Politik

06.05.2021

Distanzunterricht ab einer Inzidenz von 100 – noch der richtige Weg?

"Öffnen wir die Schulen. Besser heute als morgen", fordert Tobias Gotthardt, bildungspolitischer Sprecher der Freien Wähler im Landtag. "Schnelles Öffnen der Schulen kann immer wieder schnelles Schließen bedeuten – das ist die schlechteste Lösung", warnt dagegen Michael Schwägerl, Chef des Bayerischen Philologenverbands

JA

Michael Schwägerl, Vorsitzender des Bayerischen Philologenverbands

Ja zum bayerischen Stufenplan. Nein zu verfrühten Schulöffnungen. Der Wunsch ist klar und verständlich: Unsere Schülerinnen und Schüler sollen in die Schulen zurückkehren. Der Präsenzunterricht für alle ist auch mein Wunsch.

Ein Mehr an Öffnungen muss aber immer mit einem Mehr an Gesundheitsschutz einhergehen, und das sehen wir momentan noch nicht. Klar ist nämlich auch: Es werden zwar demnächst viele Lehrkräfte ein Impfangebot erhalten, aber bisher hat nur ein geringer Teil an weiterführenden Schulen tatsächlich eine Erstimpfung erhalten, vollständigen Schutz haben die wenigsten. Auch beim Thema Raumluftreiniger tut sich wenig, viele Kommunen lehnen eine Investition ab. Und natürlich wird an den Schulen getestet, aber wir stellen auch fest, dass gerade die Altersgruppe der über 16-Jährigen momentan sehr stark betroffen ist. Diese macht am Gymnasium mehr als ein Drittel der Schülerschaft aus, an Beruflichen Oberschulen 100 Prozent. Deswegen sollten nach den Lehrkräften auch zeitnah diese Schüler in die Impfkampagne miteinbezogen werden.

Bis zu den Pfingstferien sprechen wir am Gymnasium ohnehin nur von sechs Schultagen, die für Präsenz- oder Wechselunterricht infrage kommen würden, die anderen Tage fallen auf das Abitur oder auf Feiertage. Deswegen ist es vernünftig, vor den Pfingstferien die Grundschulen zu öffnen – die Kinder der 1. bis 3. Klasse sind ja besonders von den Schließungen betroffen und die Lehrkräfte an Grundschulen wurden priorisiert geimpft. Momentan ist der Plan, nach den Pfingstferien flächendeckender zu öffnen, dann haben hoffentlich auch alle Lehrkräfte an weiterführenden Schulen zumindest eine erste Impfung erhalten.

Wir dürfen in dieser sensiblen Phase jetzt nichts überstürzen. Öffnungen Hand in Hand mit Gesundheitsschutz – das muss die Devise sein. Ein Hin und Her wie vor Ostern braucht niemand, schnelles Öffnen kann immer auch wieder schnelles Schließen bedeuten – das ist die schlechteste Lösung.


NEIN

Tobias Gotthardt (Freie Wähler), stellvertretender Vorsitzender des Bildungsausschusses im Landtag

Offene Schulen sind sicherer als geschlossene – das sage nicht nur ich bereits seit Wochen. Glücklicherweise hat es jetzt auch unser Koalitionspartner CSU eingesehen. Zudem ist es die Quintessenz einer brandneuen Studie der Ludwig-Maximilians-Universität in München und zahlreicher, auch internationaler Forschungsarbeiten. Sie bestätigen unsere Position: zurück zum Präsenz-unterricht, mindestens bis 165. Basis dafür ist die durch Hygienemaßnahmen, Tests und geimpfte Lehrkräfte erreichte „Grüne Zone Schule“ mit einem Infektionsrisiko, das gegen null geht.

Ein weiteres Argument: Unsere Kinder. Kinderpsychologen warnen und fordern die Rückkehr der Kinder in die Klassenzimmer – beginnend bei den Kleinsten. Wollen wir bleibende Schäden bei der jungen Generation vermeiden, müssen wir handeln.

Drittes Argument: die Sorgen der Eltern. Ich selbst manage als dreifacher Vater gerade oft genug das Homeschooling meiner Kinder. Der Beruf wird da zum Nebenjob. Eltern sind nach Monaten der Doppellast daheim einfach ausgebrannt. Viele sagen: Ich kann nicht mehr.

Viertes Argument: die Lehrkräfte selbst. Der Blick auf schwarze Kästen bei der Videokonferenz, das Entrücken lernschwacher Schüler, die Doppelbelastung im Wechselunterricht … – all das zehrt. All das muss ein Ende haben.
Deshalb: zurück zur Schule, aber sicher. Wenn Kinder zur Schule gehen, werden sie getestet, können damit vielleicht sogar nachmittags zum Sporttraining, zur Jugendgruppe. Zu Hause dagegen bleiben Infektionen oft unerkannte Herde.

Gut, dass in der nächsten Corona-Verordnung ab 10. Mai der Grenzwert für Grundschulen auf 165 geändert wird. Jeder Tag Distanzunterricht ist ein Tag zu viel. Und so entscheidend für uns der Gesundheitsschutz in der „Grünen Zone Schule“ ist – so entscheidend ist auch die Frage der Bildungsgerechtigkeit für unsere Kinder.
Öffnen wir die Schulen. Besser heute als morgen.

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