Drei Jahre lang werden Hebammen bisher an Schulen und Universitätskliniken ausgebildet. Mehrere Modellstudiengänge für Hebammenkunde wurden zudem in der Vergangenheit eingerichtet, allerdings nicht im Freistaat. Jetzt hat das Bundesgesundheitsministerium angekündigt, bis 2020 das duale Studium für Hebammen einzuführen. So verlangt es eine EU-Richtlinie.
Der bayerische Hebammenverband begrüßt die Entwicklung ebenso wie die Fraktionen im Landtag. Die Akademisierung stärke den Hebammenberuf, so Hubert Aiwanger, der Fraktionsvorsitzende der Freien Wähler. Die SPD hält darüber hinaus die Förderung von geburtshilflichen Modellprojekten für sinnvoll. Während die CSU betont, dass das Ausmaß der Akademisierung noch offen sei, warnt die sozialpolitische Sprecherin der Grünen, Kerstin Celina, schon mal vor einer Teilakademisierung. Denn damit werde ein Zwei-Klassen-Hebammen-System geschaffen.
Sieben Hebammenschulen existieren derzeit in Bayern, eine weniger als noch vor einem Jahr. Gründe, die Ausbildung an die Hochschulen zu verlagern, gibt es viele: Zum einen sind die Anforderungen an den Beruf der Hebamme gestiegen. Denn Hebammen kümmern sich nicht nur ganz praktisch um Vorsorge, Nachsorge und Geburt. Sie sind in einer hochsensiblen Lebensphase auch Ansprechpartnerinnen in Sachen Frauen- und Kindergesundheit. Zudem ist das Studium bereits in fast allen Ländern Europas Pflicht. Und nicht zuletzt erhoffen sich Hebammen durch die Akademisierung eine Aufwertung ihres Berufs, die sich auch in der Bezahlung niederschlägt. Denn viel Geld verdienen die Geburtshelferinnen nicht: rund 2800 Euro beträgt das Einsteigsgehalt im öffentlichen Dienst.
Zu fragen bleibt, ob die Akademisierung hilft, das größte Problem zu lösen, das sich gerade in der Versorgung von Schwangeren auftut: den Mangel an Geburtshelferinnen. Auf einer Unterversorgungskarte, die der Hebammenverband ins Netz gestellt hat, können Frauen eintragen, wo Hebammen fehlen. Auch in Bayern wurden schon über 1500 Einträge gemacht. „Wir haben einen Mangel an Hebammen, flächendeckend, sowohl auf dem Land, als auch in der Stadt“, sagt Astrid Giesen vom bayerischen Hebammenverband.
Gesundheitsministerin Melanie Huml hält zwar dagegen, dass die Geburtshilfe in Bayern flächendeckend und auf hohem Niveau gesichert sei, räumt allerdings ein: „Seit letztem Jahr mussten mehrere Geburtshilfestationen ihren Betrieb aufgrund fehlender Hebammen zumindest vorübergehend einstellen.“ Weder der Hebammenbonus von 1000 Euro jährlich, den der Freistaat als Anreiz gewährt, noch das Förderprogramm Geburtshilfe im Umfang von jährlich 30 Millionen Euro konnten das verhindern.
Wie auch, wenn vor allem die Arbeitsbedingungen an den Kliniken die Hebammen abschrecken. Nach der Ausbildung, so Astrid Giesen, entscheide sich die Hälfte der Hebammen gegen die Arbeit im Kreißsaal. Auch die Münchner Hebamme Claudia Lowitz, 53, bezeichnet sich als „Kreißsaalflüchtling“.
„Viele Hebammen, die den Kreißsaal einer hochtechnisierten Klinik in der Ausbildung kennen lernen, sagen: So kann ich nicht arbeiten!“, so Lowitz. Nicht selten betreue in einer Klinik eine Hebamme vier Gebärende gleichzeitig, bestätigt Astrid Giesen.
90 Prozent der Hebammen haben bereits jetzt Abitur
Die Folge des schlechten Personalschlüssels: „Hebammen springen zwischen den Gebärenden hin und her. Und wenn eine Frau sich nicht sicher und geborgen fühlt, hat das auf jeden Fall Auswirkungen auf den Verlauf.“
Die Arbeitsbedingungen schlagen sich in der Berufszufriedenheit der Hebammen nieder. Kein Wunder, dass sich viele als Selbstständige in der Vor- und Nachsorge tummeln und die Kliniken Schwierigkeiten haben, Personal zu finden – und zu halten.
Der Bedarf an Hebammen ist enorm, nicht nur, weil wieder mehr Kinder geboren werden. Auch die Zahl der Hausbetreuungen hat sich verdoppelt. Und: Früher kamen die Hebammen nur für zehn Tage nach den Geburten in die Familien. Heute versorgen sie Frauen, die entbunden haben, bis zu zwölf Wochen lang.
Die Möglichkeit, als Hebamme den Bachelor zu machen, könnte jedenfalls mehr junge Menschen in den Beruf locken. Über eine Hochschulreife verfügen laut Giesen ohnehin 90 Prozent der Hebammen. Einige bayerische Hochschulen haben schon Interesse bekundet, Modellstudiengänge einzurichten.
Und bereits ausgebildeten Hebammen eröffnen sich so womöglich neue Karrierewege. Claudia Lowitz, deren eigene Ausbildung bereits 30 Jahre zurückliegt, überlegt jedenfalls, ein Studium anzuhängen. Auch ihre Tochter, gerade Studentin der Politologie, erwägt, sich zur Hebamme ausbilden zu lassen – sobald dies an einer bayerischen Hochschule möglich ist.
Vielleicht entschließen sich nach der Aufwertung des Berufs auch ein paar Männer zur Ausbildung. Einer lernt bereits an einer bayerischen Hebammenschule, eine Handvoll gibt es in der ganzen Republik.
Eines ist jedoch gewiss: Nur eine Verbesserung des Betreuungsschlüssels könnte die angespannte Situation in den Kreißsälen ändern. Eins zu eins solle die Betreuung sein, fordert der Deutsche Hebammenverband. Astrid Giesen wäre bereits zufrieden, wenn eine Hebamme nur noch zwei Frauen gleichzeitig zu versorgen hätte. Aber bis dahin ist es noch ein langer Weg. (Monika Goetsch)
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