Politik

Am 14. Oktober gibt's die Entscheidung: Schafft es eine der kleinen Parteien über die 5-Prozent-Hürde? (Foto: dpa)

07.09.2018

Was die Kleinen wollen

18 Parteien treten zur Landtagswahl in Bayern an – einige sind von der 5-Prozent-Hürde noch weit entfernt

Oft ist alles nur eine Frage der Perspektive. Die Bayernpartei (BP) ist seit Jahrzehnten weit entfernt vom Einzug in den Landtag, doch auf eines verweist Landeschef Florian Weber mit Stolz: „Bei der Landtagswahl 2013 waren wir die Größten unter den Kleinen.“ 2,1 Prozent der Stimmen holte die BP damals. Am 14. Oktober soll die Fünf-Prozent-Hürde endlich genommen werden. Weber hofft auf enttäuschte Wähler der CSU und auf national-konservative Bürger, denen die AfD zu weit rechtsaußen stehe. Markenkern der BP mit ihren gut 6000 Mitgliedern ist die „speziell bayerische Komponente“. Die BP will Tendenzen entgegenwirken, Kompetenzen in der Bildungspolitik an den Bund zu übertragen. Zudem plädiert sie für eine eigene bayerische Altersvorsorge oder eine echte bayerische Grenzpolizei, die unabhängig vom Bund agieren dürfe. Fernziel der BP bleibt ein eigenständiges Bayern in einem subsidiär organisierten Europa, außerdem ein Herauslösen des Freistaats aus der Bundesrepublik.

Auch die Linke hofft auf die Überwindung der 5-Prozent-Marke. Derzeit krebst die in Bayern 3300 Mitglieder starke Partei bei Werten um die 3 Prozent herum. Landeschef Ates Gürpinar gibt sich dennoch entspannt: „So viele Sorgen mache ich mir da nicht“, sagt der 33-jährige Medienwissenschaftler, der die Linke als Co-Spitzenkandidat zusammen mit der Bundestagsabgeordneten Eva Bulling-Schroeter in den Landtagswahlkampf führt. Er verweist darauf, dass sich in Umfragen zuletzt 15 Prozent der Befragten vorstellen könnten, in Bayern die Linke zu wählen, „vor allem junge Leute“. Kernthemen im Wahlkampf sind soziale Sicherheit, Wohnen und Pflege. Zur Pflege hat die Linke ein Volksbegehren initiiert, dessen Ziel 15 000 zusätzliche Pflegestellen in bayerischen Kliniken sind. Gürpinar findet es empörend, dass Deutschland Schlusslicht ist beim Pflegeschlüssel. Auf 13 Kranke komme hierzulande nur ein Pfleger. Um die Bürger anzusprechen setzt die Linke vor allem auf den Straßen- und Haustürwahlkampf, auch prominente Hilfe aus Berlin wird einfliegen: Sahra Wagenknecht und Gregor Gysi.

Gibt’s denn die Piraten überhaupt noch? Diese Frage kann Benjamin Wildenauer nicht mehr hören. Ihn hat die Piratenpartei Bayern etwas sehr optimistisch als Kandidaten für den Ministerpräsidenten aufgestellt. „Das soll die Botschaft transportieren: Wir wollen nicht mit der CSU koalieren“, erklärt der 33-Jährige, seit 2014 Stadtrat im unterfränkischen Bad Brückenau. Erster Punkt im Wahlprogramm: der Kampf gegen Massenüberwachung und Polizeiaufgabengesetz (PAG). Kernaussage der Piraten aber ist, dass die digitale Revolution alle Lebensbereiche umfasse. Ihre Forderung: Alle müssen davon profitieren. Dazu gehört für sie ein eigenes Ministerium für Daten- und Verbraucherschutz. Darüber, ob es die Piraten – sie sitzen in keinem Landtag mehr – ins Maximilianeum schaffen, macht sich Wildenauer keine Illusion. Zwei Prozent holte die 1200-Mitglieder-Partei bei der letzten Landtagswahl. Das ist auch das Ziel für den 14. Oktober.

