Politik

Wohnungsbau, hier im Landkreis München. (Foto: dpa/Frank Hoermann, Sven Simon)

25.10.2025

Bau-Turbo des Bundes: Schneller und billiger, stimmt’s?

Weniger Lärmschutz, Verzicht auf Bebauungspläne: Was das Projekt „Bau-Turbo“ wirklich bringt

Mit dem „Bau-Turbo“ will die Regierungskoalition in Berlin den Wohnungsbau ankurbeln. In Bayerns Rathäusern wird die Initiative verhalten optimistisch bewertet. Doch von Experten gibt es auch Kritik am neuen Gesetz.

Die große Baukrise bekommt Stephan Kippes auch im Kleinen vor Augen geführt– auf dem Weg zur S-Bahn. Denn da radelt der Leiter des Marktforschungsinstituts beim Immobilienverband Deutschland Süd (IVD) in seinem Heimatort Eichenau (Landkreis Fürstenfeldbruck) stets an einem Grundstück vorbei, das seit drei Jahren brachliegt. Zunächst sollten dort laut Aushang zwei Einfamilienhäuser entstehen, sagt Kippes. Später wurde das Grundstück zum Verkauf angeboten, und inzwischen sei von einem Mehrfamilienhaus mit vier Wohnungen die Rede.

Gebaut worden ist in all der Zeit jedoch nichts, was bis vor einigen Jahren noch undenkbar gewesen wäre, vor allem in der prosperierenden Region München. Doch gestiegene Zinsen und höhere Materialpreise haben die zuvor boomende Bauwirtschaft in die Knie gezwungen. In der Folge brach die Zahl der neuen Wohnungen ein, auf nur mehr 251 900 im Jahr 2024. Fast 15 Prozent weniger als 2023. Damit ist man auch meilenweit entfernt von den jährlich 400 000 Neubauwohnungen, die einst die Ampel-Regierung anvisiert hatte.

Um hier gegenzusteuern, zündet man in Berlin nun den Bau-Turbo. Konkret soll das neue Gesetz die Genehmigungsverfahren in den Kommunen beschleunigen. Unter anderem können Neubauten, Nachverdichtungen und Aufstockungen etwa auf Supermärkten schneller gebaut werden. Wenn sich Kommunen entscheiden, den Bau-Turbo anzuwenden, dürfen sie auf das Aufstellen oder die Änderung eines Bebauungsplans verzichten.

Ungelöste Kostenfrage

Stattdessen können zusätzliche Wohnungen bereits nach einer dreimonatigen Prüfung zugelassen werden. Möglich sind nun auch niedrigere Standards beim Lärmschutz, um mehr Wohnbebauung in der Nähe von Gewerbebetrieben zu ermöglichen. Auch Wohnungen im Außenbereich können künftig leichter gebaut werden.

Bundesbauministerin Verena Hubertz (SPD) schwärmt von einem „mutigen Instrument, das unser Land wirklich nach vorne bringen kann“. Stephan Kippes wiederum sagt: „Es würde mich überraschen, wenn das Gesetz zu einem größeren Schub auf dem Wohnungsmarkt führt – geschweige denn zu einem Turnaround.“ Denn, so sein Hauptkritikpunkt: „Das Programm ist nicht mit Geld hinterlegt.“

Kippes zufolge bräuchte es „vor allem niedrigpreisige Wohnungen in den Hotspots“. Dafür müssten Fördermittel fließen oder andere Anreize gesetzt werden, um allen voran den Bau von Sozialwohnungen, genossenschaftlichem und studentischem Wohnraum zu unterstützen, so Kippes.

Union: Kommunen werden von engem Korsett befreit

Auch das Stadtplanungsamt im Augsburger Rathaus ver-weist darauf, dass die schwierige Situation im Wohnungsbau vielschichtige Ursachen habe. „Neben der langen Planungs- und Genehmigungsdauer sind das insbesondere die hohen Baukosten, die Zinshöhe, fehlende Fördermittel sowie marktangepasste Grundstücksbewertungen.“ Man gehe davon aus, heißt es weiter, „dass der Bau-Turbo zwar einen positiven Effekt auf den Wohnungsbau haben wird“. Das Gesetz allein jedoch werde wohl „nicht den erhofften Befreiungsschlag schaffen“, teilt das Augsburger Stadtplanungsamt mit.

Im Landshuter Rathaus schätzt Johannes Doll, Referatsleiter für Bauen und Umwelt, dass die Stadt vom nun möglichen Verzicht auf einen Bebauungsplan „einzelfallbezogen“ Gebrauch machen wird. Vor dem Hintergrund einer angespannten Haushaltslage müsse jedoch darauf geachtet werden, dass der Kommune keine zusätzlichen Kosten aufgebürdet werden, die in einem Bebauungsplanverfahren sonst der jeweilige Vorhabenträger aufbringen muss. Beispielhaft nennt Johannes Doll Regelungen zur Planungskostenübernahme, Erschließungskosten und Folgelasten.

Zum jetzigen Zeitpunkt könne man noch nicht zuverlässig vorhersagen, wie sich der Bau-Turbo auf den Wohnungsbau in Landshut auswirken werde, sagt der Referatsleiter – ein Satz, den man ähnlich in vielen Rathäusern hört.

Derweil ist der baupolitische Sprecher der Unionsfraktion im Bundestag, Jan-Marco Luczak (CDU), überzeugt: „Mit dem Bau-Turbo befreien wir die Kommunen aus dem engen, zeitaufwendigen und kostentreibenden Korsett des Baugesetzbuchs. Ausreden gibt es jetzt keine mehr, wir geben den Kommunen alle Mittel an die Hand, um den Mangel an bezahlbarem Wohnraum zu beheben.“ Luczak glaubt: „Mit dem Bau-Turbo kriegen wir auch die steigenden Mieten in den Griff.“

In diesem Punkt sind viele Fachleute skeptisch, auch IVD-Marktforscher Kippes, der die Situation mit einem Feuerwehreinsatz vergleicht: „Entscheidend ist nicht, wie viel Löschwasser man hat, sondern dass es an den Brandstellen ankommt.“ Will heißen: Neue Wohnungen müssten dort entstehen, wo sie am meisten gebraucht werden – also in Regionen wie Mün-chen, Rosenheim und Augs-burg. Ob der Bau-Turbo hier wirklich zündet, muss sich zeigen. (Patrik Stäbler)

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