Politik

Schwofen verliebt nach ihrem erneuten "GroKo-Deal": Martin Schulz (Thomas Wenke) und Angela Merkel (Antonia von Romatowski). (Foto: dpa)

08.03.2017

Klon-Politiker im gruseligen Scheining-Hotel

Singspiel auf dem Nockherberg: Regisseur Marcus H. Rosenmüller und seine Autoren variieren kongenial den Thriller-Klassiker von Stanley Kubrick

Da muss eine Preußin wie Sahra Wagenknecht daherkommen um den beiden verhuschten und klagenden bayerischen Oppositionspolitikern Anton Hofreiter (Grüne) und Florian Pronold (SPD) die Ursache und die Lösung ihres Dilemmas (60 Jahre der CSU beim Regieren zuschauen) in einem imperativen Satz zu erläutern: "Jammert nicht, sondern steht endlich Euren Mann!"  Mag die Bavaria, anders als noch 2016, bei den Politikern im Saal heuer weitgehend auf Zustimmung gestoßen sein - doch zu echter Begeisterung riss das Publikum beim Salvator-Anstich auf dem Nockherberg auch diesmal das Singspiel hin. Regisseur Marcus H. Rosenmüller und seine beiden Autoren Thomas Lienenlüke und Richard Oehmann verbanden erneut Humor, Aktualität und entlarvenden Hintersinn zu einer beeindruckenden dramaturgischen Mischung - angereichert mit gekonnt variierten musikalischen Klassikern und überzeugend gespielt. Den Hintergrund von Scheining bildete der Film Shining von Star-Regisseur Stanley Kubrick: ein gruselig wirkendes Hotel, in dem mit den Gästen merkwürdige Veränderungen geschehen. Was in dem Hollywoodklassiker Hauptdarsteller Jack Nicholson allein präsentiert (nach und nach die Grenze zum Wahnsinn überschreiten), das bewältigt auf dem Nockherberg die Cremé der bayerischen und bundesdeutschen Politik: Vorneweg natürlich Horst Seehofer (Christoph Zrenner) und sein ewiger Kronprinz Markus Söder (Stephan Zinner), dessen Konkurrenten Joachim Herrmann (Michael Vogtmann) und Ilse Aigner (Angela Ascher) und natürlich Angela Merkel (Antonia von Romatowski).

Sahra Wagenknecht - die Newcomerin als heimlicher Star

Die Story: Mittels eines mysteriösen Fahrstuhls und unter Verwendung einer abgeschnittenen Haarlocke (die notwendige DNA!) wollen Pronold und Hofreiter die CSU-Granden klonen, als intellektuelle minderbemittelte Figuren programmieren und so dafür sorgen, dass sich die politische Konkurrenz selbst entlarvt und die 60 Jahren Opposition - hoffentlich - endlich zu Ende gehen. Das gelingt auch - irgendwie: Doch sind die beiden am Ende ebenfalls doppelt vorhanden, geklont wiederum von der Gegenseite, und immer mehr verwischt die Erkenntnis, bei wem der Akteure es sich eigentlich noch ums Original und bei wem um die Kopie handelt. Heuer erstmals mit dabei - und der heimliche Star des Programms - ist aber Sahra Wagenknecht (Rosetta Pedone). Herrlich, wie sie die intellektuelle Kälte und kühle Erotik der Linken-Fraktionschefin im Bundestag umsetzt. "Genug geredet" pflaumt sie ihre möglichen künftigen Koalitionspartner Hofreiter (Wowo Habdank) und Pronold (Stefan Murr, wurde an gleicher Stelle einst als Guttenberg-Darsteller bekannt) bereits nach deren zaghaftem Begrüßen an. Anhand einer einzigen Szene kann sich der Zuschauer eigentlich ausmalen, wer bei Rot-Grün-Dunkelrot das Sagen hätte. Neu im Ensemble ist auch SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz (Thomas Wenke), der nach einem gemeinsamen nächtlichen Joint irgendwann mit Angela Merkel in inniger Umarmung das Tanzbein schwingt. "GroKo-Deal", kichern die beiden vergnügt vor sich hin - ja, die Wahrscheinlichkeit, dass auch nach dem Herbst 2017 in Berlin alles beim Alten bleibt ist mehr als realistisch.

Ein Asylbewerber, der redet wie Andi Scheuer, bringt Hofreiter zur Raserei

Rosenmüller und seine Autoren können - und da liegt der entscheidende Unterschied zur Bavaria - Politik und Politiker karikieren, ohne sich nur über sie lustig zu machen. Sie echauffieren sich nicht über einzelne - verunglückte - Bemerkungen, sondern stellen sie in einen Kontext. Herrlich, wie da plötzlich ein linker Gutmensch wie Anton Hofreiter ausrastet und brüllend die Abschiebung eines farbigen Flüchtlings (Simon Pearce) fordert - weil der eben nicht so redet, wie das nach Grünen-Sicht ein Migrant tun sollte, sondern verbal einfach den CSU-Generalsekretär Andi Scheuer ("Das schlimmste ist ein ministrierender Seneghalese") kopiert. Fast allen Politikern gefiel das Singspiel. Sahra Wagenknecht beispielsweise meinte: "Dass ich gleich drei Mal vorkomme - davon bekommt man ja Persönlichkeitsstörungen." Und Anton Hofreiter lobte: "Super. Große Begeisterung für das hohe technische Niveau." Sein Parteifreund, der Landtags-Fraktionschef Florian Hartmann, meinte anerkennend: "Das Singspiel auf der Bühne übertrifft sich jedes Mal wieder. Und Anton auf der Bühne ist fast besser als das Original - 120 Prozent Hofreiter." Florian Pronold gestand: "Habe Tränen gelacht." Joachim Herrmann befand ebenfalls: "Kann mich nicht beklagen." Lediglich Freie Wähler-Chef Hubert Aiwanger - der allerdings auch keine Rolle spielte und nicht im Stück vorkam - moserte: "Wir haben uns wenigstens nicht auf der Bühne blamiert. Und der Inhalt war kaum aktuell, geklonte Politiker sind als Idee nicht sehr innovativ." Aber gut, dass ist ja seit Jahrzehnten die erste Regel auf dem Nockherberg: Schlimmer als der schlimmste Hohn und Spott ist es für einen bayerischen Politiker, nicht auf dem Nockherberg vorzukommen. (André Paul, Angelika Kahl)

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