Politik

Subventionsgeschachere in der EU: Ausbaden müssen es oft die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. (Foto: dpa/Zoonar, Andrii Yalanskyi)

05.12.2025

EU-Subventionsirrsinn: Wie Deutschland für die Abwanderung seiner Industriearbeitsplätze bezahlt

Deutsche Konzerne verlagern nicht zuletzt wegen höherer EU-Subventionen Unternehmen Produktionslinien ins Ausland. Letztlich finanzieren Arbeiterinnen und Arbeiter hierzulande über den Umweg Brüssel die Verlagerung ihrer Jobs ins osteuropäische Ausland. Denn Deutschland ist konstant der größte Nettozahler. In den vergangenen drei Jahren hat Berlin insgesamt 50 Milliarden Euro mehr in den EU-Haushalt eingezahlt als es erhielt

Es war ein Schock für die Angestellten des Münchner Lkw-Herstellers MAN: Rund 2300 Stellen sollen in den kommenden Jahren bundesweit abgebaut werden, der Großteil davon in Bayern. Der Konzern will wesentliche Teile der Lkw-Produktion nach Polen verlagern. MAN begründet den Jobabbau mit Standortnachteilen wie hohen Strom- und Lohnkosten.

Doch der IG-Metall zufolge sollen EU-Subventionen den Ausschlag für die Entscheidung gegeben haben. Wie hoch die Zuschüsse aus Brüssel für den Standort Krakau sind, kann die Gewerkschaft nicht beziffern. Sie erklärt aber: MAN bekomme auch in Deutschland Fördergelder, doch die Gelder für Polen seien höher.

Der Truckhersteller äußert sich nicht zur Höhe der Fördersumme. Für Horst Ott, Bezirksleiter der IG Metall Bayern, ist aber klar: „MAN greift in Deutschland Fördergelder für Forschung und Entwicklung ab und kassiert dann EU-Subventionen für Verlagerungen nach Polen.“

Fördergelder für Standortverlagerungen nach Osteuropa

Ein ärgerlicher Einzelfall? Zumindest die IG Metall glaubt das nicht. „Bei quasi jeder Verlagerung nach Osteuropa erhalten die Unternehmen EU-Fördermittel“, sagt ein Sprecher der Gewerkschaft. Natürlich ist so etwas mit entscheidend für Standortverlagerungen.

Auch das bayerische Wirtschaftsministerium kritisiert, dass es in der EU ein zu großes Fördergefälle zugunsten Polens und anderer osteuropäischer Staaten gebe. „Das begünstigt Standortverlagerungen wie bei MAN“, sagt eine Sprecherin. Und der Trend gewinnt offenbar an Fahrt. Industriebetriebe dächten zunehmend über Standortverlagerungen in Regionen mit besseren Förderbedingungen nach, so die Sprecherin.

In den vergangenen Jahren verlagerten unzählige Konzerne und Mittelständler zumindest Teile ihrer Produktion nach Ungarn, Polen und andere osteuropäische Staaten. So prosperiert etwa die polnische Region Lodz nicht zuletzt dank EU-Geld: Miele etwa will ab 2027 Waschmaschinen ausschließlich dort herstellen.

Menschen finanzieren die Verlagerung ihrer Jobs

Letztlich finanzieren Arbeiterinnen und Arbeiter hierzulande über den Umweg Brüssel die Verlagerung ihrer Jobs ins osteuropäische Ausland. Denn Deutschland ist konstant der größte Nettozahler. In den vergangenen drei Jahren hat Berlin insgesamt 50 Milliarden Euro mehr in den EU-Haushalt eingezahlt als es erhielt. Unterm Strich zahlte Deutschland im vergangenen Jahr fast drei Mal so viel wie Frankreich.

Polen wiederum hat seit seinem EU-Beitritt 2004 bis März 2024 rund 155 Milliarden Euro mehr aus dem EU-Haushalt erhalten, als es eingezahlt hat.

Es geht nicht fair zu

Dass sich das wirtschaftliche Niveau angleicht, sei von der EU gewünscht, erläutert Nils Witte vom Bundesinstitut für Bevölkerungsforschung. Doch immer öfter wird beklagt, dass es bei der Förderung Brüssels für tatsächlich oder angeblich strukturschwache Regionen nicht immer fair zugehe. Das liege auch am europäischen Beihilferecht, sagt eine Sprecherin des FW-geführten bayerischen Wirtschaftsministeriums. Oskar Lipp, Wirtschaftsexperte der AfD-Landtagsfraktion, nennt es nicht hinnehmbar, dass Unternehmen in Polen mehr EU-Gelder als in Deutschland erhalten: „Wir finanzieren damit unsere eigene Deindustrialisierung.“

Doch es geht längst nicht nur um Subventionen. Polen investiert kräftig in Bildung, Verteidigung und den Sozialstaat. Auch dank der Überweisungen aus Brüssel kann das Land dabei mit niedrigen Steuern bei Investoren punkten. Dass die EU nicht nur als Absatzmarkt Vorteile hat, bestreiten wenige. Auch deshalb waren deutsche Kanzler bei EU-Gipfeln bis auf Ex-Kanzler Gerhard Schröder stets mit dem Scheckbuch unterwegs.

Gerade laufen die Verhandlungen für den EU-Haushalt 2028 bis 2034. Geht es nach dem Willen Brüssels, soll Deutschland bald noch mehr zahlen.
(Tobias Lill)
 

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