Der Name soll Programm sein: Ganz schön mutig, als 400 Mitglieder starke Partei für den Landtag zu kandidieren. Gegründet wurde MUT (das Kürzel steht für mitbestimmen, umsteuern, teilen) von der früheren Grünen-Landtagsabgeordneten Claudia Stamm vor rund eineinhalb Jahren; Stamm sitzt derzeit als fraktionslose Abgeordnete im Landtag. Als Grund für die Parteigründung nannte Stamm damals den Rechtsruck in Politik und Gesellschaft. Und die in Stamms Augen fehlende Opposition dazu. Selbst die Grünen sind MUT zu sehr auf Kuschelkurs mit der CSU. Als wichtigstes Ziel nennt der zweite Vorsitzende und Soziologieprofessor Stephan Lessenich, die Wirtschaftsweise radikal zu verändern. „Wir leben auf Kosten anderer“, sagt er. Im Wahlkampf setzt MUT neben Infoständen oder Social-Media-Aktivitäten auf Stammtische und Podiumsdiskussionen. Sollte es mit dem Einzug in den Landtag nicht klappen, hofft MUT zumindest auf mehr Geld für die außerparlamentarische Arbeit. Die Parteienfinanzierung greift bereits bei einem Prozent.

Mit rund 4500 Mitgliedern und über 400 kommunalen Mandaten in Bayern gehört die Ökologisch-Demokratische Partei (ÖDP) zu den Großen unter den kleinen Parteien. Zwei Prozent hat sie in den vergangenen drei Landtagswahlen jeweils geholt, „doch diesmal ist alles möglich“, glaubt die 38-jährige Spitzenkandidatin Agnes Becker. Die Kreisrätin aus Wegscheid bei Passau hofft auf von der CSU genervte Wähler, die in der ÖDP die wertkonservative Alternative zur sprunghaften Söder-Partei sehen. Die will sie mit drei Kernforderungen überzeugen: Konzernspendenfreiheit für Parteien für eine unabhängige Politik. Stopp des Artensterbens – aktuell läuft das Volksbegehren „Rettet die Bienen“. Und das Recht auf eine analoge Kindheit. „Es braucht mehr Lehrer statt mehr Smartphones an Schulen“, sagt Becker.

Was für ein ehrenwertes Parteiprogramm. Die 2014 gegründeten Humanisten haben sich das Hochhalten des Guten, Schönen und Wahren auf die Fahnen geschrieben. Andreas Blaschke, 20 Jahre alt, Mitglied im Landesvorstand Bayern und einstiger FDP-Anhänger, betont, grundsätzlich gehe es den Humanisten darum, „ehrlich, transparent und ideologiefrei“ Politik zu machen. Inhaltlich setzt die Partei, die bundesweit 700, in Bayern 100 Mitglieder zählt, auf konsequenten Umweltschutz, gute Bildungschancen für alle, die Versöhnung von Ökologie und Ökonomie oder eine strikte Trennung von Kirche und Staat samt Abschaffung der Kirchensteuer. „Eine bessere Welt ist möglich“, schwärmt die Partei in einem Wahlkampfslogan. Blaschke wurde übrigens über den Wahl-O-Mat auf die Humanisten aufmerksam. Ebenso wie Landeschef Mirco Kramer (48) hofft er, dass weitere Wähler über den Wahl-O-Mat erreicht werden können. Daneben setzen die Humanisten auf Social Media – so könne man mit kleinem Budget viele Leute erreichen.
(AKA, JUM, LOH, TA)

Kommentare (16)

  1. Liz am 12.09.2018
    Eine Partei, die bereits im Europaparlament sitzt, sollte man durchaus erwähnen.
    Da stimme ich den Genossen vor mir zu.

