Politik

02.06.2021

Ist eine Öffnungsstrategie unabhängig von Inzidenzzahlen sinnvoll?

"Ein Regelungschaos" beklagt der FDP-Gesundheitspolitiker Dominik Spitzer. Entstanden dadurch, dass bei Öffnungen noch immer Inzidenzwerte maßgeblich sind. Gesundheitsminister Klaus Holetschek (CSU) widerspricht: Die Inzidenzzahlen seien ein guter Leitwert. "Sie sind so etwas wie unsere Augen im Kampf gegen das Virus."

JA

Dominik Spitzer, gesundheitspolitischer Sprecher der Landtags-FDP

Als FDP-Fraktion machen wir uns schon seit über einem Dreivierteljahr für eine transparente und inzidenz-unabhängige Öffnungsstrategie stark. Ein einzelner Indikator reicht bei Weitem nicht aus, um die Komplexität des Infektionsgeschehens sowie die tatsächliche Belastung unseres Gesundheitssystems abzubilden. Bei der Einschätzung der epidemiologischen Lage müssen weitere Faktoren wie die Auslastung der Intensivstationen, ein exponentieller Anstieg der Infektionszahlen, die Reproduktionsrate sowie die Impfquote miteinbezogen werden.

Die isolierte Betrachtung und Interpretation des Inzidenzwerts gibt zudem von Tag zu Tag ein immer schieferes Lagebild wieder. Denn durch den wachsenden Impffortschritt werden schwere Krankheitsverläufe zunehmend verhindert und die Risiken einer Infektionsübertragung reduziert. Auch die Zahlen der Neuinfektionen und Todesfälle sinken.

Die Menschen in Bayern haben maßgeblich zur Infektionseindämmung beigetragen. Sie haben viele psychische, soziale oder auch wirtschaftliche Belastungen hingenommen. Da es ein Gebot des Rechtsstaats ist, die Freiheit des Einzelnen zu schützen, muss der Freistaat jetzt die Menschen so schnell und einfach wie möglich von allen unverhältnismäßigen Verboten und Auflagen befreien.

Die „Mutter aller Zahlen“, wie Ministerpräsident Markus Söder den Inzidenzwert nennt, darf nicht länger alleiniger Maßstab sein. Söders starres Festhalten hat zu einem undurchsichtigen Regelungswirrwarr sowie zu zum Teil gravierenden Wettbewerbsverzerrungen geführt. Planungssicherheit und Perspektive sind das Gebot der Stunde.

Wir sollten schnell wieder mehr öffentliches Leben zulassen. Ob Tourismus, Sport, Handel oder Kultur: Alle Branchen haben Hygiene- und Abstandskonzepte entwickelt und wissenschaftlich erprobt, indoor wie outdoor. Für alle Menschen können, je nach Bereich mit oder ohne Test, Öffnungen vollkommen inzidenzunabhängig erfolgen. Das Regelungschaos muss endlich ein Ende haben.


NEIN

Klaus Holetschek (CSU), bayerischer Gesundheitsminister

Jede Strategie braucht ein solides Fundament aus Fakten. In der Corona-Pandemie liefert uns der Inzidenzwert diese Fakten. Die Inzidenzzahlen sind sozusagen so etwas wie unsere Augen im Kampf gegen einen unsichtbaren Feind – das Virus. Sie machen wissenschaftlich greifbar, wo, wann und wie stark sich das Coronavirus ausbreitet. Deswegen sind die Inzidenzwerte ein zentrales Analyseinstrument, um über die notwendigen Schutzmaßnahmen und mögliche Öffnungen zu entscheiden.

Der Inzidenzwert ist dabei mehr als nur eine Zahl. Er ist vielseitig einsetzbar: als Benchmark im Bundesvergleich sowie auf regionaler und internationaler Ebene, zur Bewertung der regionalen und lokalen Entwicklung, zur Identifikation von Hotspots mit akutem Handlungsbedarf. Die Sieben-Tage-Inzidenz hat sich als guter Leitwert erwiesen, betrachtet einen etwas längeren Zeitraum und mittelt tagesaktuelle Schwankungen. Deswegen ist er auch für bestimmte Maßnahmen vom Bund gesetzlich verankert worden. Die Fallzahlen eines einzelnen Tages fallen nicht zu stark ins Gewicht. Bei einer höheren Testquote ist zudem die Dunkelziffer kleiner und damit liegt die Fallzahl näher am tatsächlichen Wert.

Es ist aber nicht so, dass die Inzidenz unser einziger Richtwert ist. Fast jeden Morgen haben wir im Ministerium eine Lagebesprechung. Dort schauen wir uns viele wichtige Kennzahlen an – der Inzidenzwert ist nur eine davon. Der R-Wert gehört dazu, die Ausbreitung der gefährlichen Virusvarianten, die regionale Situation, der Impffortschritt und natürlich auch die Auslastung der Krankenhäuser. Dies alles zusammen ist die Basis unserer täglichen Lagebewertung.

Die Pandemie hat uns gezeigt, dass sich die Situation sehr schnell entwickeln und auch ändern kann. Das Virus kann sich sehr schnell ausbreiten, wenn man ihm Raum gibt. Deswegen müssen wir jeden Öffnungsschritt mit Bedacht und Umsicht gehen. All die genannten Parameter fließen in unsere Entscheidungen ein, der Inzidenzwert spielt dabei eine ganz zentrale Rolle.

Kommentare (0)

Es sind noch keine Kommentare vorhanden!
Die Frage der Woche
Vergabeplattform
Vergabeplattform

Staatsanzeiger eServices
die Vergabeplattform für öffentliche
Ausschreibungen und Aufträge Ausschreiber Bewerber

Jahresbeilage 2023

Nächster Erscheinungstermin:
29. November 2024

Weitere Infos unter Tel. 089 / 29 01 42 54 /56
oder
per Mail an anzeigen@bsz.de

Download der aktuellen Ausgabe vom 24.11.2023 (PDF, 19 MB)

E-Paper
Unser Bayern

Die kunst- und kulturhistorische Beilage der Bayerischen Staatszeitung

Abo Anmeldung

Benutzername

Kennwort

Bei Problemen: Tel. 089 – 290142-59 und -69 oder vertrieb@bsz.de.

Abo Anmeldung

Benutzername

Kennwort

Bei Problemen: Tel. 089 – 290142-59 und -69 oder vertrieb@bsz.de.