Politik

Früher passte zwischen Bayerns Junge Union und Markus Söder kein Blatt Papier. Heute muss sich Söder auch Kritik anhören. (Foto: dpa/Karl-Josef Hildenbrand)

28.08.2019

Ist die JU zu konservativ für Söders Politik?

Als JU-Chef widmete sich Markus Söder der Generationengerechtigkeit. Als Parteichef liegt sein Fokus auf der Klimapolitik, Digitalisierung und Forschung. Die eigene Parteijugend sieht das durchaus kritisch

Am 5. November 2017 passte zwischen Bayerns Junge Union und Markus Söder kein Blatt Papier. Als der Franke - damals noch Finanzminister - die JU-Landesversammlung in Erlangen verließ, kam es zu einer Szene, die rückblickend eine besondere Bedeutung für Söders Karriere hatte: Im Foyer wurde er von mehr als 50-JUlern erwartet, die ihn auf Schildern kurzerhand zum Ministerpräsidenten kürten. Und nicht nur das. Auch als Parteichef wünschte sich der CSU-Nachwuchs ihn: "Söder - unsere neue Nummer 1".

Seit der berühmten Szenerie, die es leicht abgewandelt sogar in das Singspiel auf dem Nockherberg schaffte, ist viel passiert. Schrittweise hat Söder von Horst Seehofer beide Ämter übernommen - seit März 2018 ist der Ex-JU-Chef Ministerpräsident, seit Januar Parteichef. Wer jedoch glaubt, das Verhältnis von Söder und der JU sei seither nur eitel Sonnenschein, der irrt. Denn zuletzt schreckte die JU auch vor Kritik an Söders Politik nicht zurück - etwa als dieser vor Wochen ankündigte, dass Investitionen in Forschung und Digitalisierung wichtiger seien als der Abbau von Staatsschulden.

Insbesondere der designierte JU-Landeschef Christian Doleschal fand klare Worte: Schulden und Tilgungslasten "verspielen die Zukunftschancen der jungen Generation". Daher komme für die JU Bayern eine Aufweichung des Ziels eines schuldenfreien Bayern bis 2030 nicht infrage. Söder dürfe "nicht dem Gift der billigen Kredite erliegen" wie er der Staatszeitung im Interview sagte.

Doleschal, seit Mai für die CSU im Europaparlament, soll am Freitag bei der JU-Versammlung im oberpfälzischen Freystadt zum Nachfolger von Hans Reichhart an die JU-Spitze gewählt werden. Reichhart - seit November Verkehrsminister im Kabinett Söder - hatte das Amt seit 2013 inne, ist mit 37 Jahren aber nun zu alt.

Je näher die Wahl rückt, desto mehr ist er nun bemüht, die Verbundenheit mit Söder zu betonen und lobt zugleich dessen neuen Klimaschutzkurs: Es sei gut, dass Söder keine neuen Schulden aufnehmen wolle, sagt Doleschal am Mittwoch in München. Dass dies seit Jahren in Bayern schon wegen sprudelnder Steuereinnahmen nicht zur Debatte steht, erwähnt er nicht. Die offene Kritik wandelt er kurzerhand in eine Wächterfunktion für die Staatsregierung um, immerhin sei die JU ein "unabhängiger Kopf", der die Interessen der jungen Generation vertrete: "Wir werden genau darauf achten, wohin das Geld fließt."

Doleschals Kritik ist nicht ganz treffend

Doleschals Kritik ist zudem ohnehin - wenn man die Zahlen betrachtet - nicht ganz treffend. Denn vom Schuldenabbau bis 2030 ist der Freistaat schon jetzt unerreichbar weit weg. Daraus macht Söder auch keinen Hehl: Zwar tilge Bayern weiter Schulden, "aber die Änderungen des Länderfinanzausgleichs bringen leider weniger Entlastung als gedacht", sagte Söder jüngst im Interview der "Nürnberger Zeitung". Da über die Schuldentilgung keine Zinsen zu sparen seien, setze die Regierung "lieber auf eine Dividende durch Forschung und Innovation. Ob bis 2030 alle Schulden abgebaut sind, ist nicht so entscheidend. Relevant ist aber, wer 2030 Technologieführer ist."

Auf Doleschals Kritik hat Söder bislang nicht öffentlich reagiert. Und es ist davon auszugehen, dass er dies auch in seiner Rede am Freitagabend nicht tun wird. Aus seinem Umfeld war und ist aber zu hören, dass es ihm Sorge bereite, wie die JU sich entwickle. Auch von anderen führenden CSU-Mitgliedern ist zu hören, dass die JU in den vergangenen Jahren viel von ihrer einstigen Innovationskraft verloren habe. Diese Kritik wird nicht nur an der Schuldenabbaufrage fest gemacht, sondern auch an Äußerungen von JU-Deutschland-Chef Tilman Kuban zur Wiedereinführung der Wehrpflicht und der Atomkraft.

Wer sich in der JU umhört, findet dort derzeit weiter mehrheitlich Unterstützer von Söders Politik - auch wenn der jüngst vollzogene Kurswechsel zu grünen Inhalten wie Arten- und Klimaschutz bei den Konservativen in der Parteijugend keine Jubelstürme auslöst. Es wird spannend, wie der Parteinachwuchs jetzt auf Söders Rede reagiert, auch in Freystadt dürfte er auf die Klimapolitik eingehen.

Dabei ist sich Söder sehr wohl bewusst, dass die CSU unter seiner Führung zuletzt einige Kursänderungen vollzogen hat, die nicht selbstverständlich sind: "Ich muss meiner Partei ein Kompliment machen. Ob Artenschutz oder Klimaschutz - gerade die Landtagsfraktion geht mutig voran und zeigt, dass sie damit tief in der Bevölkerung verankert ist", sagte Söder kürzlich der Deutschen Presse-Agentur. Ein Ziel Söders ist es, damit wieder der jungen Generation und damit den Erstwählern eine Tür zu öffnen. Denn hier hatte die CSU bei den vergangenen Wahlen gegenüber den Grünen zu oft das Nachsehen.

"Natürlich ist das auch eine Führungsaufgabe, die CSU auf die Zukunft vorzubereiten. Wer mir zuhört, der weiß schon länger, in welche Richtung wir jetzt gehen müssen", betonte Söder. Dass derzeit viele Entscheidungen in kurzer Zeit zu treffen seien, liege auch an der jüngeren Vergangenheit der CSU: "Es gehört zur Wahrheit, dass wir in den vergangenen Jahren nicht mehr jeden Trend rechtzeitig gespürt haben, weil wir uns zu viel mit uns selbst beschäftigt haben."

Wer Söder zuhört, hört derzeit auch zwei andere Sätze häufiger, die als Warnung an jene Konservative in den eigenen Reihen zu verstehen sind: "Wer möchte, dass alles so bleibt, wie es ist, der muss etwas verändern. Wer nichts ändert, wird sehen, dass nichts so bleibt wie es ist." Ob die JU ihm dafür wieder Jubelschilder entgegenstreckt? (Marco Hadem und Christoph Trost, dpa)

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