Politik

Stephan Bloch sieht sich nicht als Rebell und fragt: „Sind das nicht diejenigen in der Partei, die die Stimmung aufgeheizt haben?“ (Foto: dpa)

27.07.2018

"Man spürt die getriebene Angst vor der AfD"

Stephan Bloch, CSU-Politiker und Gründer der Union der Mitte, über die Inhaltslosigkeit aktueller Debatten, politische Hetze und die katastrophalen Umfragewerte für seine Partei

Der 29-jährige Münchner Unternehmer Stephan Bloch ist seit elf Jahren Mitglied der CSU – und hat vor Kurzem aus Unmut über die Asylpolitik und die sprachliche Verrohung die CDU/CSU-Plattform Union der Mitte gegründet. Er arbeitet mit seinen Mitstreitern an einem Masterplan der Zukunft. Denn neue Ziele vorzugeben, habe die Union in den vergangenen Jahren verpasst, kritisiert er.

BSZ Herr Bloch, waren Sie am Sonntag bei der „ausgehetzt“-Demo?
Stephan Bloch Nein, natürlich nicht.

BSZ Warum natürlich nicht? Es ging gegen Hetze und eine Politik der Angst. Waren die Demonstranten keine Brüder im Geiste?
Bloch Wir stehen als Union der Mitte stets gegen das Hetzen, aber auch gegen das Gegen-Hetzen. Uns geht es um den inhaltlichen Diskurs.

BSZ Was genau hat Sie also bewogen, die Union der Mitte zu gründen?
Bloch Die sprachliche Verrohung, aber auch die Inhaltslosigkeit der aktuellen Debatten. Der Unmut darüber wird in der Mitte unserer Gesellschaft und gerade in eher unpolitischen Kreisen immer größer. Es fehlen einfach die Zukunftsvisionen. Neue Ziele vorzugeben haben CDU und CSU in den vergangenen Jahren verpasst.

BSZ Was wollen Sie konkret erreichen?
Bloch Sachliche Debatten und einen Masterplan der Zukunft gestalten. Es geht um eine Zukunft für alle Generationen und gesellschaftlichen Gruppen ohne Hass und Missgunst. Nach unseren Vorstellungen soll dieser Masterplan, an dem wir gerade arbeiten, 15 bis 20 Punkte umfassen.

BSZ Um welche Themen geht es da vor allem?
Bloch Die ärztliche Versorgung auf dem Land, die Fragen von Altersarmut und Rente, die Sicherstellung der Pflege, die Modernisierung der veralteten Strukturen in Behörden und Ämtern, die Erwachsenenbildung in einem sich digitalisierenden und von Fachkräftemangel geprägten Arbeitsmarkt, gleiche Bildungschancen bei wirklich freier beruflicher Entfaltung und vor allem ein streitbares Europa, mit nationalen Identitäten und gemeinsamen europäischen Leitzielen, um den veralteten Links-Rechts-Gedanken aufzulösen.

BSZ Ist damit eine Kritik an der CSU verbunden, dass sie sich zuletzt vor allem um das Thema Flüchtlinge gekümmert hat?
Bloch Ich höre in der täglichen politischen Arbeit immer wieder, dass die CSU zu einer Ein-Themen-Partei verkommen ist und mittlerweile das Volk vergisst. Das hat zu einem tiefen Graben und einer aufgeheizten Stimmung in der Gesellschaft geführt. Allerdings haben auch die Oppositionsparteien dazu ihren Beitrag geleistet, indem sie zu Demonstrationen gegen CSU-Politiker aufgerufen haben, statt Inhalte in den Vordergrund zu stellen. Diese Spaltung muss man in Bayern wieder auflösen.

"Es fehlen die Initiativen für die Integration von Zuwanderern und der Blick auf den Einzelfall"

BSZ Lässt sich die CSU aus Ihrer Sicht derzeit zu sehr von der Themensetzung der AfD treiben?
Bloch Bis in die jüngste Zeit hinein Ja. Es ist meine Befürchtung, dass es in der nahen Zukunft auch die Wahrnehmung bei vielen Bürgern bleibt. Dort meint man, der CSU gehe es nur um die Flüchtlingsfrage, wie man Grenzen sichert und möglichst schnell zu Abschiebungen kommt. Es fehlen die Initiativen für die Integration von Zuwanderern und der Blick auf den Einzelfall. Ich glaube, wir hätten uns als CSU viele Probleme ersparen können, wenn die Parteispitze den Parteitagsbeschluss zu mehr Mitgliederbefragungen ernst genommen hätte. Da hätte man ein differenziertes Bild bekommen und ganz viele Fehler der letzten Zeit vermeiden können.

