Politik

Noch muss man Frauen in deutschen Aufsichtsräten mit der Lupe suchen -das soll sich ändern. (Foto: dpa)

05.12.2014

"Eine Quote für Aufsichtsräte ist zu wenig"

Der Münchner Personalberater Christian Pape über Widerstände der Unternehmen gegen die Frauenquote, Probleme bei der Kandidatinnensuche und die Fallstricke von High Heels

Ab 2016 gilt: 30 Prozent der Aufsichtsräte in DAX-Konzernen müssen weiblich sein. Betroffen von der Gesetzesinitiative der Bundesregierung sind allerdings nur etwa 110 börsennotierte Unternehmen. Die sind wenig angetan und klagen über zu wenig qualifizierte Kandidatinnen. Was ist von dem Gejammer der Konzerne zu halten? Und was bringen mehr Aufsichtsrätinnen tatsächlich für die Frauenförderung in Unternehmen?
BSZ: Herr Pape, wird Ihre Personalberatung schon bestürmt von DAX-Konzernen, die verzweifelt nach Aufsichtsrätinnen suchen?
Christian Pape: Im Moment läuft das noch sehr zögerlich. Das höre ich auch von anderen Headhuntern. Wenn ich bedenke, wie viele Aufsichtsrätinnen gebraucht werden, um die gesetzliche Quote zu erfüllen, müsste sich mehr tun.
BSZ: Woran liegt das? Die Konzerne behaupten doch, sie könnten nicht genug Frauen finden.
Pape: Ja, schon. Das Zögern der Unternehmen liegt wohl in deren Abneigung gegen die Frauenquote begründet. Großkonzerne mögen es nicht, wenn die Politik ihnen etwas aufzwingt. Also warten sie erst mal ab und tun gar nix – obwohl es natürlich schon sinnvoll wäre, bereits jetzt mit der Kandidatinnensuche zu beginnen. BSZ: Ist es tatsächlich so schwierig, ausreichend geeignete Frauen zu finden?
Pape: Es gibt genug qualifizierte Frauen! Ich gehe nicht davon aus, dass Aufsichtsratsposten ab 2016 nicht besetzt werden können, weil die Konzerne es nicht schaffen, die Frauenquote zu erfüllen. BSZ: Welches Anforderungsprofil gilt für Aufsichtsrätinnen?
Pape: Der Aufsichtsrat kontrolliert und berät den Vorstand – da sind juristische Grundkenntnisse von Vorteil – zum Beispiel sollte man eine Ahnung haben von Haftungsfragen. Es schadet auch nicht, eine Bilanz lesen zu können – obwohl ich mal behaupte, dass das viele amtierende Aufsichtsräte nicht können. Und man sollte Einblick in die Branche haben, in der das jeweilige Unternehmen tätig ist. Derlei theoretisches Rüstzeug kann man sich aber auch aneignen: weil man in einem Unternehmen dicht dran ist am Aufsichtsrat, vielleicht im Betriebsrat sitzt oder Vorstandsassistentin ist. Aufsichtsräte sollten außerdem netzwerken können, viele Kontakte haben. Und Kandidatinnen sollten sich gut verkaufen können. Da hapert’s häufig bei den Frauen, die sind oft zu ehrlich und zu bescheiden.

"Interessierte Frauen können auch eine Initiativbewerbung schicken"

