Politik

Thorsten Glauber ist jetzt Minister und sagt: „So richtig bewusst ist es mir noch nicht.“ (Foto: dpa)

23.11.2018

"Ich bin eine Allzweckwaffe"

Umweltminister Thorsten Glauber (FW) über seine Befähigung fürs neue Amt, warum er auf Freiwilligkeit setzt und die 10H-Regelung plötzlich gut findet

Bau, Verkehr und Landesplanung waren bislang seine Themen, jetzt ist der 48-jährige Architekt Thorsten Glauber als Minister für Umwelt und Verbraucherschutz zuständig. Neue Stromtrassen nach Bayern will er nicht. Ob er das durchsetzen kann? Auch gegen die 10H-Regelung bei der Windkraft haben die Freien Wähler lange gekämpft. Und doch steht sie im Koalitionsvertrag.

BSZ Herr Glauber, vom Oppositionspolitiker zum Minister in drei Wochen – sind Sie schon im neuen Amt angekommen?
Thorsten Glauber Ich arbeite mich gerade ein. Aber so richtig bewusst ist es mir noch nicht. Ich habe im Juni mit dem Wahlkampf begonnen und stehe seitdem fast ununterbrochen unter Volldampf. Nach dem Wahlabend ist es gleich mit den Koalitionsverhandlungen weitergegangen. Und dann kommt die wunderbare Nachricht, dass man ein Ministeramt bekleiden darf. Diesen Moment bewusst zu spüren, ist nach Monaten fast immer am Anschlag gar nicht so einfach. Ich habe dafür ein paar Spaziergänge an der Isar und ein bisschen Radfahren zu Hause gebraucht.

BSZ Sie waren bei den Freien Wählern für Bau, Verkehr und Landesplanung zuständig. Wie wird man mit dieser Vorbildung Umweltminister?
Glauber Das war ja nicht alles. Ich war unter anderem Fraktionsvize, Mitglied in der Landesstiftung, im Landesdenkmalrat, in der Energiekommission, im Landessportbeirat – zu mir hat man mal gesagt, ich wäre so etwas wie eine Allzweckwaffe. Egal ob in der Landes- oder Kommunalpolitik, man muss überall fachübergreifend denken können. Nachhaltigkeit ist ein Querschnittsthema. Und den Bereich Wasserbau, der zu meiner neuen Zuständigkeit gehört, kenne ich sogar schon aus dem Architekturstudium.

BSZ Also sind Sie schon drin in den Themen?
Glauber Das nach einer Woche zu behaupten, wäre völlig überheblich.

BSZ Versuchen wir es trotzdem. Bayern erlebt einen dramatischen Artenschwund. Was ist zu tun?
Glauber Artenschutz ist eines der wichtigsten Themen unserer Zeit. Dazu haben wir im Koalitionsvertrag mit einer stärkeren Betonung von Ökologie und Nachhaltigkeit die Grundlagen gelegt. Aus meiner Sicht müssen wir mit der Stärkung des Umweltbewusstseins schon bei den ganz Kleinen anfangen. Sie sind offen für das Thema, lassen sich dafür begeistern. Diesen wachen Geist für den Umweltschutz müssen wir fördern. Da will ich als Minister vorangehen.

BSZ
Ein Hauptgrund für die schwindende biologische Vielfalt ist die intensive Landwirtschaft. Reichen freiwillige Maßnahmen zur Reduzierung des Einsatzes von Düngemitteln und Pestiziden?
Glauber Freiwilligkeit ist grundsätzlich wichtig. Wir haben das im Koalitionsvertrag mit dem Motto „leben und leben lassen“ formuliert. Dort wo Freiwilligkeit nicht die gewünschten Ergebnisse bringt, muss Politik dann aber auch nachsteuern. Ich sehe in der Landwirtschaft eine hohe Bereitschaft für mehr Nachhaltigkeit. Mit Verbotspolitik kommt man da nicht weiter. Umwelt- und Naturschutz funktionieren nur mit den Menschen. Das wollen wir unterstützen. Deshalb ist mir besonders wichtig, dass für eine naturnahe Bewirtschaftung landwirtschaftlicher Flächen die Mittel für den Vertragsnaturschutz noch einmal aufgestockt wurden.

„Anreize über Föderprogramme und Innovationen
helfen uns deutlich mehr als Verbote“

BSZ Hilft man den Landwirten nicht mit klaren Vorgaben, um sich gegen die Übermacht der Agrarkonzerne zu wehren, die Dünger und Pflanzenschutz vielleicht auch über das erforderliche Maß hinaus verkaufen wollen?
Glauber Das mag sein. Aber man muss hier die technische Entwicklung im Blick haben, zum Beispiel das vollautomatische, GPS-gesteuerte Ausbringen von Dünge- und Pflanzenschutzmitteln. Ich glaube, solche Innovationen helfen uns deutlich mehr als Verbote.

BSZ Wie stehen Sie zu einem weiteren Nationalpark in Bayern?
Glauber Im Koalitionsvertrag steht klar: Es gibt keinen dritten Nationalpark. Das heißt aber nicht, dass wir untätig bleiben. Im Gegenteil: Wir wollen den Naturschutz in die Fläche bringen. Mich freut es, dass wir die vielen Naturparke in Bayern stärken. Sie sollen über den touristischen Aspekt hinaus auch ökologisch zu Vorbildern für den Artenschutz werden. Wir setzen dabei auf finanzielle Anreize über Förderprogramme.

