Diese Zusammenarbeit einer Uni mit der Wirtschaft hat eine völlig neue Dimension: Lidl-Gründer Dieter Schwarz stiftet der Technischen Universität München (TUM) gleich 20 neue Professuren auf Lebenszeit. 13 davon werden auf dem neuen TUM-Campus im baden-württembergischen Heilbronn, dem Geburtsort von Dieter Schwarz, angesiedelt sein. Nicht nur Isabell Zacharias, hochschulpolitische Sprecherin der Landtags-SPD, sorgt sich da um die im Grundgesetz geschützte Freiheit von Forschung und Lehre. Sie sagt der Staatszeitung: „Wer mir hier weismachen will, dass keine Einflussnahme geschieht, der glaubt auch an den Osterhasen.“
TUM-Präsident Wolfgang A. Herrmann wehrt sich: „Weder die Ausrichtung noch die Berufungen und Lehrinhalte werden durch die Stiftung im Geringsten beeinflusst.“ Das Problem: Kritiker beschwichtigen solche Beteuerungen nicht. Und daran sind auch Bayerns Unis selbst schuld. Stiftungsprofessuren und auch Drittmittelprojekte werden allzu oft zur Geheimsache erklärt. Transparenz? Fehlanzeige. Der Vertrag zwischen TUM und Dieter- Schwarz-Stiftung ist unter Verschluss – ebenso die Stiftungssumme.
Immerhin: Die TUM nennt bei ihren über 40 Stiftungslehrstühlen, die sie seit 1999 eingerichtet hat, den Stifter. Nicht einmal das müssen die Unis in Bayern, wie im vergangenen Jahr eine Anfrage der Landtagsabgeordneten Verena Osgyan (Grüne) offenbarte. Manche Stifterverträge enthalten entsprechende Geheimhaltungspflichten.
Unnötige Geheimniskrämerei
Wer zum Beispiel 2003 der LMU München die Professur für Tibetologie und Buddhismuskunde spendiert hat, wird nicht verraten. Kein Einzelfall. Bei etwa zehn Prozent der rund 140 – in der Regel steuerbegünstigten – Stiftungsprofessuren in Bayern bleibt der Geldgeber geheim. Vorwürfen von Lobbyismus-Einfluss an Unis kommt man mit solchem Gebaren kaum bei.
Dennoch, ändern wird sich daran erst mal nichts. Der Antrag von Osgyan, in Bayern ein Transparenzregister einzurichten, das Geldgeber, Vertragsinhalte und Forschungsgegenstand nennt, wurde von der CSU-Mehrheit im Landtag abgelehnt. In anderen Bundesländern wie Bremen gibt es das längst. Im Sommer soll es eine Expertenanhörung im Landtag zur Transparenz bei der Drittmitteleinwerbung geben – gegen den Willen der CSU. Die Hochschulen seien selbst die besten Wächter ihrer Forschungsfreiheit, glaubt CSU-Mann Oliver Jörg. Er verweist auf hochschulinterne Regeln wie den TUM- Code of Conduct, der im Internet einsehbar ist.
Neue Ministerin Marion Kiechle sieht keinen Anlass zur Sorge
Aber nicht nur die mangelnde Transparenz macht der Opposition wie auch der Bildungsgewerkschaft GEW Sorgen. Der Drittmittelanteil bei der Finanzierung der bayerischen Unis ist seit dem Jahr 2000 massiv gestiegen, von 18,1 auf über 30 Prozent. Die Unis warben 2016 knapp 830 Millionen Euro an Drittmitteln ein. Zwar kamen davon laut Kultusministerium unter 10 Prozent aus der Privatwirtschaft, der größte Teil der Drittmittel stammt aus öffentlichen Forschungsförderungen von Land, Bund, EU und der Deutschen Forschungsgemeinschaft. Mit externem Geld aber importiert man auch externe Interessen. Dass Audi zum Beispiel Doktoranden finanziert, ist nichts Verwerfliches. Christian Kreiß, Professor für Finanzierung an der Hochschule Aalen, findet es in Ordnung, dass sich junge Leute mit technischen Fragen befassten. Die Frage sei allerdings, wie das geschehe: „Wer beschäftigt sich mit den nachhaltigen Folgen des Autoverkehrs?“ Und wenn es bald, wie von der TUM angekündigt, Projekte zur künstlichen Intelligenz mit dem Internetriesen Google gibt, werde es dabei wohl auch nicht um eine kritische Folgenabschätzung gehen, befürchtet die Grüne Osgyan.
Über Drittmittel, egal ob über private oder öffentliche, werden Forschungsgebiete gesteuert, klagt auch der Vorsitzende des Hochschulausschusses im Landtag, Michael Piazolo (FW). Weniger attraktive Bereiche zum Beispiel in den Geisteswissenschaften blieben auf der Strecke. Piazolo wünscht sich deshalb eine bessere staatliche Grundfinanzierung.
Die staatliche Finanzierung, sagt die neue Wissenschaftsministerin Marion Kiechle, sei ausreichend und sichere „ein breites Forschungs- und Lehrspektrum“. Und die Zusammenarbeit mit Unternehmen habe den Vorteil, dass Forschungsschwerpunkte rasch benannt und gefördert werden könnten.
Dass Kooperationen zwischen Wirtschaft und Wissenschaft sinnvoll sind, steht außer Frage. Nur wüsste man gern, wer hier was und mit welchem Ziel fördert. (Angelika Kahl)
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