Leben in Bayern

So spaßig das Baden in Seen und Schwimmbädern ist: Es ist auch gefährlich, wie die diesjährige Unfallstatistik zeigt. (Foto: dpa/Westend61/Anastasiya Amraeva)

26.09.2025

Nur noch mit Schwimmnachweis in den Weiher?

Nach einer Saison mit 72 Badetoten in Bayern schlagen Fachleute verschiedene Maßnahmen vor – die Umsetzung könnte schwierig werden

Erst entdeckten Badegäste einen im Wasser treibenden Schwimmflügel, kurz darauf die leblose Siebenjährige, die ihn getragen hatte: Der Tod des Mädchens und ihrer sechsjährigen Schwester, die beide Mitte August unbeaufsichtigt in einem Badesee in Schweinfurt geplanscht hatten, bewegte die Menschen. Und es waren bei Weitem nicht die einzigen Fälle: 72 Menschen kamen laut Deutscher Lebens-Rettungs-Gesellschaft (DLRG) in diesem Jahr in Bayern beim Baden ums Leben – so viele wie seit Langem nicht mehr. Die DLRG fordert deswegen eine Schwimmwestenpflicht für Kinder.

Auch andere Akteure haben Präventionsvorschläge. Eine Fachangestellte für Bäderbetriebe sowie ein Rettungssanitäter aus Unterfranken verlangten jüngst eine Schwimmnachweispflicht für öffentliche Badeorte.

Immer mehr Bäder schließen

Von der Idee, den Besuch an einen Schwimmnachweis zu koppeln, hält Ralph Lampert, Leiter der Stadtwerke im mittelfränkischen Langenzenn, wenig: „Das ist nicht umsetzbar, wie will man das denn kontrollieren?“ Ebenso wenig sieht er eine Schwimmwestenpflicht als Allheilmittel gegen tödliche Badeunfälle an. Lampert appelliert an Eltern, dafür zu sorgen, dass ihre Kinder schwimmen lernen, bevor sie in die Schule kommen. „Ich selber habe meine Kinder in eine private Schwimmschule gegeben“, erzählt er. In Zeiten knapper Kassen und des Fachkräftemangels können sich Eltern nach Ansicht des diplomierten Kaufmanns nicht mehr darauf verlassen, dass der Staat für die Schwimmfähigkeit ihrer Kinder sorgt.

Auch die Stadtwerke Langenzenn mussten ihr Hallenbad am 31. Juli für immer schließen. Die Schließung des Hallenbads wurde von Langenzenns Bürgerinnen und Bürgern hingenommen, es gab wenig Proteste. Die Gründe leuchteten ein: Neben der schwierigen Suche nach Fachpersonal machte der Stadt das Defizit von bis zu 600.000 Euro im Jahr zu schaffen. Noch kann im nahe gelegenen Wilhermsdorf geschwommen werden. Allerdings ist die Nachfrage nach dortigen Schwimmkursen laut Lampert so groß, dass die Kurse stets ruckzuck ausgebucht sind. Wer genug Geld hat, wählt dann eben einen privaten Anbieter.

In München beispielsweise die Schwimmschule von Esra Mayr. Mayr findet Schwimmabzeichen grundsätzlich gut: „Sie sind als Motivation für Kinder wertvoll.“ Gleichzeitig erlebt sie, dass die Abzeichen „häufig missbraucht“ würden: Eltern übten auf ihre Kinder Druck aus, weil sie einen „sicheren“ Urlaub am Meer haben möchten. Das Abzeichen gelte auch als Eintrittskarte für Schwimm-AGs oder Ganztagsschulen. Schon jetzt bestehe die Gefahr, dass Abzeichen leichtfertig vergeben werden, nur um Anforderungen zu erfüllen. Sie wisse von Schwimmschulen, die Abzeichen nutzten, um nach außen möglichst rasch Erfolg zu präsentieren. In solchen Fällen hätte der Nachweis die Funktion eines Feigenblatts. Dieser Effekt könnte verstärkt werden, sollten die Abzeichen generell zur Pflicht beim öffentlichen Baden werden. 