BSZ Muss man dafür nicht auch die bisher geringen Schutzstandards in den Naturparks erhöhen?
Glauber Auch hier halte ich nichts von strikten Vorgaben des Staates. Ich will lieber die Regionen vor Ort als Partner gewinnen. Das ist nicht immer der einfachere Weg, aber aus meiner Sicht für eine von allen mitgetragene wirksame Verbesserung der ökologischen Qualität der einzig zielführende.

BSZ Sie setzen auf eine regionale Energiewende. Lässt sich der Strombedarf für das Industrieland Bayern aus eigener Kraft decken?
Glauber Wir machen Bayern zu einem Wirtschaftsstandort aus erneuerbaren Energien. Wir wollen vor Ort bei dem Thema vorankommen. Über den Südlink würden wir Offshore-Windstrom über Hunderte von Kilometern aus der Nordsee nach Bayern bringen.

BSZ Aber diese Trassen wollen die Freien Wähler doch nicht!
Glauber Wir müssen generell darüber reden, wie die Energie erzeugt und transportiert wird. Ich bin der festen Überzeugung, dass Bayern über dezentrale erneuerbare Energien versorgt werden kann. Das war auch unser fester Vorsatz nach Fukushima. Über den Koalitionsvertrag wollen wir da wieder mehr Fahrt reinbringen.

BSZ Aber nochmal: Im Wahlkampf haben sich die Freien Wähler ganz klar als Gegner der neuen Strom-trassen positioniert.
Glauber Die Freien Wähler haben sich dazu entschieden, dass wir keine neuen Stromtrassen nach Bayern wollen.

BSZ
Und wie wollen Sie das durchsetzen?
Glauber Noch ist das alles in der Planung, da bleibt uns noch etwas Zeit. Die Versorgungssicherheit muss ja auch ohne die neuen Stromtrassen gewährleistet sein. Denn sie werden mit dem Abschalten des letzten Atomkraftwerks in Bayern 2022 noch gar nicht fertig sein. Da stellt sich die Frage, ob wir das Geld nicht lieber in andere Technologien investieren. Das gilt vor allem für die Südost-Passage, über die ja erst einmal auch Kohlestrom aus Ostdeutschland kommen wird. Wäre es nicht besser, die in Deutschland vorhandenen Gasspeicher und das Gasnetz zu nutzen, um Windstrom über das Power-to-Gas-Verfahren in einen speicherbaren und im Bedarfsfall stets verfügbaren Energieträger umzuwandeln? Das ist für mich die klügere Varian-te.

BSZ Mit der Forderung nach einer Abkehr von der 10H-Regelung bei der Windkraft haben sich die Freien Wähler auch nicht durchsetzen können.
Glauber
Die 10H-Regelung bleibt. Wir müssen die Bürger ins Boot holen und deshalb die Gemeinden in Kooperation von Wirtschafts- und Umweltministerium viel intensiver beraten, wie sie über das Baurecht trotzdem zu Genehmigungen für Windkraftanlagen kommen. Damit lässt sich auch aus der 10H-Regelung mehr für die Windkraft in Bayern herausholen. Wir brauchen funktionierende Beispiele, die als Vorbild wirken.

BSZ Neuen Streit gibt es um die Notwendigkeit von Flutpoldern für den Hochwasserschutz an der Donau. Dass über den Koalitionsvertrag drei Polder gestrichen werden sollen, führt in Niederbayern zu Protesten. Wie geht es da weiter?
Glauber Im Geschäftsbereich des Umweltministeriums werden dazu gerade fachliche Gutachten zum Bedarf und zur Grundwasserthematik erarbeitet. Oberste Priorität hat der Grundschutz vor einem hundertjährlichen Hochwasser. Im Koalitionsvertrag steht in der Tat der Verzicht auf drei Polder, damit muss ich als Umweltminister umgehen. Der Koalitionsvertrag ist die Basis unserer Arbeit.

BSZ
Aber der Verzicht auf die Polder steht doch auf Druck der Freien Wähler drin!
Glauber Wir haben vereinbart, über den Ablauf der Koalitionsgespräche nichts an die Öffentlichkeit zu geben. Daran will ich mich halten.

BSZ Zu Ihrem Beritt gehören Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit. Ist Ihnen bewusst, dass da jeden Tag irgendwo in Bayern eine Bombe hochgehen und der Ministersessel zum Schleudersitz werden kann?
Glauber Das ist mir schon bewusst. Dieser freundliche Hinweis hat auch in fast keinem Glückwunschschreiben zu meinem Amtsantritt gefehlt. Ich bin aber der Überzeugung, dass wir inzwischen ein sehr ausgefeiltes Kontrollsystem haben. Immerhin gab es gerade eine große Reform der Lebensmittelüberwachung. Ich gehe das Thema mutig an und baue auf die in den vergangenen Jahren erfolgten Verbesserungen.

BSZ Haben Sie sich für alle Fälle schon einmal mit Verfahren des Krisenmanagements auseinandergesetzt?
Glauber Sie werden lachen – genau dieses Thema aber habe ich bei der letzten Abteilungsleiterbesprechung im Umweltministerium angesprochen.
(Interview Jürgen Umlauft)

Kommentare (1)

  1. Alf am 25.11.2018
    ... wenn der Glauber eine Allzweckwaffe ist, dann bin ich Albert Einstein.
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