Politik

24.10.2014

Fatale Weichenstellung

Ein Kommentar von Tobias Lill

1994 war der Jubel groß, als die etwas altbackene Deutsche Bundesbahn der Deutschen Bahn AG wich. Privatisierung war das Dogma des damaligen Jahrzehnts, und noch immer fordert mancher Marktschreier, der Staat solle sich aus möglichst vielen Bereichen des öffentlichen Lebens zurückziehen. Doch es gibt Bereiche der Wirtschaft, die zu wichtig sind, um sie allein dem freien Spiel der Kräfte zu überlassen. Das spüren die Bürger gerade wieder: 50 Stunden Streik der Lokführer bedeuteten vergangenes Wochenende 50 Stunden überfüllte Züge und Chaos an den Bahnhöfen. Wenn Lokführer die Arbeit niederlegen, geht der Schaden rasch in die Milliarden. Menschen kommen nicht zu ihrem Job und, wenn der Güterverkehr zu lange lahmgelegt wird, stehen in den Fabriken irgendwann die Bänder still. Denn ein Sechstel des deutschen Gütertransports wird über die Schiene abgewickelt. Eine Unterbrechung der straff organisierten Lieferkette gefährdet Arbeitsplätze. Dabei ist die aktuelle Auseinandersetzung absolut unnötig. Es geht nicht um legitime Forderungen der Lokführer, sondern um Machtphantasien von GDL-Boss Claus Weselsky. Der beansprucht auch das Verhandlungsmandat für das restliche Zugpersonal, das bislang durch die größere Konkurrenzgewerkschaft EVG vertreten wird. Kompromissvorschläge lässt Weselsky abprallen.

Die GDL sollte den Bogen nicht überspannen


Vor 1994 hätte es das nicht gegeben. Früher waren alle Lokführer Beamte ohne Streikrecht. Noch sind etwa 4000 von ihnen übrig; sie leisten derzeit den Notbetrieb. Wenn sie eines Tages in den Ruhestand gehen, dann heißt es bei Arbeitsniederlegungen wie beim Roulette „nichts geht mehr“. Und das nur, weil die Regierung Kohl wegen der Aussicht auf vermeintliche Börsengewinne Risiken der Privatisierung schlicht ausblendete.
Doch die GDL sollte den Bogen nicht überspannen. Sonst könnte sie das gleiche Schicksal ereilen wir die britische Lokführergewerkschaft. Einst hatte diese sogar dafür gesorgt, dass bei elektrifizierten Zügen noch der Heizer mitfuhr. Dann hat Maggie Thatcher deren Einfluss massiv beschränkt. Hierzulande droht der GDL durch das Tarifeinheitsgesetz ein schwerer Schlag. Dann hätte nur mehr die im Konzern stärkste Gewerkschaft, also die DGB-Gewerkschaften, ein Verhandlungsmandat. Noch kann Weselsky einlenken und die Weichen für einen Kompromiss mit EVG und Bahn stellen. Sonst verlieren am Ende alle.

Kommentare (1)

  1. Super Horsti am 24.10.2014
    Die Bahn ist Teil der Daseinsfürsorge. Die Lokführer als Träger derselben haben eine Schlüsselposition zur Aufrechterhaltung unseres Gemeinwesens inne. Deshalb ist ihnen jedes Streikrecht abzuerkennen. Lokführer die ihren Dienst für die Volksgemeinschaft vernachlässigen und das Staatswesen durch Streiken sabotieren sind hart zu bestrafen. Sichere Arbeitsplätze bedingen auch Opfer, welche zum Wohle der Allgemeinheit zu bringen sind!
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