BSZ Sie stellen mit ihrer Analyse die Politik der gesamten Führungsspitze der CSU in Frage. Sind Sie ein Rebell?
Bloch Wenn man sich mit Mandatsträgern der CSU unterhält, erfährt man schon Verständnis für unsere Position. Man spürt aber auch die getriebene Angst vor der AfD und die aus meiner Sicht falsche Hoffnung, dass man mit dieser Politik den rechten Rand wieder einfangen kann. Das führt aber dazu, dass sich sogar in der Partei Gruppen unversöhnlich gegenüberstehen. Man kann die Frage auch anders stellen. Wer ist denn wirklich der Rebell? Ist es der, der in die Meinungsbildung auch die Mitglieder und die Bürger einbeziehen will? Oder bringen nicht diejenigen Trouble in unsere Partei, die beginnend mit der Debatte um die Ausländermaut die Stimmung aufgeheizt haben und dafür Verantwortung tragen, dass wir heute in Umfragen unter 40 Prozent liegen?

BSZ Bräuchte die CSU für eine Trendumkehr also einen personellen Neuanfang?
Bloch Für einen inhaltlichen Neuanfang ist nicht zwingend ein personeller Neuanfang nötig. Die Frage ist doch, ob die Personen diesen Schritt gehen möchten oder können.

BSZ Wie stehen Sie eigentlich zum Kreuzerlass von Markus Söder?
Bloch Das ist für mich der falsche Weg. Ich habe nichts gegen einen christlich geprägten Heimatbegriff. Mit der Pflicht zum Aufhängen von Kreuzen, aber auch der Kopftuchdebatte bringt man aber einen falschen Zungenschlag hinein. Christlich-abendländisch geprägte Heimat heißt für mich auch, dass man Zugewanderten ein Zuhause gibt und sie sich in deren Identität wohlfühlen lässt. Das bedeutet nicht Kontrollverlust, sondern die Einbeziehung in unsere Gesellschaft. Von dieser Maxime hat sich die CSU leider Stück für Stück entfernt.

"Der Begriff der Leitkultur ist nicht gut gewählt"

BSZ Wie sehen Sie dann den Begriff der „Leitkultur“?
Bloch Der Begriff ist nicht gut gewählt. Natürlich braucht es verbindende Werte, an die sich alle anpassen müssen. Kulturelles Zusammenleben bedeutet aber auch, alle einzubeziehen. Auch hier fehlt mir in letzter Zeit der offene Diskurs. Genau das hat zu Hass, Spaltung und sprachlicher Verrohung geführt.

BSZ In zehn Wochen ist Landtagswahl, die CSU liegt aktuell in Umfragen unter 40 Prozent. Ist die Trendwende noch zu schaffen?
Bloch Es bleibt uns noch wenig Zeit. Auf jeden Fall hilft es nicht, wenn man jetzt Plakate mit der Aufschrift „Wir sind die Mitte“ aufhängt, diese Parole aber nicht mit Inhalten füllt.

BSZ Markus Söder hat zuletzt verbal abgerüstet und mehr Anstand in der politischen Auseinandersetzung gefordert. Wie glaubwürdig ist das aus seinem Munde?
Bloch Wenn ein Ministerpräsident diese Aussage trifft, dann gehe ich davon aus, dass er sich daran halten wird. Man darf aber nicht vergessen, dass er im nächsten Satz erklärt hat, dass die Inhalte seiner Regierungspolitik dieselben bleiben. Da frage ich mich dann wieder: Wo bleibt die Zukunft, wo sind die Projekte für die nächsten 15 bis 20 Jahre. Ich möchte gerne wieder eine stärkere europäische Ausrichtung nach der Maxime von Franz Josef Strauß: „Bayern ist meine Heimat, Deutschland mein Vaterland und Europa die Zukunft.“
(Interview: Jürgen Umlauft)

Kommentare (6)

  1. Otfrid am 01.08.2018
    Gut finde ich, daß ein Unternehmer den Mut findet, der Politik der CSU die Leviten zu lesen. Er ist unabhängig von den Pfründen der Politik, kann sich das leisten. Was er kritisiert, ist die bloße Reaktion der CSU auf die AfD, die Abwehrschlacht der CSU auf den Feldern der Flüchtlingspolitik, die die AfD als Themen gesetzt hat, aus Angst, hier die Landtagswahl zu verlieren. Recht hat er damit, daß die Bürger ganz andere Themen erwarten, Agenda Setting, neue Ideen und Initiativen in den wirklich wichtigen Feldern der Politik, in Bayern und im Bund. Wer nicht handelt, wird behandelt. Wer nicht agiert, reagiert. Das ist das Dilemma der CSU. Da muß sie raus. Hoffentlich ist es noch nicht zu spät! Otfrid Weiss (Mitglied der CDU seit 1970)
  2. Markus am 28.07.2018
    Die Ansichten des Jungunternehmers sind interessant.

    Ich meine, die CSU hat bei den Anhängern mit ihren Aussagen zu Politikthemen ein großes Glaubwürdigkeitsproblem.
    Es dürfte unstrittig sein, dass immer mehr Menschen nichtssagende Wahlaussagen ablehnen. Die Menschen werden letztendlich nur Politiker akzeptieren, die klare Lösungen anbieten und für deren Verwirklichung tatsächlich die Verantwortung übernehmen.

