Politik

In der CSU sind sie genervt von ihrem Chef – der wiederum ist pikiert darüber, dass seine Partei ihn loshaben möchte. (Foto: dpa)

16.11.2018

Mühsamer Abschied

Rätselraten um Seehofers Zukunft

Das Verhältnis von Horst Seehofer zu seiner CSU ist ein schwieriges geworden. Der Vorsitzende versteht seine Partei nicht mehr, und die Partei ihren Vorsitzenden nicht. Am vergangenen Sonntag bei einem Treffen der um die Bezirkschefs erweiterten Parteispitze ist das deutlich geworden wie selten zuvor. Seehofer sei ein ziemlich eindeutiges Bild von der Stimmung in der Partei übermittelt worden, die sehnlichst ein Ende der Hängepartie um den Vorsitzenden erwartet. Mit Blick auf seine – unbestrittenen – Verdienste um die CSU habe Seehofer nicht mit so viel Gegenwind gerechnet. Man habe ihm am Ende zugestanden, seinen Rückzug in dieser Woche selbst zu verkünden.

Schon am Montag ließ Seehofer dann am Rande seines Besuchs bei einer Polizeieinheit im sächsischen Bautzen ein paar Sätze fallen. Er werde den Parteivorsitz abgeben, bestätigte er, aber an seinem Amt als Bundesinnenminister festhalten. Alles weitere, also auch einen Zeitplan, werde er zu einem späteren Zeitpunkt im Laufe der Woche mitteilen. Das soll nun am heutigen Freitag geschehen. Klar scheint nur, dass Seehofer den Parteivorsitz schon vor dem regulären Wahlparteitag im Herbst 2019 abgeben wird, mutmaßlich auf einem Sonderparteitag nach dem Jahreswechsel. „Wir stehen in der CSU vor einer Zäsur“, erklärt Generalsekretär Markus Blume. Mit dem Parteivorsitzenden Seehofer sei eine Ära verbunden. Wenn er jetzt tatsächlich aufhöre, „dann geht auch eine Ära zu Ende“. Genaueres kann oder will Blume nicht sagen.

Glaubt man den vielen Stimmen aus der CSU, dann wäre der Vorsitzende Seehofer längst Geschichte, wenn – wenn sich Markus Söder schon vor Monaten zur Nachfolge bereiterklärt hätte. Ein von der Parteibasis ausgehender Tsunami hätte Seehofer dann weggespült, heißt es.

Aber für eine Revolution brauche es eben auch einen Anführer. Und Söder ziert sich. Söder wollte, das hat er immer durchblicken lassen, unbedingt Ministerpräsident werden, auf den CSU-Vorsitz war er nie sonderlich scharf. Er ist eine zusätzliche Belastung und vor allem mit den Wirren der Berliner Bühne verbunden. Auf der ist Söder nicht wirklich zu Hause, seine Zeit als bayerischer Bundesratsminister vor einem Jahrzehnt und gelegentliche Talkshow-Auftritte in der Hauptstadt ändern daran nicht viel.

In der CSU schwindet die Geduld mit dem Chef rapide

Tritt Seehofer jetzt wirklich ab als CSU-Chef, wird Söder aber fast nichts mehr anderes übrigbleiben, als das Amt zu übernehmen und auch hier in die Fußstapfen seiner großen Vorbilder Franz Josef Strauß und Edmund Stoiber zu steigen. Viel Konkurrenz hat er nicht mehr.

Die Begeisterung für den gerne bärbeißigen und in seiner Ambition und Motivation oft undurchschaubaren Alexander Dobrindt ist in der Partei nicht sonderlich ausgeprägt, und der einzig ernsthafte Konkurrent, der Niederbayer Manfred Weber, hat sich mit seiner erfolgreichen Kür zum Spitzenkandidaten der europäischen Volksparteien für die Europawahl im kommenden Mai gleichsam selbst aus dem Rennen genommen. Schließlich strebt er damit in der Nachfolge von Jean-Claude Juncker das Amt des EU-Kommissionspräsidenten an. Es steht zwar nirgends geschrieben, dass der Chef der Brüsseler EU-Zentrale nicht auch Parteivorsitzender sein darf, aber weil die Kommission im Prinzip ein überparteiliches Kollegialgremium ist, könnte der CSU-Vorsitz für Weber ein Hindernis auf dem Weg zum obersten Repräsentanten der EU sein.

Bleibt die Frage, wie es mit dem Innenminister Seehofer weitergeht. Ihm selbst schwebt das „Modell Merkel“ vor, also Aufgabe des Parteivorsitzes, Behalten des Regierungsamtes. Ähnlich wie bei Kanzlerin Angela Merkel ist das aber nur eine vage Hoffnung. Keiner weiß, welche Dynamik in den Unionsparteien entsteht, wenn die Chefs erst einmal abgetreten sind.

In der CSU jedenfalls neigt sich die Geduld mit Seehofer in jeder Hinsicht erkennbar dem Ende zu. Bei Seehofer hat man den Eindruck, dass eine der wichtigsten Motivationen für sein Beharren auf dem Ministerposten der Drang ist, seine Widersacherin Merkel wenigstens im Amt zu überleben. Es könnte sein, dass ihm seine CSU nicht einmal mehr diesen Gefallen tut.
(Jürgen Umlauft)

Kommentare (1)

  1. Zitrone am 17.11.2018
    Schade, dass Herr Seehofer nicht die Größe hat, sein Lebenswerk mit einem würdigen Abschied zu krönen.gg Aber das ist bei Alfa-Tieren wohl besonders schwierig. Da ist ja die Unaufgeregtheit von Frau Merkel sympathisch, bei aller Kritik.
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