Leben in Bayern

Runa, Shahid und Amina (von links) auf dem Aktivspielplatz Gostenhof. (Foto: dpa/Daniel Karmann)

13.08.2021

Kleine Profis, große Wirkung

Immer wenn die Stadt Nürnberg einen Spielplatz baut, dürfen Kinder aus der Nachbarschaft mitreden – wieso ist das nicht überall so?

Amina, Runa und ihre Freundinnen blicken durch den Bauzaun auf den weitläufigen Platz. Ein Bagger und ein Radlader stehen herum. In einer Ecke liegen abmontierte Basketballkörbe, ein paar Meter weiter die Seile, die einmal zu einem Klettergerüst gehörten. Hier stand einmal ein Spielplatz – und hier soll auch wieder einer entstehen: ein neuer, besserer.

Doch wie sieht eigentlich ein guter Spielplatz aus? „Viel Platz zum Rennen“ wünscht sich die elfjährige Amina. Für die zwölfjährige Runa sollten gleich mehrere Schaukeln nebeneinander hängen, damit sie mit all ihren Freundinnen gleichzeitig schaukeln kann. Und genauso wird es wohl kommen, denn die beiden Mädchen haben den Spielplatz zusammen mit anderen Kindern aus dem Nürnberger Stadtteil Gostenhof mitgeplant. Immer wenn die Stadt Nürnberg einen neuen Spielplatz baut oder grundlegend erneuert, dürfen die Kinder aus der Nachbarschaft mitreden. „Das macht nicht nur Sinn, sondern ist auch dringend notwendig“, meint Doris Lindner, die beim Jugendamt für die Spielflächenplanung zuständig ist. Schließlich seien die Kinder diejenigen, die auf dem Spielplatz Spaß haben sollen.

Seit über 20 Jahren macht Lindner diesen Job und weiß aus Erfahrung, dass Kinder da ganz andere Ideen haben als Erwachsene. „Wir gehen da mit einem leeren Blatt Papier hin und hören uns erst mal alles an, was kommt“, sagt sie. Natürlich wünschten sich viele Kinder Rutschen, Schaukeln und Klettergerüste. Es gebe aber auch ungewöhnliche Vorschläge wie ein Schwimmbad, eine Achterbahn oder einen Dönerstand. Nicht alles lasse sich umsetzen, sagt Lindner. Aber viele Ideen könne man abgewandelt aufgreifen. „Das erklären wir den Kindern auch.“ Und wenn der Entwurf den jungen Beteiligten am Ende nicht gefällt, wird noch mal neu geplant. „Wir nehmen die Beteiligung der Kinder sehr ernst“, sagt Lindner. Auch wenn es erst mal mehr Zeit und Geld koste, zahle es sich am Ende aus. „Die Zufriedenheit ist viel größer.“

So wie in Nürnberg sollte es nach Meinung des Deutschen Familienverbands eigentlich überall sein, ist es aber nicht. „Da haben wir in Deutschland echt Nachholbedarf. In anderen Ländern ist es seit Jahren gang und gäbe, dass Kinder beteiligt werden“, sagt Vizepräsident René Lampe. Kinder haben seiner Ansicht nach heute weniger Freiräume und wachsen viel behüteter auf. Dadurch haben die Spielplätze eine viel größere Bedeutung für Kinder bekommen, um sich zu bewegen, sich auszuprobieren und anderen zu begegnen. Doch gerade in Ballungsgebieten, wo Spielplätze am nötigsten sind, gibt es laut Lampe viel zu wenige Flächen für Kinder und Jugendliche.

Zu viele trostlose "Spielplätze des Grauens"

Oft sind Spielplätze in den Städten in irgendwelche Lücken gequetscht. Ein Sandkasten, ein Wipptier, Zaun drum, fertig. Beispiele für solch trostlose „Spielplätze des Grauens“ findet man immer wieder in den sozialen Netzwerken, zuletzt erntete dort ein Spielplatz in Kiel Häme, wie Medien berichteten.

„Es gibt viele gute Spielplätze, aber leider auch viel zu viele schlechte“, sagt Claudia Neumann vom Deutschen Kinderhilfswerk. Viele Kommunen beteiligten Kinder zwar zunehmend an der Planung einzelner Projekte, aber machten dabei auch viele Fehler. Oft fragten sie die Kinder zu spät und legten schon fertige Pläne vor. Oder zeigten bloß Bilder von Spielgeräten aus Katalogen, und die Kinder könnten nur zwischen der einen oder der anderen Schaukel auswählen. „Es ist oft gut gemeint, aber schlecht gemacht“, meint Neumann. Hartnäckig halte sich auch das Vorurteil, dass es teurer werde, wenn Kinder Spielplätze mitplanten, weil der Zeitaufwand größer sei, sagt Neumann. Am Ende sei das aber oft nicht der Fall, weil sich zeige, dass manche kostspieligen Geräte gar nicht gewünscht seien.

Auch Lampe hat festgestellt, dass Spielplätze immer mehr Spiellandschaften glichen, also richtige Hingucker seien – die auch gepflegt und instand gehalten werden wollen, was ins Geld gehen könne. Ob Kinder sich solche außergewöhnlichen Spielplätze wirklich wünschen, da ist Spielplatzdesigner Günter Beltzig aus dem oberbayerischen Hohenwart skeptisch. „Oft werden diese von Landschaftsarchitekten geplant, die sich da austoben. Es wird sehr viel Geld für Unpraktisches ausgegeben.“ Er selbst hält es für sinnvoller, zu beobachten, wie und womit Kinder sich auf Spielplätzen beschäftigen. „Spielplätze dürfen nicht übersichtlich sein. Sie müssen voll mit Gebüschen und Verstecken sein“, ist er überzeugt. Außerdem sollte es Spielgeräte für verschiedene Altersgruppen geben und veränderbare Elemente wie Sand, Steine, Wasser und Erde, damit der Spielplatz auch noch nach Jahren interessant sei. „Es heißt immer, Kinder machen viel auf Spielplätzen kaputt. Das stimmt nicht, sie verändern diese nur nach ihren Bedürfnissen“, meint Beltzig.

In dieser Hinsicht ist der Spielplatz in Gostenhof der perfekte Spielplatz. Auch Amina und Runa gehen dort regelmäßig nach der Schule hin. In einer Ecke liegt dort ein riesiger Stapel Bauholz. Aus diesem zimmern sich die Kinder ihre eigenen Hütten und Klettertürme. Möglich ist das aber nur unter Aufsicht von Erwachsenen – auf öffentlichen Spielplätzen wäre das undenkbar.
(Irena Güttel, dpa)

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