JA
Georg Nüßlein (CSU), stellvertretender Vorsitzender der CDU/CSU-Bundestagsfraktion
Die Corona-Infektionen in deutschen Schlachthöfen zeigen uns erneut, wie krank das System in der Fleischindustrie ist. Allein die schwierigen Beschäftigungsverhältnisse in der Fleischwirtschaft zu adressieren, wird aus meiner Sicht nicht ausreichen. Vielmehr müssen wir das Übel endlich an der Wurzel packen. Insbesondere der Preisdruck beim Fleisch ist für die schwierigen Beschäftigungsverhältnisse mit den daraus resultierenden Gesundheits- und Hygienerisiken verantwortlich.
Weil Fleisch ein vermeintlich homogenes Gut ist, kaufen Verbraucher in der Regel dort, wo es am billigsten angeboten wird. Anbieter versuchen, durch Billigpreise beim Fleisch die Frequenz im Markt zu erhöhen und von „Mitnahmeeffekten“ zu profitieren. Das führt zu einer Preisspirale, die ausgehend vom Handel in der Lieferkette einen enormen Druck erzeugt.
Ein besonders wirksames Mittel dagegen wäre ein Werbeverbot für Fleisch über den Preis. Einen Kilopreis von 4,44 Euro für Schweinefleisch als Resultat des Preis-Werbe-Wettbewerbs zwischen den Märkten halte ich für unethisch. Stattdessen sollte mit qualitativen Differenzierungsmerkmalen geworben werden.
Darüber hinaus sehe ich den Handel in der Pflicht, Fleisch zu einem Preis anzubieten, der nicht zulasten der Beschäftigten in der Fleischindustrie, der Erzeuger und nicht zuletzt der Tiere geht. Höhere Preise sind für mich jedoch kein Selbstzweck. Das Geld muss unmittelbar bei den Erzeugern für Tierwohlmaßnahmen ankommen. Deshalb begrüße ich ausdrücklich die Initiative Tierwohl, halte aber 6,25 Cent pro Kilo Fleisch, die der Handel in den Tierwohlfonds einzahlt, für nicht mehr als ein Feigenblatt. Der Betrag müsste sich vielmehr in Richtung der 40 Cent pro Kilo bewegen, die die Borchert-Kommission vorgeschlagen hat. Das zeigt nicht zuletzt, dass die Aufregung über steigende Fleischpreise unberechtigt ist – acht Cent pro Schweineschnitzel zusätzlich sollten im Sinne einer verantwortungsvollen Fleischproduktion, besserer Haltungsbedingungen und höherer Qualität für jeden leistbar sein.
NEIN
Albert Stegemann, (CDU), Vorsitzender der AG Ernährung und Landwirtschaft der CDU/CSU-Bundestagsfraktion
Allein höhere Preise lösen kein einziges Problem. Sie schaffen keine besseren Arbeitsbedingungen in den Schlachthöfen, nicht mehr Tierwohl und keine faire Bezahlung unserer Landwirte. Im Gegenteil: Der Preis sollte ein Zeichen der Wertschätzung durch den Verbraucher sein. Und Wertschätzung kann man nicht erzwingen, sie muss verdient werden. Verbraucher müssen bereit sein, moderat mehr zu bezahlen, weil das Geld bei den Tieren und Landwirten ankommt. Wie kann das gelingen?
Wir brauchen Transparenz: Der Verbraucher muss klar erkennen können, wo und unter welchen ökologischen und sozialen Standards Fleisch hergestellt wurde. Er muss die Wahl haben zwischen unterschiedlichen Angeboten. Dann kann er beim Einkauf auf Qualität und regionale Besonderheiten achten. Dafür brauchen wir eine europaweite Haltungs- und Herkunftskennzeichnung.
Wir brauchen Mindeststandards: Fleisch aus Deutschland hat seinen Preis, der von Kunden entsprechend bezahlt werden sollte. Leider passiert das nicht immer. Der aktuelle Wettbewerb ist viel zu sehr vom Preis und nicht von Qualität bestimmt. Das geht zulasten der kleinen landwirtschaftlichen Strukturen wie in Bayern, die an der Ladentheke im globalen Wettbewerb stehen. Der Handel sollte sich freiwillig selbst verpflichten, nur Fleischwaren anzubieten, die deutschen Herstellungsstandards entsprechen.
Wir brauchen ein Leitbild für die Tierhaltung: Bayern geht hier mit der Agentur für Lebensmittel den richtigen Weg. Eine solche Marketingorganisation brauchen wir für ganz Deutschland. Wenn die Gesellschaft höhere Tierwohlstandards einfordert, hierfür aber nicht an der Ladentheke zahlt, brauchen wir eine Tierwohlprämie wie bei den erneuerbaren Energien. Diese wäre der Schlüssel zu einer Tierhaltung von morgen und dem Vertrauen der Verbraucher.
Wertschätzungs- und Qualitätsoffensive und ein Fahrplan für den Umbau der Tierhaltung: Das ist der richtige Weg, kein staatliches Preisdiktat.
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