Die CSU-Fraktion plant, ein „Bayernjahr“ als neuen Freiwilligendienst einzuführen. Geboren wurde die Idee bei der Klausurtagung der CSU-Landtagsfraktion im September in Kloster Banz. Das Bayernjahr soll auf den bestehenden Strukturen basieren. Neu sind Anreize wie die Übernahme von Kosten für den Führerschein. Auch ist das Privileg in der Diskussion, Bayernjahr-Absolventen bei Auswahlverfahren für Studiengänge zu bevorzugen.
Wie sieht es aber derzeit bei vorhandenen Freiwilligendiensten aus? Fakt ist: Die Bereitschaft, sich freiwillig zu engagieren, ging trotz emsigen Marketings für die unterschiedlichen Freiwilligendienste in den vergangenen Jahren zurück.
Freiwilligendienste werden oft abgebrochen
Im August 2025 waren nur noch 30 185 Teilnehmer am Bundesfreiwilligendienst (BFD) registriert. 2015 waren es noch 37 000. In Bayern sank die Teilnehmerzahl in diesem Zeitraum von 3300 auf knapp 2700.
Warum ist das so? Die Wurzel des Problems liegt nach Ansicht der Arbeiterwohlfahrt in Bayern (AWO) in der bunten Palette alternativer Angebote. Viele Jugendliche lockt dieser Tage zum Beispiel „Work and Travel“ mehr als ein Bundesfreiwilligendienst, ein Freiwilliges Soziales Jahr (FSJ) oder ein Freiwilliges Ökologisches Jahr (FÖJ). Vielen ist es nach den Erkenntnissen der AWO auch wichtiger, direkt nach der Schule in eine Ausbildung oder ins Studium zu starten.
Die geburtenschwachen Jahrgänge führten ebenfalls zu einer Verringerung der Teilnehmerzahlen. Bei der Diakonie in Bayern gingen diese von 2023 auf 2024 laut Pressestelle um rund 5 Prozent zurück. Auch die AWO verzeichnete in den letzten Jahren Rückgänge, wobei es seit Ende 2022 aufwärtsgeht.
Ein Jahr ist eine ganz schön lange Zeit für ein freiwilliges Engagement. Es gibt auch immer wieder Jugendliche, die abbrechen. In Bayern sind es jährlich etwas mehr als 8 Prozent. In Nordrhein-Westfalen brachen in den vergangenen Jahren aber stets 25 Prozent aller Freiwilligen den Dienst ab. Die bayerischen Träger schaffen es in den meisten Fällen, dass die Jugendlichen bei der Stange bleiben. Und zwar durch pädagogische Begleitung.
Wie die beim Bayernjahr aussehen soll, ist unklar. Die vorhandenen Freiwilligendienste beäugen das Bayernjahr skeptisch, wohl auch deshalb, weil sie Konkurrenz fürchten. Daniel Wagner von der Diakonie etwa spricht von moralischem Druck. Die Jugendlichen können das Gefühl bekommen, dass der Staat, der zum Beispiel für ihre Bildung und ihre Sicherheit sorgt, im Ausgleich von ihnen bedient werden müsse. Soziale Einsätze sollten aber der Perspektivfindung dienen, so Daniel Wagner.
Wohlfahrtsverbände erhoffen sich durch die „Perspektivfindung“ selbstverständlich auch, neue Mitarbeiter zu gewinnen. Diese Hoffnung könnte dadurch torpediert werden, dass das neue Bayernjahr auch in der Wirtschaft oder im Sicherheitssektor abgeleistet werden kann. Auch wird befürchtet, dass Träger durch die neue Konkurrenz Bayernjahr bürokratisch an eine noch straffere Leine gelegt werden. Laut AWO könnte es neue „Förderlogiken, Verwaltungsstrukturen oder Berichtspflichten“ geben.
Bereits jetzt gibt es eine Parallelstruktur von Bundesfreiwilligendienst BFD und Freiwilligem Sozialen Jahr FSJ. Dazu teilt die Bundesregierung mit: „Für die Freiwilligen selbst ist im Alltag kein nennenswerter Unterschied erkennbar. In den Einsatzstellen leisten sie ihren Dienst oft nebeneinander bei gleichen Rahmenbedingungen. In beiden Formaten steuern Träger und Zentralstellen die Dienste, oft in Personalunion.“
Der CSU-Fraktion schwebt letztlich eine verpflichtende „Gesellschaftszeit“ vor. Mit dem Bayernjahr möchte sie nach eigenen Angaben den Weg dafür ebnen. Wie die Fraktion auf Anfrage mitteilt, wird aktuell ein Konzept erarbeitet, das bei den Trägern der bestehenden Freiwilligendienste umgesetzt werden soll.
Das wäre natürlich etwas völlig anderes als ein freiwilliges Bayernjahr. Die AWO lehnt ebenso wie die Diakonie in Bayern einen Pflichtdienst ab. Sie fordert dem Landesvorstand zufolge das „Recht“ eines jeden jungen Menschen auf einen Freiwilligendienst: „Mit sicherer Finanzierung, auskömmlichem Freiwilligengeld, besserer Anerkennung im Bildungsweg und flächendeckender Information.“
AWO und Caritas sind ziemlich skeptisch
Mehrere Medien befragten junge Menschen in den vergangenen Monaten, wie sie einen verpflichtenden Dienst für sich selbst sehen würden. Einige finden das eine gute Idee. Für andere würde das eine Art Gefängnis darstellen: Sie möchten sich frei entscheiden können, wie sie ihr Leben nach der Schule gestalten.
Wohlfahrtsverbänden ist es wichtig, die Freiwilligendienste attraktiver zu machen, um mehr junge Leute zu gewinnen. „Ein zentrales Anliegen bleibt für uns ,Freie Fahrt für Freiwillige‘, also die kostenfreie Nutzung von ÖPNV und Bahn, wie sie bereits für den Heimatschutz gilt“, so die AWO-Landesvorsitzende Nicole Schley.
Die Freiwilligen engagieren sich im Übrigen nicht völlig umsonst, es gibt einen Obolus in Form von Taschengeld. Der beträgt beim BFD maximal 644 Euro monatlich. Im FSJ müssen mindestens 390 Euro ausgezahlt werden. Im Durchschnitt erhalten Freiwillige 365 Euro. „Aktuell tragen die Einsatzstellen allein die Kosten für Taschengeld und Leistungen“, erklärt AWO-Landesvorstand Stefan Wolfshörndl. Die AWO fordert eine staatliche Förderung des Taschengelds. (Pat Christ)
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