Der 29-jährige Münchner Unternehmer Stephan Bloch ist seit elf Jahren Mitglied der CSU – und hat vor Kurzem aus Unmut über die Asylpolitik und die sprachliche Verrohung die CDU/CSU-Plattform Union der Mitte gegründet. Er arbeitet mit seinen Mitstreitern an einem Masterplan der Zukunft. Denn neue Ziele vorzugeben, habe die Union in den vergangenen Jahren verpasst, kritisiert er.
BSZ Herr Bloch, waren Sie am Sonntag bei der „ausgehetzt“-Demo?
Stephan Bloch Nein, natürlich nicht.
BSZ Warum natürlich nicht? Es ging gegen Hetze und eine Politik der Angst. Waren die Demonstranten keine Brüder im Geiste?
Bloch Wir stehen als Union der Mitte stets gegen das Hetzen, aber auch gegen das Gegen-Hetzen. Uns geht es um den inhaltlichen Diskurs.
BSZ Was genau hat Sie also bewogen, die Union der Mitte zu gründen?
Bloch Die sprachliche Verrohung, aber auch die Inhaltslosigkeit der aktuellen Debatten. Der Unmut darüber wird in der Mitte unserer Gesellschaft und gerade in eher unpolitischen Kreisen immer größer. Es fehlen einfach die Zukunftsvisionen. Neue Ziele vorzugeben haben CDU und CSU in den vergangenen Jahren verpasst.
BSZ Was wollen Sie konkret erreichen?
Bloch Sachliche Debatten und einen Masterplan der Zukunft gestalten. Es geht um eine Zukunft für alle Generationen und gesellschaftlichen Gruppen ohne Hass und Missgunst. Nach unseren Vorstellungen soll dieser Masterplan, an dem wir gerade arbeiten, 15 bis 20 Punkte umfassen.
BSZ Um welche Themen geht es da vor allem?
Bloch Die ärztliche Versorgung auf dem Land, die Fragen von Altersarmut und Rente, die Sicherstellung der Pflege, die Modernisierung der veralteten Strukturen in Behörden und Ämtern, die Erwachsenenbildung in einem sich digitalisierenden und von Fachkräftemangel geprägten Arbeitsmarkt, gleiche Bildungschancen bei wirklich freier beruflicher Entfaltung und vor allem ein streitbares Europa, mit nationalen Identitäten und gemeinsamen europäischen Leitzielen, um den veralteten Links-Rechts-Gedanken aufzulösen.
BSZ Ist damit eine Kritik an der CSU verbunden, dass sie sich zuletzt vor allem um das Thema Flüchtlinge gekümmert hat?
Bloch Ich höre in der täglichen politischen Arbeit immer wieder, dass die CSU zu einer Ein-Themen-Partei verkommen ist und mittlerweile das Volk vergisst. Das hat zu einem tiefen Graben und einer aufgeheizten Stimmung in der Gesellschaft geführt. Allerdings haben auch die Oppositionsparteien dazu ihren Beitrag geleistet, indem sie zu Demonstrationen gegen CSU-Politiker aufgerufen haben, statt Inhalte in den Vordergrund zu stellen. Diese Spaltung muss man in Bayern wieder auflösen.
"Es fehlen die Initiativen für die Integration von Zuwanderern und der Blick auf den Einzelfall"
BSZ Lässt sich die CSU aus Ihrer Sicht derzeit zu sehr von der Themensetzung der AfD treiben?
Bloch Bis in die jüngste Zeit hinein Ja. Es ist meine Befürchtung, dass es in der nahen Zukunft auch die Wahrnehmung bei vielen Bürgern bleibt. Dort meint man, der CSU gehe es nur um die Flüchtlingsfrage, wie man Grenzen sichert und möglichst schnell zu Abschiebungen kommt. Es fehlen die Initiativen für die Integration von Zuwanderern und der Blick auf den Einzelfall. Ich glaube, wir hätten uns als CSU viele Probleme ersparen können, wenn die Parteispitze den Parteitagsbeschluss zu mehr Mitgliederbefragungen ernst genommen hätte. Da hätte man ein differenziertes Bild bekommen und ganz viele Fehler der letzten Zeit vermeiden können.