    Was spricht dagegen, wenn die CSU vor der Wahl zu bekannten Problemstellungen, wie u.a. „Rente und Altersarmut, Sicherstellung der Pflege“ den Menschen in Bayern konkrete Lösungen unterbreitet?
    In der Folge wäre die Angst der CSU vor Wahlerfolgen anderer Parteien unbegründet.

    Im Übrigen könnte der Jungunternehmer vermutlich bestätigen, dass bei nebulösen Leistungsversprechen an Kunden sein Unternehmen nicht mehr existieren würde.
  3. zitrone am 27.07.2018
    Ich finde die AfD sowas von abseitig und jeder denkende Bürger sollte sich überlegen, ob er sie mit ihren obskuren Ideen nochmal wählt. Wer denken und lesen kann, sollte sich Österreich ansehen. Dort werden in kürzester Zeit Arbeitnehmerrechte abgebaut. Nur die allerdümmsten Kälber wählen ihren Metzger selber. Wirklich schade nur, dass unsere Altparteien zwar immer mehr Geld in den sozialen Haushalt umschichten, aber auch immer mehr von den arbeitenden Menschen nehmen. Schon vor 2015 war die Unzufriedenheit mit der Politik der letzten 30 Jahre spürbar, die Nichtwähler wurden zur stärksten Gruppe. Der Nährboden der AfD. Sehr geehrte Politiker, kümmert Euch wieder um euer Volk,
    nicht nur vor den Wahlen mit dem großen Scheck winken, oder mal mit großem Tross ein heraus geputztes Pflegeheim besichtigen. Jeder Politiker sollte mindestens einmal im Quartal für ein paar Tage in einer Einrichtung seines Fachgebietes vor Ort sein und mitarbeiten, soweit dies möglich ist. Warum sollte Herr Spahn nicht mal für ein paar Nächte im Pflegeheim mitarbeiten und die Nachttöpfe leeren und die Windeln wechseln oder in der Demenzpflege mit helfen? Dann würde er das angemessene Gehalt anders beurteilen.
  4. Joachim Datko am 27.07.2018
    Zitat: "Bloch [...] Ich möchte gerne wieder eine stärkere europäische Ausrichtung nach der Maxime von Franz Josef Strauß: „Bayern ist meine Heimat, Deutschland mein Vaterland und Europa die Zukunft.“"

    Selbst hier, beim Urvater der CSU, bei Franz Josef Strauß, musste die AfD der CSU auf die Sprünge helfen, man hatte ihn einfach vergessen.

    Siehe:
    https://www.merkur.de/politik/afd-plant-gedenktafel-fuer-franz-josef-strauss-an-geburtshaus-heute-waere-er-bei-uns-6305145.html

    Und das Plakat eines AFD-freundlichen Vereins aus dem Bundestagswahlkampf 2017:
    https://www.welt.de/img/regionales/bayern/mobile168590895/1761628867-ci23x11-w960/Strauss-Familie-aergert-sich-ueber-AfD-Plakat.jpg
  5. Christian Binder am 27.07.2018
    Da hat sich die AfD aber schön in Szene gesetzt. Die CSU plakatiert flächendeckend mit Mitgliedern aus der Parteibasis (ehrenamtlich) und nicht wie die AfD, die dafür oft auch eine Firma beauftragt. Also mal schön den Ball flach halten und keine Unwahrheiten verbreiten.
  6. Joachim Datko am 27.07.2018
    Die AfD plakatiert ihre politischen Vorstellungen und geht für sie auf die Straße, die CSU-Plakate bleiben meist ohne konkrete politische Aussagen.

    Beispiele aus Regensburg:

    https://www.regensburg-digital.de/wp-content/uploads/2018/06/Wahlplakat-Franz-Rieger-e1529155854550.jpg

    https://www.mittelbayerische.de/imgserver/_thumbnails/images/34/4312900/4312983/779x467.jpg

    Joachim Datko - Ingenieur, Physiker
Die Frage der Woche
Vergabeplattform
Vergabeplattform

Staatsanzeiger eServices
die Vergabeplattform für öffentliche
Ausschreibungen und Aufträge Ausschreiber Bewerber

Jahresbeilage 2023

Nächster Erscheinungstermin:
29. November 2024

Weitere Infos unter Tel. 089 / 29 01 42 54 /56
oder
per Mail an anzeigen@bsz.de

Download der aktuellen Ausgabe vom 24.11.2023 (PDF, 19 MB)

E-Paper
Unser Bayern

Die kunst- und kulturhistorische Beilage der Bayerischen Staatszeitung

Abo Anmeldung

Benutzername

Kennwort

Bei Problemen: Tel. 089 – 290142-59 und -69 oder vertrieb@bsz.de.

Abo Anmeldung

Benutzername

Kennwort

Bei Problemen: Tel. 089 – 290142-59 und -69 oder vertrieb@bsz.de.