Politik

Horst Seehofer bei der Sommerklausur der CSU-Landesgruppe im Bundestag. (Foto: Ralf Hirschberger/dpa)

06.09.2018

Seehofer: Migrationsfrage ist "Mutter aller Probleme"

SPD und CDU wollen weg vom ständigen Kreisen um das Thema Migration. Doch die CSU sieht das anders. Einen neuen Streit in der Union wollen die bayerischen Wahlkämpfer zwar nicht vom Zaun brechen. Doch nur noch über Rente, Bildung und Wohnen zu reden, finden sie falsch

Bundesinnenminister Horst Seehofer ist sich sicher. Der Aufstieg der AfD, das Schwächeln seiner CSU in den Umfragen für die bayerische Landtagswahl - all das hat nur einen Grund: die Migrationspolitik der Bundesregierung, die er seit drei Jahren massiv kritisiert. Die Migrationsfrage sei "die Mutter aller Probleme", sagt er den CSU-Bundestagsabgeordneten bei ihrer Sommerklausur in Brandenburg, so berichten es mehrere Teilnehmer hinterher. Vor den Kameras sagt der CSU-Vorsitzende, dass die zweistelligen Umfragewerte für die AfD in Bayern eine Neuerscheinung seien, "wo ja die Grundlage oder die Ursache dafür in der Migrationspolitik liegt".

SPD-Politiker haben Seehofers Äußerungen scharf kritisiert. SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil warf ihm auf Twitter "rechtspopulistisches Gequatsche" vor. "Wenn ich das Foto sehe, frage ich mich, ob man hier nicht den Vater von reichlich Problemen sieht", schrieb Klingbeil.

SPD fordert Seehofers Rücktritt: "Vater von reichlichen Problemen"

SPD-Vize Ralf Stegner schloss sich einer Rücktrittsforderung für den Fall an, dass Seehofer nicht mehr Innenminister aller Menschen in Deutschland sein könne. "Der Herr Heimatminister vergisst, dass für ganz viele Menschen unser freiheitliches, tolerantes und rechtsstaatliches Deutschland zur Heimat geworden ist. Vielfalt ist unsere Stärke, Einfalt von rechts unser Problem!", schrieb Stegner auf Twitter.

Dass Seehofer die Hauptverantwortung für die aus seiner Sicht mangelnde Steuerung und Begrenzung des Flüchtlingszustroms bei Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) sieht, ist kein Geheimnis. Öffentliche Kommentare in diese Richtung verkneift er sich aber. Zu sehr hat der Streit der Unionsparteien über die Asylpolitik im Frühsommer den beiden Schwesterparteien CDU und CSU geschadet. Auch CSU-Landegruppenchef Alexander Dobrindt will keinen Krawall mehr. Sein Lieblingswort während der zweitägigen Klausur ist "Stabilität".

Dobrindt stellte sich hinter Seehofer. Die politische Landschaft in Deutschland habe sich durch die Migrationsthematik verändert, dies sei "unstrittig". Zwar habe man sich innerhalb der Koalition inzwischen auf viele Punkte verständigt. In der Migrationspolitik werde es bei Details jedoch auch in den nächsten Wochen und Monaten noch Diskussionsbedarf geben, zum Beispiel über den hauptsächlich von der SPD geforderten "Spurwechsel" abgelehnter Asylbewerber in die Arbeitsmigration.

Seehofer will sich mögliches Wahl-Debakel nicht in die Schuhe schieben lassen

Dass die CSU auch im Bundestag in diesen Tagen nicht nur über Rente, Wohnen und mehr Netto vom Brutto reden will, sondern immer wieder die Begrenzung der Zuwanderung aus Nicht-EU-Staaten auf die Tagesordnung setzt, gefällt vielleicht nicht jedem in der Schwesterpartei CDU. Doch die CSU-Landesgruppe glaubt, dass das die Menschen umtreibt. Und dass man die Benennung von Problemen auf diesem Gebiet - von Hindernissen bei der Abschiebung bis hin zu falschen Identitäten - nicht der AfD überlassen dürfe. Schon gar nicht jetzt, weniger als sechs Wochen vor der bayerischen Landtagswahl, wo die Umfragewerte für die bislang allein regierende CSU so niederschmetternd sind - zuletzt waren es 36 bis 37 Prozent.

Auch deshalb will sie in der Debatte über einen möglichen "Spurwechsel" auch nicht einknicken - obwohl die SPD, einige CDU-Fraktionskollegen und Wirtschaftsvertreter Druck machen. Die Unternehmer wollen ihre frisch angelernten neuen Mitarbeiter nicht verlieren. Bei der CSU-Klausurtagung auf Schloss Neuhardenberg warnen einige, das könnte dann so ausgehen wie damals vor Jahrzehnten nach der "Gastarbeiter"-Anwerbung: Wenn die Konjunktur einbricht, wären diese Neubürger dann wieder die Ersten, die arbeitslos würden.

Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU), Seehofers Nachfolger als Regierungschef, geht die Konkurrenz von rechts etwas anders an. Seine Botschaft ist: Hier, wo wir stehen, sind Stabilität, Rechtsstaat, das Konservativ-Bürgerliche, der wirtschaftliche Erfolg. Dort, in der AfD, tummeln sich Menschen wie Björn Höcke, vor denen man sich hüten sollte, weil da womöglich "auch ein anderer Plan dahinter steckt".

Seehofer hat bei seinem Kurzauftritt in Brandenburg klargemacht, dass er sich einen möglichen Absturz bei der Wahl in Bayern nicht in die Schuhe schieben lassen will. Er sagt, der Ausgang der Bayern-Wahl sei "die Messlatte für uns alle".
(Anne-Beatrice Clasmann, dpa)

Kommentare (1)

  1. Rhöner am 06.09.2018
    Die AfD braucht sich keine Gedanken über Ihre zukünftigen Wahlerfolge zu machen. Was eine Schande für Deutschland ist!
    Seehofer und Teile der CSU helfen dabei. Das hat er ja schon getan, als er noch Ministerpräsident in Bayern war.Damals haben er und Söder mit Ihren Äußerungen die Grundlagen für die AfD gelegt.
    Macht nur weiter so und Deutschland ist ganz weit rechts.
    - Aus der Geschichte scheinbar nichts gelernt -

    Die Politiker sollten sachlich und besonnen an die Probleme von Asyl und Migration herangehen, auch das Positive hervorheben und die Wege zur Beseitigung von Missständen in diesen Bereichen aufzeigen.

    Eine strikte Umsetzung unseres bestehenden Asylrechts reicht m. E. voll und ganz aus.
    Ein Einbürgerungsgesetz in Verbindung mit dem Asylrecht sollte schnellst möglich umgesetzt werden.
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