetter machten zwischen 90 und 120 Reiter mit, sagt der Vorsitzende Adalbert Weber. "Den Pferden macht die Kälte wenig aus, die sind robust. Und die Reiter packen sich warm ein."

HORNERRENNEN:
Auf die Schlitten, fertig, los! Wild wird es beim Hornerrennen im Allgäu. Ursprünglich dienten die großen Hörnerschlitten den Bergbauern, um Milch, Heu und Holz ins Tal zu bringen. Nun gibt in den Wintermonaten rasante Hörnerschlittenrennen. Allein oder in Zweierteams sausen wagemutige Teilnehmer auf einer Piste um die Wette. Ein Rennen dauert etwa eineinhalb Stunden, sagt Pius Ueth vom Hornerverein in Bad Hindelang. "Abhängig davon, wie viele Unfälle passieren." Für die Zuschauer gibt es nicht nur Gaudi und Verpflegung, sondern auch ein wenig Geschichte: Als Showeinlage rodeln als Bergbauern verkleidete Teilnehmer mit original Hornschlitten den Hang hinunter.

FUNKEN:
Und weil viele im Februar oder März keine Lust mehr auf dunkle Wintertage haben, brennen im Allgäu, in Oberschwaben, aber auch am Bodensee oder in Freiburg zahlreiche Funkenfeuer. Das Ziel: symbolisch den Winter auszutreiben. Meist werden dafür Christbäume und anderes unbehandeltes Holz verwendet, das gestapelt wird. Oben auf den Turm kommt meist eine "Funkenhexe", deren Kleider mit Stroh und Heu gefüllt sind. Die Wurzeln des Brauchs liegen in einem heidnischen Kult zur Vertreibung des dunklen und kalten Winters. Andere Überlieferungen berichten von Fruchtbarkeitsriten und keltischen Brandopfern. In manchen Orten gibt es auch die Tradition des Scheibenschlagens: Dabei werden Holzscheiben zum Glühen gebracht und von Anhöhen geworfen.
(Carolin Gißibl und Kathrin Drinkuth, dpa)

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