BSZ: Was raten Sie Frauen, die sich für einen Aufsichtsratsposten interessieren? Können die sich auch einfach bei einem Headhunter melden?
Pape: Klar. Es spricht nichts gegen eine Initiativbewerbung. Am wichtigsten ist es, dass eine Kandidatin oder ein Kandidat authentisch rüberkommt. Da begehen Frauen, denen es an Selbstsicherheit mangelt, häufig den Fehler, entweder zu stark ihre Weiblichkeit zu betonen. Mit betont femininer Kleidung etwa. Was bei einer selbstbewussten Frau gut kommen kann – High Heels oder roter Lippenstift, das wirkt bei einer schüchternen Frau aufgesetzt. Da rate ich zur Vorsicht. Umgekehrt wirkt es auch unecht, wenn zurückhaltende Frauen ihre Scheu mit betont maskuliner Kleidung oder zackigem Gehabe überspielen. Aber natürlich spielen auch viele Männer eine Rolle, die nicht zu ihnen passt. BSZ: Aus welchen Bereichen kommen Aufsichtsräte in der Regel?
Pape: Aus der Wissenschaft, dem Consultingbereich oder der Politik. Ein guter Lebenslauf kann aber auch schon reichen – denken Sie an den Aufsichtsrat des FC Bayern: Da sitzen Sponsoren drin, Geschäftsleute, einfach interessante Menschen mit guten Kontakten, die gut sind im Netzwerken. BSZ: Was bringt es einem Unternehmen, wenn Aufsichtsräte weiblicher werden?
Pape: Gemischte Teams sind immer besser als männerdominierte. Das stelle ich auch in meinem eigenen Unternehmen fest – der Frauenanteil bei mir beträgt etwa 40 Prozent. Frauen haben in vielen Fällen ein besseres Gespür als Männer, zum Beispiel bei Personalentscheidungen. Aber auch bei rein strategischen Geschäftsentscheidungen finde ich Frauen oft besser, weil sie pragmatischer sind. Und sie tun sich leichter, zu einem Ergebnis zu kommen, während Männer zum Taktieren neigen. BSZ: Wenn das so ist – warum musste erst eine gesetzliche Quote kommen? Warum setzen die Konzerne nicht von selbst mehr Frauen in Chefsessel?
Pape: In einigen Branchen ist die Vernunft halt noch nicht so weit. Das ist auch eine Generationenfrage. Oft haben Sie in der Führungsetage überdurchschnittlich viele männliche Silver Ager. Das sind alte Seilschaften, die Herrschaften wollen gern unter sich bleiben, schmoren jahrelang im eigenen Saft. Da kommen beim Thema Frauenförderung auch Ängste hoch, die Herren fürchten, rausgedrängt zu werden aus dem Gremium, wenn plötzlich Frauen dazukommen. Ich finde ja, in die Aufsichtsräte gehören nicht nur mehr Frauen, sondern auch mehr junge Leute. Damit frischer Wind reinkommt. Und mehr Mut.

"Aufsichtsräte haben in der Regel kein Interesse dran, aufzufallen: Die wollen ihren Job ja behalten."

BSZ: Reicht es denn, wenn nur der Aufsichtsrat gemischter besetzt ist? Was ist mit den anderen Ebenen – Vorstand, Management?
Pape: Nur den Aufsichtsrat weiblicher zu machen, genügt nicht. Denn oft ist die Tätigkeit von Aufsichtsräten ja recht formalistisch – da sitzen zehn Leute und nicken Vorlagen ab. Dabei sollten die eigentlich auch kreativ sein, den Vorstand beraten und ihm neue Ideen vortragen. Das passiert aber in 90 Prozent der Fälle nicht. BSZ: Warum nicht?
Pape: Na ja, die Aufsichtsräte haben einen tollen Job: In großen Unternehmen beträgt die Vergütung schon mal 100 000 Euro im Jahr, bei vier oder fünf Arbeitssitzungen. Die Leute wollen ihren Posten behalten – und das gelingt eher nicht, wenn sie zu viel Wirbel verursachen. Die Kreativen gelten dann schnell als Querulanten und werden nicht wieder bestellt. BSZ: Wenn die Frauenförderung in Unternehmen vorankommen soll, müssen also noch mehr Quoten her?
Pape: Unbedingt. Im Aufsichtsrat werden die Frauen den Laden nicht aufmischen; die Quote dort wird die Unternehmenskultur nicht verändern. Ich halte es für viel wichtiger, unterhalb des Aufsichtsrats Frauenquoten einzuführen. Wir brauchen mehr Frauen in Schlüsselpositionen – dort, wo sie wirklich etwas entscheiden und bewegen können.
(Interview: Waltraud Taschner)

Kommentare (1)

  1. Roland am 08.12.2014
    Der Wirtschaft wird die Quote so wie so nicht
    interessieren.
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