Wäre der Besuch eines Schwimmbads an einen Nachweis der Schwimmfähigkeit gebunden, wäre das „eine große Erleichterung“ für das Aufsichtspersonal, meint dagegen Michaela Franke, Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft Bäder in Bayern.

Eltern schicken ihre Kinder allein ins Becken

Die Umsetzung hält aber auch Franke für problematisch. Öffentliche Schwimmbäder seien nun mal für alle Menschen da: Es wäre schwierig, Gäste an der Kasse abzuweisen, nur weil sie kein Seepferdchen haben. Das Abzeichen sei im Übrigen gar kein Schwimmnachweis: „Das Deutsche Schwimmabzeichen Bronze ist das erste Schwimmabzeichen.“ Das Seepferdchen diene rein der Motivation, erklärt die Leiterin der HofBad GmbH im fränkischen Hof.

Ein Problem für die Schwimmaufsicht: Viele Eltern kommen laut Franke ihrer Aufsichtspflicht nicht nach. Sie schickten ihre Kinder sogar alleine ins Schwimmbad – im guten Glauben, dass diese schon wieder heil nach Hause kämen: „Sie meinen, der Bademeister passt schon auf.“ So seien die Aufsichtskräfte in den Bädern zunehmend damit beschäftigt, Kinder, die offensichtlich nicht schwimmen können, aus dem Wasser zu holen und zu ihren Eltern zu bringen. 

Julian Smyrek, Vorstand der Wasserwacht in Miltenberg, war schon als Kind eine Wasserratte. Mit vier Jahren absolvierte er einen Schwimmkurs. Durch regelmäßiges Schwimmen erbrachte er bald überdurchschnittliche Leistungen. In sein Ehrenamt bei der Wasserwacht investiert der 26-jährige Notfallsanitäter inzwischen eine Menge Zeit: rund 600 Stunden im Jahr. Die Wasserwacht, erklärt er, sei ihm „Hobby und Lebensinhalt“ geworden. Nur findet er immer weniger Mitstreiter: Für den Wasserrettungsdienst im gesamten Landkreis stünden aktuell noch 50 Freiwillige zur Verfügung: „Früher waren wir 70.“

Bedenklich findet es Smyrek auch, zu erleben, wie stark die Schwimmfähigkeit selbst von Erwachsenen abnimmt: „Wir entwickeln uns zu einem Land der Nichtschwimmer.“ Würde man nur noch gegen einen Schwimmnachweis ins Schwimmbad gehen dürfen, wäre das in seinen Augen daher gar nicht schlecht. An Badeseen ließe sich diese Idee allerdings mangels Kontrollmöglichkeiten kaum umsetzen.

Daran hat auch Christoph Kirchner, Vorsitzender der Kreiswasserwacht Coburg, seine Zweifel. Ein „Schwimmschein“ sage letztlich nicht viel aus: „Den Nachweis hat ein Dritter ausgestellt, die Qualität der Leistungserfüllung variiert recht stark.“ Schwimmsicherheit erlange man ohnehin nur durch stetige Übung. Und zwar außerhalb des Planschbeckens. Wer nur das Schwimmbad gewohnt ist, wird kaum im offenen Gewässer mit Strömung, Algen, Sog oder Strudel zurechtkommen.

Vor allem Männer waren die Opfer

Im Wasser verunglückte Menschen, gibt Christoph Kirchner weiter zu bedenken, verfügten nicht selten über einen Schwimmschein. Zum Unfall kam es wegen mangelnder Übung, wegen Krankheit oder weil man alkoholisiert ins Wasser ging. Dazu passt die DLRG-Statistik, dass vier Fünftel der Todesopfer Männer waren.

Letztlich sei es wie mit dem Führerschein: Vergeht nach dessen Erwerb ein langer Zeitraum ohne Fahrpraxis, kann unmöglich sicher gefahren werden. Umgekehrt gibt es laut Kirchner Wasserratten, die gut schwimmen, ohne dass sie dies mit einem Schriftstück bestätigen könnten. (Pat Christ)
 

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