Die Attacke kam überraschend, und sie kam mit Wucht. „Vor den Entscheidungen in München kann sich keiner vom Acker machen. So etwas dürfen wir nicht durchgehen lassen – auch nicht unseren Freunden von den Freien Wählern.“ Ein Jahr nach dem Start seiner „Bayern-Koalition“ musste es einmal raus aus CSU-Chef Markus Söder. Lange hatte der Ministerpräsident staatsmännisch ertragen, wenn der FW-Vorsitzende und Vize-Regierungschef Hubert Aiwanger mal wieder ohne Rücksicht auf koalitionäre Vereinbarungen herumschwadronierte. Aber auf dem CSU-Parteitag vor zwei Wochen brauchte es klare Worte. Denn das Grummeln in der CSU über Aiwangers mitunter recht populistische Alleingänge drohte für Söder zum Problem zu werden. Deshalb seine ultimative Feststellung: „Alles, was in München beschlossen wird, wird von beiden beschlossen, von CSU und Freien Wählern.“
Als das schwarz-orange Projekt vor einem Jahr startete, war noch nicht abzusehen, wie gut es funktionieren würde. Zwar duzten sich Söder und Aiwanger schon nach zwei Tagen Koalitionsgesprächen, aber Sticheleien gab es immer wieder. Nicht mehr so schlimm wie im vorangegangenen Wahlkampf, als Aiwanger den späteren Partner zum „Master of Desaster“ erklärt hatte und gerne auf den Mond geschossen hätte. Söder ließ gelegentlich anklingen, dass ihn das oft etwas lose Mundwerk Aiwangers nerve. Selbst in den eigenen Reihen wird Aiwangers Stil nicht durchwegs goutiert. „Mei, der Hubert“, heißt es dann achselzuckend, als ob es sich um ein unabwendbares Schicksal handle.
Ein Schuss vor den Bug vom CSU-Generalsekretär
In der Sache hat sich die Koalition davon nicht beeindrucken lassen. Zentrale Punkte des Koalitionsvertrags wurden bereits auf den Weg gebracht: die Schaffung zusätzlicher Stellen bei der Polizei oder an den Schulen, die Ausweitung der Beitragsfreiheit für den Kita-Besuch oder die Stärkung des öffentlichen Nahverkehrs. Auch der Kurswechsel von der Schuldentilgung hin zu Hightech-Investitionen verlief ohne Brüche. In der Auseinandersetzung um das erfolgreiche Volksbegehren „Rettet die Bienen“ hat sich die Koalition zudem als krisenfest erwiesen. Zwar stimmten nicht alle Freien Wähler dem Öko-Kurs Söders zu, aber die Mehrheit stand. Dass aber Aiwanger auf Bauernversammlungen dem Unmut der Landwirte mit griffigen Formulierungen Vorschub leistet, hat Söders Geduld mit seinem Vize nun überstrapaziert.
Dabei hatte er Aiwanger schon im Frühjahr einen Schuss vor den Bug verpassen lassen. Grundsätzlich arbeite man in der Koalition sehr gut zusammen, erklärte CSU-Generalsekretär Markus Blume. „Aber die Entscheidungen, die wir gemeinsam für Bayern treffen, muss man dann vor Ort auch gemeinsam vertreten.“ Es ging damals um von Aiwanger zumindest geduldete FW-Aktionen gegen neue Stromtrassen.
Eigentlich hätten sie bei der CSU wissen müssen, wen sie sich da als Partner ins Boot holen. Auch in der Regierung müssten die FW versuchen, „das Gras wachsen zu hören“, gab Aiwanger vor einem Jahr auf einer FW-Landesversammlung als Devise aus. Man sei als Bürgerbewegung groß geworden und müsse weiter „das Ohr ganz unten am Bürger haben“. Aiwanger tut das mit aller Konsequenz.
Die FW haben ihre Programmatik nicht an der Garderobe der Staatskanzlei abgegeben
Ungeachtet mancher Irritation um Aiwanger arbeitet die Regierung ziemlich geräuschlos. Söder betont gerne, dass das an der inhaltlichen Nähe der Partner liege, während es mit den Grünen große ideologische Gräben zu überwinden gegeben hätte. FW-Fraktionschef Florian Streibl findet, die Bilanz der Koalition könne sich sehen lassen. Man habe es geschafft, „sachbezogen und ohne Streitereien“ zu arbeiten. Streibl räumt aber auch ein, dass die Regierungsbeteiligung für die FW „ein Jahr des Lernens“ gewesen sei. Aus der Opposition heraus sei das für manche ein „großer Umstellungsprozess“ gewesen. Dass zum Beispiel Kultusminister Michael Piazolo (FW) frühere schulpolitische Forderungen im neuen Amt kassiert hat, erklärt Piazolo pragmatisch so: „Die Zeiten sind vergessen.“
Trotzdem haben die FW ihre Programmatik nicht gänzlich an der Garderobe der Staatskanzlei abgegeben. Als jüngst im Landtag der FDP-Entwurf für ein Informationsfreiheitsgesetz auf der Tagesordnung stand, kündigte der FW-Abgeordnete Alexander Hold zwar an, man werde diesen aus Koalitionsräson ablehnen. Weil die Sache an sich aber eine „Herzensangelegenheit“ der FW sei, werde man weiter versuchen, die CSU zum Umdenken zu bewegen. Auch so lässt sich eigenes Profil zeigen, ohne gleich Misstöne in eine Koalition zu bringen. (Jürgen Umlauft)
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