    Die PARTEI
    Zwinkersmiley
  2. NiceGuyFromHell am 12.09.2018
    Also bitte...
    Nur, weil sich die CSU mittlerweile ebenfalls das Motto "Inhalte überwinden" auf die Fahne geschrieben hat, ist das kein Grund, das Original zu unterschlagen. Oder zählt Die PARTEI nicht zu den "Kleinen", weil sie im Europaparlament sitzt?
  3. Muddi am 11.09.2018
    Wie Die PARTEI fehlt? Kann ja wohl nicht wahr sein! Sie ist die einzig wahre und wählbare Partei in solch stürmischen Zeiten <3. Ein Hoch auf Die PARTEI!
  4. Horst Hofersee am 11.09.2018
    Dass Sie auf eine kleine Spaßpartei wie die FDP nicht extra eingehen, geschenkt.
    Aber die SPD und die Partei die PARTEI hätten Sie erwähnen müssen, auch wenn diese bei der Wahl voraussichtlich über die 5%-Hürde kommen werden.
  5. Joppel am 11.09.2018
    Ich hätte mir gewünscht, in diesem Artikel auch von der Partei Die PARTEI zu lesen, die wohl auch bei dieser Wahl den bisher vernünftigsten Wahlkampf betreibt.
  6. Steelrose am 10.09.2018
    Ich vermisse die radikale Mitte - repräsentiert durch die sehr gute Partei Die PARTEI.
  7. Jahsmin am 10.09.2018
    Vermisse die Partei die PARTEI d.h.Partei für Arbeit, Rechtsstaat, Tierschutz, Elitenförderung und basisdemokratische Initiative.
    Die Partei die PARTEI ist sehr gut und hat viele Mitglieder sogar in Österreich...soviel ich weiß auch prozentual mehr Mitglieder als die freien Wähler...warum wird diese Partei nicht erwähnt?
  8. Criz am 10.09.2018
    Und wo ist Die PARTEI bitte? -1 Stern für schlechten Journalismus.
  9. Klappt am 10.09.2018
    Eine Staatszeitung, welche in einem Artikel wie diesem einfach die sehr gute Partei Die PARTEI wegrecherchiert, ist nicht ernstzunehmen!1!11
  10. DocRob am 10.09.2018
    Dass die Partei Die PARTEI fehlt, ist schon ein starkes Stück. Wählt Die PARTEI - sie ist sehr gut!
  11. Mel aus R. am 10.09.2018
    Leider fehlt hier eine der aussichtsreicheren Parteien, wenn es um die Überwindung der 5%-Hürde geht: Die PARTEI, bis auf einen in allen Bayerischen Bezirken bei der Landtagswahl vertreten. Für Fragen Ihrerseits bzw ein Interview zum Zwecke eines Nachtrags stehen zahlreiche interessante Kandidatinnen und Kandidaten aus ganz Bayern zur Verfügung.
  12. Jazzman am 10.09.2018
    Warum fehlt in dieser Aufzählung de Partei Die PARTEI?

    Immerhin ist sie im Europäischen Parlament vertreten und hat bundesweit ca. 30.000 Mitglieder. Das sind mehr als Piraten und Freie Wähler zusammen.

    Zudem tritt sie in sechs der sieben Wahlkreise an.
  13. Jay B. am 10.09.2018
    Wenn eine von den kleineren Parteien eine Chance hat, dann Die PARTEI. Sie dürfte also auf keinen Fall in Ihrem Artikel fehlen.
  14. StraussFan77 am 10.09.2018
    Warum wird da DiePARTEI nicht aufgeführt? Die sind mittlerweile größer als die Freien Wähler! Sollten hier auftauchen ob man sie nun mag oder nicht (Ich persönlich mag die FDP nicht!!!)
  15. Der GRIMM am 10.09.2018
    Sie haben da leider eine oft unterschätzte Kraft vergessen: Die PARTEI. Die sitzt immerhin schon im Europaparlament und in einigen kommunalen Parlamenten - und hat erst kürzlich zumindest in Berlin in Umfragen erstmal die 5% geschafft. Mit der Die PARTEI ist zu rechnen, und sehr gute Politik machen sie auch - dort, wo man sie lässt.
    Schöne Grüße aus dem Norden!
  16. Max Hartl am 10.09.2018
    Schöne Aufzählung, aber als Vorsitzender des Bezirksverbands Oberpfalz frage ich mich, wieso die Partei Die PARTEI, welche auf Bundesebene die größte außerparlamentarische Oppositionspartei ist, und in allen Bezirken außer Unterbayern zur Landtagswahl zugelassen wurde, nicht aufgezählt wurde.
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