Politik

Der Berliner Reichstag. Soll die AfD künftig Posten wie Ausschussvorsitze erhalten? Jens Spahns Vorstoß kam nicht überall gut an. (Foto: dpa/Daniel Kalker)

01.05.2025

Mitglieder- und Umfrageboom der AfD - Union streitet um Umgang mit der rechten Partei

Nach Spahns AfD-Vorstoß, der AfD auch auch Ausschussposten zu geben,wird in der Union eifrig über den Umgang mit der rechten Partei diskutiert. Die Zahl der AfD-Mitglieder wächst derweil in einem nie gekanntem Ausmaß, wie Anfragen der Staatszeitung ergaben

Aufruhr bei der Union, Frohlocken bei der AfD: Mitte April hatte Jens Spahn (CDU) angeregt, der neue Bundestag solle mit der AfD in den Ausschüssen und Abläufen so umgehen „wie mit jeder anderen Oppositionspartei“. Neben der SPD zeigten sich Teile der Union entsetzt. Der Europaabgeordnete Dennis Radtke (CDU) nannte die Debatte so „unnötig wie schädlich“, sein baden-württembergischer Parteifreund Roderich Kiesewetter betonte, die AfD sei „keine normale Partei“. Prominente Unterstützung für die Spahn-Idee kam unter anderem von Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer und von Philipp Amthor (beide CDU), designierter Staatssekretär im Digitalministerium.

In der CSU geschah Widersprüchliches. Klaus Holetschek, Fraktionschef im Landtag, sagte zu Spahns Idee: „Das wird man diskutieren müssen“. Und: „Auf Dauer hat Jens Spahn vermutlich recht.“ Ende April ruderte Holetschek zurück: AfD-Leute seien „vollkommen ungeeignet“ für Parlamentsposten. Diese Woche stellte CSU-Chef Markus Söder klar: „Wir werden keine AfD-Funktionäre in Gremien wählen.“

Mitgliederzahl seit Ende 2022 bundesweit mehr als verdoppelt

Jens Spahn mühte sich vergangene Woche, die Debatte einzufangen: „Der größte Gefallen, den wir der AfD tun können, ist es, solche Debatten noch zwei Wochen weiterzuführen, obwohl alles gesagt ist.“ Nach Söders klarem Nein und dem Schweigen von CDU-Chef Merz ist es jedenfalls fraglich, ob es parlamentarische Mehrheiten für AfD-Leute an der Spitze von Bundestagsgremien geben wird.

Klar ist indes: Für die anderen Parteien wird es angesichts des wachsenden Wählerzuspruchs für die AfD immer schwieriger zu erklären, warum man der Partei die Übernahme von Parlamentsposten verwehrt. In zwei Umfragen liegt die AfD mit 26 Prozent aktuell jeweils 2 Prozentpunkte vor der Union. Der wachsende Zuspruch schlägt sich auch bei den AfD-Mitgliedern nieder. Bundesweit stieg deren Zahl nach Parteiangaben von 29.296 Ende 2022 bis zum 31. Dezember vergangenen Jahres um 75 Prozent auf 51.370. Und der Boom ist ungebrochen: „Aktuell haben wir knapp 60.000 Mitglieder. Tendenz stark steigend“, sagt AfD-Bundesschatzmeister Carsten Hütter der BSZ. Es würden zudem noch weitere 10.000 Mitgliedsanträge vorliegen, „die von unseren Mitarbeitern abgearbeitet werden“.

Auch in Bayern rasanter Mitgleiderzuwachs

Im Freistaat hatte die in Teilen rechtsextreme Partei laut Landeschef Stephan Protschka am 1. April dieses Jahres 8561 Mitglieder – Ende 2024 waren es erst 7205. Seit Dezember 2022 konnte die AfD ihre Mitgliederzahl von damals 4361 beinahe verdoppeln. Von 2020 bis 2022 hatte sie in Bayern noch Mitglieder verloren, um ab 2023 rasant zu wachsen – offenbar aus Verdruss über die Ampel-Politik.

