Politik

Rückzugsareal für Mädchen und Buben: das Jugendzentrum „Tröpferlbad“ in München. Foto: dpa/Robert Haas.

30.06.2025

Teilhabe junger Menschen in Bayern: Der kurze Weg zum Jugendtreff

Bei der Teilhabe von Kindern und Jugendlichen liegt Bayern laut einer Studie bundesweit vorn

Teilhabe von Kindern und Jugendlichen: Das ist der Bus, der einen nach einer Nacht in der Disco sicher nach Hause bringt, und das Freibad, das Kindern und Jugendlichen einen erheblichen Preisnachlass gewährt. Das sind Kinderärzte in der Nähe, geöffnete Bibliotheken mit Spielecken. Sportplätze, Kinos, Theater. Jugendtreffs und öffentliche Räume, in denen man mit Freunden rumhängen kann, ohne etwas zu bezahlen. Mobile Daten, schnelles, zuverlässiges Internet. Gute Kitas, Schulen, Ausbildungsplätze, Jugendbildungsstätten. Und eine starke Stimme in der Politik. Ein Traum? Jedenfalls in weiten Teilen Deutschlands.

„Kinder und Jugendliche in Deutschland haben – je nach Wohnort – unterschiedliche Möglichkeiten, am gesellschaftlichen Leben teilzuhaben“, so der „Jugendteilhabeatlas“, den das unabhängige Berlin-Institut für Bevölkerung und Entwicklung gemeinsam mit der Wüstenrot-Stiftung veröffentlicht hat. Erforscht wird darin bundesweit, wie gut die gesellschaftliche, politische und soziale Teilhabe junger Menschen gelingt. Dabei achtet die Studie sowohl auf formale Beteiligungsmöglichkeiten wie Jugendparlamente oder Wahlen als auch auf strukturelle Voraussetzungen: Wie gut ist der öffentliche Nahverkehr ausgebaut? Gibt es Treffpunkte für Jugendliche?

„Die Unterschiede sind teils gravierend“, sagt Claudia Härterich vom Berlin-Institut. „Während in manchen Gegenden im Ruhrgebiet 20 bis 30 Prozent der Kinder in Armut aufwachsen, liegt der Anteil in wirtschaftlich starken, ländlichen Regionen Süddeutschlands bei unter 4 Prozent.“

Aktuell 68 Kinder- und Jugendparlamente in Bayern

Im deutschlandweiten Vergleich liegt der Freistaat in Sachen Teilhabefreundlichkeit fast überall weit vorn. Eine hohe Wirtschaftskraft, niedrige Schulden: Das erhöht die Teilhabechancen offenbar deutlich. Besonders im Süden Bayerns haben Kinder und Jugendliche viele Möglichkeiten der Partizipation. Einzig die Stadt Hof und der Landkreis Wunsiedel schneiden in der Studie schlechter ab.

Kritisch dagegen: Nur rund ein Viertel der bayerischen Landkreise und kreisfreien Städte verfügt über konkrete Konzepte für die Integration und Teilhabe von Jugendlichen. Damit liegt Bayern klar hinter Ländern wie Nordrhein-Westfalen oder Baden-Württemberg. Flächendeckende Strategien bleiben hierzulande die Ausnahme. Immerhin: In Bayern existieren aktuell 68 Kinder- und Jugendparlamente. 2022 wurde mit dem Dachverband der bayerischen Jugendvertretungen zudem eine Plattform zur landesweiten Vernetzung geschaffen.

Stefan Moser, Geschäftsführer des Ingolstädter Stadtjugendrings, sagt: „Die Teilhabe von Kindern und Jugendlichen in einer Kommune führt zur Identifikation.“ Die aktive Beteiligung und Teilhabe sei „im ureigensten Interesse jeder Stadt. Wenn wir konkurrenzfähig sein wollen, brauchen wir alle Köpfe.“ Seine Beobachtung: Wer in der Jugend eine starke Identifikation mit seiner Stadt aufgebaut habe, kehrt später auch gern wieder zurück – und engagiert sich dann vielleicht sogar ehrenamtlich für seine neue alte Heimat. Teilhabe als Beitrag zur Zukunftssicherung also.

Mit einfachen Maßnahmen das Leben des jungen Leute verbessern

Die ist allerdings reichlich unpathetisch. Denn meistens geht es den jungen Leuten gerade nicht um große Würfe und beeindruckende Gesten, sondern um kleine, pragmatische Lösungen, die den Alltag ein bisschen leichter machen. „Lebensweltorientiert“ sei das Engagement, so Moser. In Ingolstadt etwa gibt es in öffentlichen Einrichtungen auf Betreiben des Jugendparlaments hin Automaten mit kostenlosen Damenhygieneprodukten wie Tampons. Selbstbehauptungstrainings für junge Frauen werden durchgeführt.

Kinder dürfen bei der Spielplatzgestaltung mitreden. Eine gemeinnützige Wohnungsbaugesellschaft bietet Wohnraum für Wohngemeinschaften an, Stichwort: jugendgerechtes Wohnen. Aber auch, wenn es zur Freude der Kleinsten inzwischen viel mehr Matsch- und Wasserspielplätze als früher gibt: Es ist noch immer, findet Moser, „viel zu tun“.

Zwar wurden in den vergangenen zehn Jahren sämtliche Angebote der Kinder- und Jugendarbeit ausgebaut. Wie überall ziehen aber auch in Ingolstadt die Jugendlichen den Kürzeren.

Leere Kassen bremsen Teilhabe aus

Bestürzend, wie häufig junge Menschen in der Befragung des Berlin-Instituts deutschlandweit das Gefühl äußerten, unerwünscht zu sein und die Erwachsenen zu stören. Vor allem fehlen Plätze, an denen Jugendliche tun und lassen können, was sie wollen. Stabile Sitzgelegenheiten im öffentlichen Raum zum Beispiel, die doppelt genutzt werden können – zum gemütlichen Sitzen für Ruheständler und zum Skaten nach der Schule. Die Buswartehäuschen, „beliebte Treffpunkte, in denen jahrzehntelang Jugendgeschichte geschrieben wurde“, so Moser, sind vielerorts verschwunden, neuere Modelle zu offen und zugig für einen längeren Aufenthalt. Immerhin: Einige der alten Häuschen hat man in Ingolstadt gerettet und anderswohin gestellt – auf Initiative des Jugendparlaments.

Dessen Engagement ist allerdings akut bedroht. Den Jung-parlamentariern wurde gerade empfindlich das Budget gekürzt. Von bislang 30 000 Euro bleiben künftig nur 5000 Euro übrig. Der Grund: die leere Stadtkasse. Das Jugendparlament gibt sich kämpferisch: Es will seine Ideen jetzt per Antrag via Oberbürgermeister an den Stadtrat stellen. Und so immer wieder neu durchboxen, was nicht von selbst geschieht. (Monika Goetsch)
 

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