BSZ Sie stellen mit ihrer Analyse die Politik der gesamten Führungsspitze der CSU in Frage. Sind Sie ein Rebell?
Bloch Wenn man sich mit Mandatsträgern der CSU unterhält, erfährt man schon Verständnis für unsere Position. Man spürt aber auch die getriebene Angst vor der AfD und die aus meiner Sicht falsche Hoffnung, dass man mit dieser Politik den rechten Rand wieder einfangen kann. Das führt aber dazu, dass sich sogar in der Partei Gruppen unversöhnlich gegenüberstehen. Man kann die Frage auch anders stellen. Wer ist denn wirklich der Rebell? Ist es der, der in die Meinungsbildung auch die Mitglieder und die Bürger einbeziehen will? Oder bringen nicht diejenigen Trouble in unsere Partei, die beginnend mit der Debatte um die Ausländermaut die Stimmung aufgeheizt haben und dafür Verantwortung tragen, dass wir heute in Umfragen unter 40 Prozent liegen?
BSZ Bräuchte die CSU für eine Trendumkehr also einen personellen Neuanfang?
Bloch Für einen inhaltlichen Neuanfang ist nicht zwingend ein personeller Neuanfang nötig. Die Frage ist doch, ob die Personen diesen Schritt gehen möchten oder können.
BSZ Wie stehen Sie eigentlich zum Kreuzerlass von Markus Söder?
Bloch Das ist für mich der falsche Weg. Ich habe nichts gegen einen christlich geprägten Heimatbegriff. Mit der Pflicht zum Aufhängen von Kreuzen, aber auch der Kopftuchdebatte bringt man aber einen falschen Zungenschlag hinein. Christlich-abendländisch geprägte Heimat heißt für mich auch, dass man Zugewanderten ein Zuhause gibt und sie sich in deren Identität wohlfühlen lässt. Das bedeutet nicht Kontrollverlust, sondern die Einbeziehung in unsere Gesellschaft. Von dieser Maxime hat sich die CSU leider Stück für Stück entfernt.
"Der Begriff der Leitkultur ist nicht gut gewählt"
BSZ Wie sehen Sie dann den Begriff der „Leitkultur“?
Bloch Der Begriff ist nicht gut gewählt. Natürlich braucht es verbindende Werte, an die sich alle anpassen müssen. Kulturelles Zusammenleben bedeutet aber auch, alle einzubeziehen. Auch hier fehlt mir in letzter Zeit der offene Diskurs. Genau das hat zu Hass, Spaltung und sprachlicher Verrohung geführt.
BSZ In zehn Wochen ist Landtagswahl, die CSU liegt aktuell in Umfragen unter 40 Prozent. Ist die Trendwende noch zu schaffen?
Bloch Es bleibt uns noch wenig Zeit. Auf jeden Fall hilft es nicht, wenn man jetzt Plakate mit der Aufschrift „Wir sind die Mitte“ aufhängt, diese Parole aber nicht mit Inhalten füllt.
BSZ Markus Söder hat zuletzt verbal abgerüstet und mehr Anstand in der politischen Auseinandersetzung gefordert. Wie glaubwürdig ist das aus seinem Munde?
Bloch Wenn ein Ministerpräsident diese Aussage trifft, dann gehe ich davon aus, dass er sich daran halten wird. Man darf aber nicht vergessen, dass er im nächsten Satz erklärt hat, dass die Inhalte seiner Regierungspolitik dieselben bleiben. Da frage ich mich dann wieder: Wo bleibt die Zukunft, wo sind die Projekte für die nächsten 15 bis 20 Jahre. Ich möchte gerne wieder eine stärkere europäische Ausrichtung nach der Maxime von Franz Josef Strauß: „Bayern ist meine Heimat, Deutschland mein Vaterland und Europa die Zukunft.“
(Interview: Jürgen Umlauft)
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