Der fränkische AfD-Bundestagsabgeordnete Bastian Treuheit glaubt, dass die AfD noch weiter zulegen kann. „Die künftige Regierung wird uns in die Hände spielen, weil sie die echten Probleme des Landes nicht wirklich angeht.“

Söder kündigt Politikwende an

Ministerpräsident Söder hat jetzt erneut eine Politikwende angekündigt: „Die Richtung ändert sich“, erklärte er. Man wolle die AfD mit guter Politik kleinkriegen. Stellt sich nur die Frage, ob dies bei der für viele Menschen zentralen Migrationsfrage mit der SPD gelingen kann. Der Passauer Politologe Heinrich Oberreuter dürfte nicht der Einzige sein, der das bezweifelt: „Das ist mit der SPD nicht hinzukriegen“, sagt er der Staatszeitung. Und dass die Politikwende „bei den Leuten ankommen muss“.

Die AfD hat derweil partiell Kreide gefressen und angekündigt, sich im Auftreten zu mäßigen. Parteichef Tino Chrupalla erklärte, es werde im neuen Bundestag „von unserer Seite auch einen anderen Ton geben“. Denn die AfD wolle in Zukunft Regierungsverantwortung übernehmen.

Keine große Begeisterung für Chrupallas Appell

Ein neuer Ton? Das finden manche in der Partei überzogen, womit sich einmal mehr der Konflikt zeigt, der sich durch die AfD zieht – hier die eher Gemäßigten, da die eher Radikalen. Letztere haben Insidern zufolge in Bund und Land stark zugenommen. Eine Abfrage der BSZ ergab keine große Begeisterung für Chrupallas Appell: Man müsse abwarten, sagt etwa der AfD-Landtagsabgeordnete Benjamin Nolte. Er findet: Die anderen Parteien sollten in Vorleistung gehen und sich so „benehmen, dass konstruktive Debatten möglich sind“.

Sein Fraktionskollege Rene Dierkes erklärt: „Eine generelle Mäßigung auf allen Ebenen halte ich nicht für sinnvoll.“ Er verweist – ebenso wie der AfD-Europaabgeordnete Petr Bystron – darauf, dass die AfD für ihre „klare, unverfälschte Sprache“ geschätzt werde. Ein Mitglied der Landtags-AfD bringt die Divergenzen so auf den Punkt: „Wir haben halt auch echte Proleten in der Partei, die stolz darauf sind, dass sie so gut provozieren können.“ Bayerns AfD-Vizechef Martin Böhm springt Chrupalla zumindest partiell zur Seite. Chrupalla, so Böhm, „hat recht – wenn er das auf persönlich beleidigende Aussagen bezieht“.

Streit um Umgang mit Trump

Die Zerrissenheit der AfD hat sich zuletzt auch beim Thema Trump gezeigt. Bei einigen AfD-Leuten ist die ursprüngliche Begeisterung für den US-Präsidenten verflogen – nicht so bei AfD-Chef Chrupalla. Der zeigt sogar Verständnis für dessen Zollpolitik, die Deutschland massiv schaden könnte: „Manchmal muss man Freihandel einschränken.“ Co-Chefin Alice Weidel spricht sich dagegen für den freien Handel aus. Ähnlich beurteilt das Treuheit: „Zölle sind Gift für die Wirtschaft.“AfD-Mann Böhm sieht das Thema Zölle differenziert. Er sagt aber auch: „Trump hat seine Wahlversprechen gehalten.“ In Deutschland sehe er dagegen fast nur wertlose Zusagen.

Die Zukunft der neuen Regierung – und somit die der AfD – wird davon abhängen, wie man mit den Bedürfnissen der Menschen im Land künftig umgeht.
(T. Lill, W. Taschner)

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