Politik

Das Staatsangehörigkeitsrecht wurde im Juni 2024 reformiert. Nicht allen gefällt das. (Foto: dpa/Jens Kalaene)

09.11.2025

Vier von fünf Eingebürgerten behalten den alten Pass

Die Union war nie ein Fan der doppelten Staatsbürgerschaft – jetzt kommt die Kritik erneut hoch, denn der Doppelpass boomt

Mit der Abschaffung der „Turbo-Einbürgerung“ nach drei Jahren unter bestimmten Voraussetzungen schien die Debatte um das Staatsbürgerschaftsrecht in der schwarz-roten Bundesregierung eigentlich erledigt zu sein. Doch dann meldeten sich einige Unionsabgeordnete zu Wort, die verschärfte Regeln für Inhaberinnen und Inhaber einer doppelten Staatsbürgerschaft forderten.
Als Erster positionierte sich Stephan Mayer (CSU) in der Bild-Zeitung. Nach seiner Ansicht sollte „Gewalttätern, Schwerkriminellen, Verfassungsfeinden, Antisemiten und Deutschen-Hassern“ die deutsche Staatsbürgerschaft entzogen werden, wenn sie zwei Pässe haben. Im Weiteren stellte Mayer das System der doppelten Staatsbürgerschaft als solches infrage.


Die Zahl der Doppelstaatlerinnen und Doppelstaatler ist zuletzt deutlich gestiegen


Tatsache ist, dass die Zahl der Doppelstaatlerinnen und Doppelstaatler zuletzt deutlich gestiegen ist. Laut Statistischem Bundesamt gab es 2024 bundesweit knapp 292 000 Einbürgerungen – ein historischer Höchstwert. Vier von fünf Eingebürgerten behielten dabei ihren alten Pass.

Hauptursache dafür ist das von der SPD-geführten Ampel-Regierung reformierte Staatsbürgerschaftsrecht, wonach Eingebürgerte nicht mehr zwingend ihre bisherige Staatsangehörigkeit ablegen müssen. Das erleichterte vielen Zugewanderten den Schritt, sich um einen deutschen Pass zu bemühen.

Nach Angaben des bayerischen Innenministeriums leben in Bayern aktuell 1 285 000 Menschen mit zwei oder mehr Pässen, davon 1,2 Millionen als reine Doppelstaatler. Größte Gruppen sind EU-Bürger, Spätaussiedler aus Osteuropa sowie Personen mit türkischen Wurzeln und neuerdings Menschen aus Syrien und Afghanistan. Statistisch nicht erfasst wird bei Doppelstaatlern, ob es sich um Deutsche handelt, die durch Geburt oder aus anderen Gründen eine zweite Staatsbürgerschaft bekommen haben, oder um Ausländer, die durch Heirat mit einem oder einer Deutschen oder auf Antrag eingebürgert wurden.

Eigentlich verbietet der Artikel 16 des Grundgesetzes die Aberkennung der deutschen Staatsbürgerschaft, doch es gibt durchaus Ausnahmen


Eigentlich verbietet der Artikel 16 des Grundgesetzes die Aberkennung der deutschen Staatsbürgerschaft. Ausnahmen sind nur auf der Grundlage eines Gesetzes erlaubt, falls die betroffene Person dadurch nicht staatenlos wird. Auf Doppelstaatler träfe das nicht zu. In Bayern wurden von 2015 bis 2024 laut Innenministerium 344 deutsche Staatsbürgerschaften entzogen, zuletzt mit steigender Tendenz. 2024 betrug ihre Zahl 72.

Die Gründe für den Entzug werden statistisch nicht erfasst. Es gibt aber zwei Hauptursachen für den Verlust der Staatsbürgerschaft. So geht diese automatisch verloren, wenn die betroffene Person Wehrdienst in einer „fremden Streitkraft“ leistet. Darunter fallen alle Armeen mit Ausnahme der EU- und Nato-Staaten, sowie neun weiterer Länder von Island über Israel bis Neuseeland.

Die Aberkennung der Staatsbürgerschaft erfolgt außerdem automatisch, wenn sich eine Person an Kampfhandlungen einer terroristischen Vereinigung im Ausland beteiligt. Davon waren jüngst vor allem deutsche Doppelstaatler betroffen, die für den sogenannten Islamischen Staat (IS) gekämpft hatten. Als zweiten Grund für den Entzug einer erworbenen deutschen Staatsbürgerschaft nennt das Innenministerium deren rechtswidriges Erlangen durch arglistige Täuschung, Drohung, Bestechung oder vorsätzlich falsche Angaben beim Antrag auf Erteilung der Staatsbürgerschaft. In solchen Fällen der „erschlichenen Einbürgerung“ steht dem Entzug auch nicht entgegen, dass der oder die Betroffene staatenlos werden könnte.

Warum aber ist es eigentlich attraktiv, zwei oder mehr Staatsangehörigkeiten zu haben? Auf Internet-Beratungsportalen für Einbürgerungsinteressierte werden – neben dem Erhalt einer emotionalen Bindung zur alten Heimat – die Reisefreiheit im europäischen Schengen-Raum, die visafreie Einreise in zusätzliche Staaten und in das Ausstellerland des zweiten Passes sowie steuerliche Vorteile im Falle von Doppelbesteuerungsabkommen genannt. Dazu kommen die Arbeitserlaubnis und oft auch das Wahlrecht in beiden Staaten, sowie der Erwerb von Grundbesitz und der – unter bestimmten Umständen – problemlosere Zugang zu Sozialleistungen hier wie dort.

Es gibt aber auch Nachteile. So droht im Zweitstaat mitunter der Militärpflichtdienst. Ohne Doppelbesteuerungsabkommen kann der Fiskus zweimal zuschlagen.


Der Doppelpass hat nicht nur Vorteile – bei Erbfragen etwa


Es kann außerdem zu Problemen bei der Einreise in Staaten kommen, die doppelte Staatsbürgerschaften nicht anerkennen. Und schließlich ist wegen unterschiedlicher Rechtssysteme nicht selten Ärger in Erbschafts- oder Sorgerechtsfällen vorprogrammiert.

Aber zurück zur aktuellen Debatte um den Doppelpass. In einem Positionspapier der CDU heißt es, Doppelstaatlichkeit werfe Loyalitätsfragen auf und lasse am echten Bekenntnis zu Deutschland zweifeln. Zudem sieht die Union die Gefahr, dass über Doppelstaatler der politische Einfluss fremder Staaten in Deutschland wachsen könnte. Hinzu kommen die von Mayer thematisierten Hürden bei der Ausweisung Krimineller.

Die SPD erkennt den Wert der Doppelstaatlichkeit in einer höheren Integrationsbereitschaft und einem stärkeren Zugehörigkeitsgefühl von Zugewanderten. Sie sei eine Anerkennung der Realität, dass es in Deutschland immer mehr gemischtstaatliche Familien gebe, denen das Leben durch die Möglichkeit zur Doppelstaatlichkeit erleichtert werde. Es geht in der Debatte um die doppelte Staatsbürgerschaft also um Grundsätzliches. Fortsetzung folgt garantiert.
(Jürgen Umlauft)

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