Politik

Motivmäßig kann Horst Seehofer Heimat auf jeden Fall: Dieses Bild mit Gebirgsschützen entstand 2013. (Foto: Tobias Hase/dpa)

05.04.2018

Das neue Heimatressort: Ministerium statt Museum?

Heimat, das klingt so wohlig. In manchen Ohren auch betulich. Ausgerechnet dafür gibt es nun auch ein Ministerium. Der Name soll sicher ein Bedürfnis bedienen - aber doch noch einiges mehr leisten

Selbst der Bundesinnenminister vertut sich: "Ich hab' das Heimatmuseum, äh, das Heimatministerium, das Heimatministerium in Bayern gegründet" - so beschreibt Horst Seehofer (CSU) seinen Exportschlager. Nun soll in Berlin ein um die Bereiche Bauen und Heimat erweitertes Innenministerium unter seiner Führung für "Geborgenheit" sorgen, den gesellschaftlichen Zusammenhalt stärken und die Angleichung der Lebensverhältnisse in Deutschland befördern, verspricht der Chef. Doch was heißt das eigentlich?

Für jene, die sich für die Belange der Kommunen einsetzen, ist die Sache klar. "Die Schere zwischen armen und reichen Städten und Regionen geht trotz der insgesamt guten wirtschaftlichen Lage immer weiter auseinander", sagt der Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städte- und Gemeindebundes, Gerd Landsberg. "Hier erwarten wir klare Lösungsansätze des neuen Heimatministeriums." Schließlich lebten 70 Prozent der Menschen in Deutschland in Regionen oder ländlichen Räumen.

Sein Kollege vom Deutschen Städtetag, Helmut Dedy, frohlockt ebenfalls über die "Renaissance des Heimatbegriffs" - genau hier seien die Auswirkungen von Globalisierung und Digitalisierung spürbar. Der Heimat- und Innenminister solle sich "als Anwalt der Kommunen in der Bundesregierung" verstehen, hofft er.

In Bayern gibt es seit 2014 ein Heimatministerium,
ein Anhängsel des Finanzministeriums

Wie das in der Praxis aussehen könnte, zeigt das bayerische Beispiel. Hier gibt es seit 2014 ein Heimatministerium, ein Anhängsel des Finanzministeriums. Grundlage seiner Arbeit ist die Heimatstrategie, die die in der bayerischen Verfassung verankerte Förderung gleichwertiger Lebensverhältnisse als oberste Maxime hat. Anders als im Bund, wo der Ausbau des schnellen Internets Sache des auch für Infrastruktur zuständigen Verkehrsministeriums ist, ist das bayerische Ressort auch für die digitale Infrastruktur zuständig.

Wieweit die bayerische Arbeitsweise auf den Bund übertragbar ist, muss sich indes noch zeigen. Kaum vorstellbar, dass Seehofer dort wie einst sein bayerischer Heimatminister und Nachfolger als Ministerpräsident, Markus Söder, durch die Republik reisen und Förderbescheide verteilen wird.
Die frisch gewählte schwarz-gelbe Landesregierung von Nordrhein-Westfalen zog im vergangenen Sommer nach. Seither ist Ministerin Ina Schnarrenbach (CDU) dort für eine eigenwillige Mischung aus Heimat, Kommunales, Bau und Gleichstellung zuständig.

Die 41-Jährige findet ein Heimatministerium wichtig, um Menschen in einer globalisierten Welt Halt und Orientierung zu geben, wie sie der Deutschen Presse-Agentur kürzlich erläuterte. Ihre Aufgabe sieht sie vor allem darin, die Situation in den Kommunen zu verbessern und für ein Lebensumfeld zu sorgen, in dem sich die Menschen - da ist es wieder - geborgen fühlen.

Vager Wohlfühlbegriff für ganz handfeste Probleme

Dafür stehen in dieser Wahlperiode bis 2022 rund 113 Millionen Euro bereit, die unter anderem in Heimat-Preise, Heimat-Fonds und Heimat-Werkstätten fließen sollen. Natürlich seien die Förderprogramme auch offen für muslimische Vereine, betont sie. "Heimat grenzt nicht aus, sondern verbindet. Heimat ist für alle da." Die Opposition wirft der Ministerin vor, wenig Konkretes zu liefern und ihre Initiativen nicht gründlich vorzubereiten.

Doch warum überhaupt solch ein vager Wohlfühlbegriff für ein Ministerium, das ganz handfeste Probleme lösen soll? Vielleicht schwinge da auch das Versprechen mit, "dass man den Status von Gruppen in strukturell benachteiligten Regionen erhalten möchte, indem man ihre kulturelle Identität respektiert", meint die Soziologin Cornelia Koppetsch von der TU Darmstadt. Schließlich gebe es eine Konfliktlinie zwischen jenen, die mobil sind und die Globalisierung für sich nutzen könnten und denen, "deren Fähigkeiten und Wissen eher lokal verankert sind, die oftmals weniger mobil sind und die Heimat häufig als Schicksal begreifen".

Die Linken-Bundestagsabgeordnete Kerstin Kassner aus Mecklenburg-Vorpommern findet den Namen "ein bisschen antiquiert". "Innen- und Kommunalministerium wäre doch ganz hübsch", schlägt sie vor. Doch unterm Strich sei das neue Ressort eine gute Sache, sagt die frühere Rügener Landrätin Kassner, für die die Kommunalpolitik ein Herzensthema ist. Vom neuen Heimatminister Seehofer verlangt sie: "Er muss liefern und darf sich nicht nur auf Bayern konzentrieren."

Noch fehlt Heimatminister Seehofer der Heimatstab

Ein politisches Schwergewicht wie Seehofer sei schon einmal ein Plus, meint der kommunalpolitische Sprecher der CDU/CSU-Fraktion, Christian Haase: "Wir haben Herrn Seehofer ja in der Vergangenheit als starken bayerischen Löwen erkannt, und wenn wir den an unserer Seite haben als Kommunen, dann fühlen wir uns gut aufgehoben."

Doch noch fehlt dem "Löwen" der Stab. Ziel sei es, "den neuen Bereich Heimat so schnell wie möglich arbeitsfähig zu machen", erklärt das Ministerium. Inhaltliche, konzeptionelle und "personalwirtschaftliche" Vorarbeiten liefen "mit Hochdruck". Erste Stellenausschreibungen seien veröffentlicht, weitere in Vorbereitung. Ein Staatssekretär und knapp hundert Mitarbeiter sollen sich nach einem Schreiben des Bundesfinanzministeriums künftig der Heimat widmen.

Bis es so weit ist, gehört das Feld weiter den Satirikern. Das innerhalb kürzester Zeit höchst populäre Twitterkonto "Heimatministerium" rät: "Das #Heimatministerium empfiehlt heute einen Spaziergang im deutschen Wald. Lauschen Sie den Vögeln, halten Sie inne und spüren Sie ihre Heimatverbundenheit."
(Martina Herzog, Marco Hadem und Bettina Grönewald, dpa)

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