JA
Florian Herrmann (CSU), Leiter der Bayerischen Staatskanzlei
Russland hat die Ukraine überfallen und in den Krieg gezwungen. Seit zwei Jahren wehrt sich das Land tapfer gegen brutale russische Angriffe. Zuletzt hat sich die militärische Lage verschlechtert. Russland rückt vor, weil es viel mehr Waffen und Munition hat, weil Menschenleben nicht zählen. Um das Vorrücken in Richtung unserer eigenen Nato-Grenzen und eine Ausweitung des Krieges zu verhindern, müssen wir die Ukraine in die Lage versetzen, Munitionsdepots und Befehlsstände zu zerstören.
Genau das leisten in der Ukraine die von Frankreich und Großbritannien gelieferten Marschflugkörper, die jedoch bald zur Neige gehen. Und der deutsche Taurus. Er kann die Logistik der russischen Armee unterbrechen, große Munitionsvorräte zerstören und selbst gut geschützte Bunker in der Ukraine, von denen aus Russland seinen Krieg steuert, treffen. Genau deshalb will Russland um jeden Preis eine Lieferung verhindern, baut Drohkulissen auf und verbreitet Propaganda, die einschüchtern und uns Angst vor einer Taurus-Lieferung machen soll. Darauf kann es in einem souveränen Deutschland nur eine Antwort geben: weiter gemeinsam mit unseren westlichen Verbündeten der Ukraine die Waffen zu liefern, die sie zum Überleben braucht. Statt uns von Putin „rote Linien“ diktieren zu lassen, sollten wir deutlich machen: Wir bleiben an der Seite der Ukraine und unserer westlichen Partner. Alles andere ist Führungsversagen.
Wer den abgehörten Mitschnitt der Luftwaffen-Besprechung angehört hat, weiß: Der Kanzler sagt nicht die Wahrheit. Taurus kann natürlich, wie von Südkorea, auch von der Ukraine ohne deutsche Soldaten eingesetzt werden. Auch können Ziele etwa in Moskau technisch ausgeschlossen werden. Statt auf Fachleute zu hören und auf Kompromissvorschläge aus seinen eigenen Reihen, etwa für einen Ringtausch, einzugehen, bleibt Olaf Scholz bei seinem „Basta“. So zerstört er weiter Vertrauen bei unseren Verbündeten. Er ist, wie der langjährige britische Verteidigungsminister Wallace kürzlich sagte, „für die Sicherheit Europas der falsche Mann im falschen Job zur falschen Zeit“.
NEIN
Klaus Ernst, Mitglied des Bundestags (Bündnis Sahra Wagenknecht)
Deutschland sollte auf keinen Fall Taurus-Marschflugkörper an die Ukraine liefern. Hierbei handelt es sich um eine Waffe, mit der die Ukraine Russland weit im Hinterland angreifen könnte. Deutsche Politiker haben bereits gesagt, was sie wollen: den Angriff auch von Ministerien in Russland. Diese liegen in Moskau. Was wäre die Reaktion Russlands?
Die Lieferung dieser Waffen würde zu einer weiteren Eskalation führen, mit unabsehbaren Folgen. Vor dem Hintergrund der Enthüllungen der New York Times, denen zufolge die USA sich bereits Ende 2022 ernsthaft mit dem Szenario eines russischen Atomschlags befasst haben, wird deutlich, wie nahe wir vor dem Abgrund sind. Wir sollten jede weitere Eskalation unbedingt vermeiden. Biden selbst sprach davon, dass die Entwicklungen in der Ukraine den ersten möglichen Einsatz von Atomwaffen seit Hiroshima und Nagasaki bedeuten könnten – und es wurde eine militärische Reaktion auf dieses Szenario geplant. Durch die Lieferung von Taurus würde Deutschland noch tiefer in diesen Krieg involviert. Das Fabulieren über Bodentruppen und die Debatte um die angeblich notwendige Kriegstüchtigkeit Deutschlands zeigen die Absicht in der Nato, das Undenkbare denkbar zu machen.
Um sicherzustellen, dass mit dem Taurus keine russischen Ministerien oder dergleichen angegriffen werden, müssten deutsche Soldaten die Programmierung und den Abschuss der Raketen übernehmen – damit wären wir Kriegspartei. Sollte man den Ukrainern die Programmierung überlassen, gibt es keine Kontrolle, wohin sie abgefeuert werden. Dadurch könnten Produktionsstandorte ein mögliches Ziel für russische Angriffe sein. Und wir sind im Krieg. Das sind auch die Gründe, weshalb die USA ihr äquivalentes System zum Taurus nicht an die Ukraine liefern. Moralisch ist es, nicht nur auf die Gräuel des Krieges zu verweisen, sondern durch Verhandeln zu einem Ende des Grauens zu kommen. Der Papst hat recht.
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