Politik

Die Bundesregierung hat das Gesetz zur schnelleren Einbürgerung gekippt. Nun gelten wieder fünf Jahre. (Foto: dpa/F. Gutierrez-Juarez)

17.10.2025

Turbo-Einbürgerungen: In Bayern nur auf dem Papier

Von der Möglichkeit der Turboeinbürgerung wurde in Bayern wohl nur in rund 80 Fällen Gebrauch gemacht. Nun wurde sie abgeschafft. Das ändert aber nichts an insgesamt hohen Einbürgerungszahlen. Bis Ende August 2025 sind laut Innenministerium neuerlich knapp 41.600 Personen eingebürgert worden. Zum Vergleich: Im gesamten Jahr 2014 gab es nur 13.200 Einbürgerungen in Bayern

Innerhalb von zehn Jahren ist die Zahl der Einbürgerungen in Deutschland um mehr als 100 Prozent gestiegen. Nicht ganz 110.000 Einbürgerungen gab es 2014 bundesweit. Letztes Jahr waren es deutlich mehr als 290.000. Über 54.000 Menschen wurden in Bayern eingebürgert. Ein sehr geringer Teil davon via „Turboeinbürgerung“.

Seit Juni 2024 war es möglich, bereits nach dreijährigem Aufenthalt den deutschen Pass zu bekommen. Die neue Bundesregierung hat das Gesetz nun gekippt. Nun gelten wieder fünf Jahre.

Der im Koalitionsvertrag angekündigte Schritt ließ Befürworter und Gegner einer schnellen Einbürgerung neuerlich die Degen kreuzen. Dabei ist die Rückabwicklung des Gesetzes von gar nicht so großer Bedeutung, sagt Jan Schneider, Leiter des Forschungsbereichs des Sachverständigenrats für Integration und Migration, der Staatszeitung. Die Option Turboeinbürgerung habe nur für eine kleine Gruppe von Ausländerinnen und Ausländern bestanden: für solche, die nach kurzer Zeit „außergewöhnliche Integrationsleistungen“ vorweisen konnten. „Eine solche Fast Lane ist ein schönes Symbol zur Anerkennung besonderer Engagement-Leistungen“, beschreibt Jan Schneider die positive Seite einer Turboeinbürgerung.

Doch es existierten auch Gegenargumente: Der Turbo kollidiert mit den durch die EU vorgegebenen Mindestaufenthaltszeiten und den im Aufenthaltsgesetz normierten Fristen für eine Niederlassungserlaubnis. Die lägen, sagt Schneider, regulär bei fünf Jahren. Für Fachkräfte gelten drei Jahre. Die Fünfjahresfrist wertet Schneider als „guten Standard liberaler Einwanderungsländer“.

Einige Staaten sind gerade dabei, die Fristen zu verlängern, darunter Schweden und Portugal.

Auch andere Länder verlängern die Fristen

Ein Einbürgerungsmotor war der Turbo laut Schneider nicht: Er geht davon aus, dass in den ersten 15 Monaten seit Inkrafttreten bundesweit maximal tausend Menschen per Turbo eingebürgert wurden. In Bayern seien es bis April 2025 nur 78 gewesen. Möglicherweise seien jedoch noch einige Anträge unbearbeitet. „Der Rückstau in den Behörden ist derzeit fast überall enorm, Wartezeiten von ein bis zwei Jahren sind keine Seltenheit“, sagt Schneider. Wer im ersten Halbjahr 2025 einen Antrag auf Turboeinbürgerung gestellt hat, werde möglicherweise für bis zu zwei Jahre vertröstet: „Und muss dann sogar neue Unterlagen einreichen.“

In den Behörden braucht es Fachkräfte, die auf dem Gebiet des Staatsangehörigkeitsrechts sehr gut Bescheid wissen. Weil die teilweise fehlen, sind die Wartezeiten inzwischen laut Schneider „abstrus lang“. Einige Ämter riegelten sich aufgrund des immensen Arbeitsdrucks praktisch ab: „Sie nehmen vorübergehend keine Anträge entgegen und sind weder telefonisch noch per Mail erreichbar.“ Das hat zu Klageverfahren vor den Verwaltungsgerichten geführt.

Ein Großteil der Bevölkerung, nämlich fast zwei Drittel, lehnt eine schnellere Einbürgerung gerade von Flüchtlingen ab. Das ergab eine im November 2022 durch die Universität Hamburg und das Leibniz-Institut für Globale und Regionale Studien durchgeführte Befragung. Bayerns Staatsregierung war ohnehin immer gegen eine raschere Einbürgerung.

Auch in Bayern gibt es, bezogen auf den Antragsboom, zu wenige Beschäftigte in den Staatsangehörigkeitsbehörden. Das Innenministerium bestätigt ein hohes Antragsaufkommen. Die Situation ist regional sehr unterschiedlich. Die Bearbeitung kann aktuell über ein Jahr dauern. Bis Ende August 2025 sind laut Innenministerium neuerlich knapp 41.600 Personen eingebürgert worden. Zum Vergleich: Im gesamten Jahr 2014 gab es nur 13.200 Einbürgerungen in Bayern. Das Innenministerium bestätigt, dass bis Ende April 2025 in Bayern lediglich um die 80 Personen per Turbo eingebürgert wurden.

Letztlich ist es ein gar nicht so einfacher Weg bis zum Empfang des deutschen Passes. Zu den Voraussetzungen für eine Einbürgerung zählen laut Innenministerium unter anderem ausreichende Deutschkenntnisse, die Sicherung des Lebensunterhalts und „grundsätzlich keine Verurteilung wegen einer Straftat“. Die Aufenthaltsdauer ist also nur eines von vielen Kriterien. Werden alle Kriterien erfüllt und erhält man den deutschen Pass, hat man alle Rechte eines deutschen Staatsbürgers beziehungsweise einer deutschen Staatsbürgerin.

Obergrenze abgelehnt

Die Idee einer Obergrenze für Einbürgerungen, wie die AfD es fordert, lehnt die Staatsregierung ab. Stattdessen sollten die Voraussetzungen für eine Einbürgerung wieder strenger gefasst werden.

Wie viele Antragsteller daran scheitern, dass sie die Kriterien nicht erfüllen, ist nicht bekannt. Die Ablehnungsquote von Einbürgerungsanträgen werde nicht erfasst.

Laut Bundesregierung wurden die Rechtsvorschriften zur Einbürgerung dahingehend geändert, dass „Integration“ wieder zum Schlüssel wird. „Einbürgerung setzt eine dauerhaft gewachsene Bindung an Deutschland voraus“, heißt es vonseiten der Bundesregierung. Dies müsse sowohl sprachlich als auch sozial, wirtschaftlich und kulturell nachgewiesen werden: „Der Erwerb der Staatsangehörigkeit soll Ausdruck nachhaltiger Integration sein.“ Das erneuerte Gesetz zur Einbürgerung soll Integration ermöglichen, sie aber auch „einfordern“. (Pat Christ)
 

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