Politik

Daten, Daten, Daten: Nicht alle Unternehmer gehen sensibel damit um. (Foto: dpa)

19.07.2013

Ohne Druck passiert nichts

Datenschutz in Bayern: Viele Unternehmen beschäftigen sich zu wenig mit dem Thema

Wir kümmern uns zeitnah um Ihre Belange – diese doch eigentlich freundlich gemeinte E-Mail an Kunden hat einer Mitarbeiterin einer bayerischen Handelsfirma jede Menge Ärger eingebracht. Denn die E-Mail war ausgedruckt zehn Seiten lang. Neuneinhalb Seiten enthielten die E-Mail-Adressen der Empfänger.
Das Bayerische Landesamt für Datenschutz (BayLDA) hat erstmals wegen eines offenen E-Mail-Verteilers ein Bußgeld verhängt – gegen die Mitarbeiterin. Die Ermittlungen in einem ähnlichen Fall sind abgeschlossen – „hier wird der Bußgeldbescheid aber an die Unternehmensleitung gehen“, sagt BayLDA-Präsident Thomas Kranig. „Denn in manchen Unternehmen wird dieser Fragestellung offensichtlich nicht die entsprechende Bedeutung beigemessen.“
Personenbezogene Daten wie E-Mail-Adressen dürfen an Dritte  nur übermittelt werden, wenn eine Einwilligung vorliegt oder eine gesetzliche Grundlage gegeben ist. Für die Überwachung der Einhaltung des Datenschutzes im nicht-öffentlichen Bereich ist das BayLDA zuständig. Es führt von sich aus  Kontrollen bei Unternehmen  durch, prüft aber auch  Beschwerden von Bürgern. In den Jahren 2011 und 2012 wurden 174 Ordnungswidrigkeitsverfahren eingeleitet und 39 Bußgeldbescheide erlassen. Im selben Zeitraum gab es 751 berechtigte Beschwerden. Meist bleibt es aber bei Hinweisen. „Denn oft herrscht Unkenntnis, und Missstände werden klaglos abgestellt“, so Kranig. Hauptjob der 16 Mitarbeiter des Amts sei die Beratung. Bertram Brossardt, Hauptgeschäftsführer der Vereinigung der bayerischen Wirtschaft (vbw) bestätigt: „Oft herrscht Unsicherheit über die Rechtslage im Detail.“

Ein Dauerbrenner: die zunehmende Videoüberwachung


Es sind vor allem drei Bereiche, in denen Kranig immer wieder Verstöße feststellt: Internet, Videoüberwachung und Werbebriefe. „Letzteres ist nach wie vor ein heißes Thema“, sagt Kranig. „Nicht immer ist klar, wo die Adressen herkommen. Hier wird möglicherweise bewusst vieles falsch gemacht.“ Tatsächlich kann nicht  jeder Verstoß mit Unwissenheit entschuldigt werden. Das Bundesdatenschutzgesetz schreibt für jedes Unternehmen einen Datenschutzbeauftragten vor, wenn dort mindestens neun Personen mit der automatisierten Verarbeitung personenbezogener Daten beschäftigt werden. „Weniger als die Hälfte der Firmen, die einen Datenschutzbeauftragten brauchen, haben aber tatsächlich einen“, sagt Klaus Foitzick, Vorstand der Technologie- und Managementberatung ativeMind. Foitzick hält Schulungen zum Thema bei der IHK in München und erklärt, dass die Nachfrage deutlich wächst. „Aber nicht weil ein wirklicher Bewusstseinswandel bei den Unternehmen stattfindet“, sagt er. In der Regel reagierten diese nur auf Druck von außen – durch die Berichterstattung in den Medien, aber auch durch hartnäckiges Nachfragen von Kunden. Auch das BayLDA hat den Druck aktuell erhöht. 400 Unternehmen haben vom Amt Post bekommen. Die Firmen müssen detaillierte Fragen zum Datenschutz beantworten. Die eine oder andere Strafe könnte auch dann wieder fällig werden.
Bußgelder verhängen kann Thomas Petri nicht. Er kontrolliert als bayerischer Datenschutzbeauftragter den öffentlichen Bereich und macht in seinen Berichten regelmäßig über Verfehlungen von staatlichen Institutionen und Behörden aufmerksam. Bei ihm häufen sich die Beschwerden.  Ein Dauerbrenner: die zunehmende Videoüberwachung. Sehr viele Feststellungen gebe es im Bereich der Inneren Sicherheit. Doch die Zusammenarbeit mit den Sicherheitsbehörden habe sich in den letzten zwei, drei Jahren signifikant verbessert. Vor dem Hintergrund intensiver Vorortkontrollen im Gesundheits- und Sozialbereich habe er dort aktuell heftig zu kämpfen, berichtet Petri. „Hier geht es um besonders sensible Daten, die besser geschützt werden müssten.“
„Richtig unzufrieden“ ist Petri darüber, dass es für den Datenschutz noch immer keinen europaweit einheitlichen Mindestschutzstandard gibt. Im internationalen Vergleich habe Deutschland einen hohen Standard – das bestätigen Experten und  Politiker jeder Couleur. Dringend Nachholbedarf gebe es allerdings bei der Berücksichtigung neuer Technologien, etwa beim Cloud Computing. Auch bei Fragen der inneren Sicherheit – Videoüberwachung, Staatstrojaner, Vorratsdatenspeicherung gibt es zwischen der CSU und den übrigen Parteien immer wieder Streit.
Die bayerische Wirtschaft hält die Vorschriften Bayerns und Deutschlands für „vernünftig“. Doch auch sie fordert einen EU-Standard. Man setze sich für ein europaweit einheitliches Datenschutzniveau ein, „damit Wettbewerbsverzerrungen vermieden und der Verwaltungsaufwand für die Betriebe verringert werden kann“, sagt vbw-Chef Brossardt.
Wie wichtig die Einführung eines Mindestniveaus nicht nur für die Wirtschaft, sondern auch für jeden einzelnen Bürger wäre – über die Grenzen Europas hinaus – hat nicht zuletzt die Abhöraffäre ausländischer Geheimdienste gezeigt. Doch während auf EU-Ebene um eine einheitliche Regelung gerungen wird, steht das noch in weiter Ferne. Petri: „Das ist noch reine Zukunftsmusik.“ (Angelika Kahl)

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