Unser Bayern

Ludwig von Ammon wird als ebenso penibel in der Arbeit wie humorvoll im Geselligen charakterisiert. Die Krankheit und seine Zurückgezogenheit sollen ihn im Alter allerdings zum Sonderling haben werden lassen. (Foto: Archiv des Deutschen Museums)

01.03.2024

Disziplinierter Wissenschaftler

Der Geologe und Paläontologe Ludwig von Ammon leistete wichtige Beiträge zur Kartierung Bayerns

Vor 101 Jahren, am 26. Juli 1922, verstarb der über Bayerns Grenzen hinaus geschätzte, aber heute in Vergessenheit geratene Oberbergdirektor und Geologieprofessor Ludwig von Ammon in seiner Münchner Wohnung Akademiestraße 13, die er seit 1896 bewohnte. Ein Schlaganfall hatte ihn 1912 ereilt, die einseitige Lähmung war nicht behandelbar; ein Rückzug aus seinem weit gespannten Arbeitsleben war unvermeidbar. Aber diszipliniert bis zu seinem Tod veröffentlichte er weiterhin seine wissenschaftlichen Erkenntnisse, was ihm seine umfangreiche Privatbibliothek ermöglichte. Umsorgt wurde er von seiner aus Hofheim stammenden Hausdame Babette Hümpfner. Ammons Grab auf dem Nordfriedhof in München, mit einem von ihm testamentarisch gewünschten Grabdenkmal, exis­tiert heute nicht mehr. Der Verstorbene schrieb in seinem Testament: „… Ich möchte in ein Grab kommen, das voraussichtlich einer längeren Reihe von Jahren (mindestens einige Jahrzehnte) von einer Umräumung verschont bleibt. Für Leichen- und Beerdigungskosten, namentlich aber zur Bestreitung eines würdigen und schönen Grabdenkmals soll aus meinem Kapitalnachlass die Summe von circa 40 000 M verwendet werden ...“ Die intensive Suche nach diesem Grabdenkmal, zumindest nach dem eingereichten Bauplan, verlief ohne Ergebnis.

In der Familiengenealogie der von Ammons ist die III. Linie, zu der Ludwig gehörte, mit ihm erloschen: Er war unverheiratet und hatte keine Nachkommen. Ammon ist der Name eines alten bayerischen (später auch sächsischen) Adelsgeschlechts, nicht zu verwechseln mit dem preußischen Adelsgeschlecht gleichen Namens. Geboren wurde Ludwig von Ammon 1850 in Gunzenhausen. Der Vater, der Bezirksgerichtsrat Friedrich Wilhelm August von Ammon, wurde um 1851/52 nach Regensburg versetzt. Seine Ehefrau Maria Sophia Zagelmaier aus Neudorf bei Pappenheim und der einzige Sohn Ludwig hatten in Regensburg nun ihre neue Heimat. Den Angaben des Stadtarchivs Regensburg zufolge kam 1852 ein weiterer Knabe zur Welt, der schon 1856 starb.

Ludwig besuchte bis zum Abitur das Königliche Lyzeum, das Königliche Gymnasium und die lateinische Schule in Regensburg. Bereits in diesen Jahren erwachte sein Interesse an den Naturwissenschaften. Zu den Sammlungen des Zoologisch-Mineralogischen Vereins Regensburg fühlte er sich besonders hingezogen. Er blieb dem Verein, später als Naturwissenschaftlicher Verein Regensburg bekannt, als Ehrenvorsitzender bis zu seinem Tod eng verbunden. Zahlreiche Aufsätze von ihm finden sich im Correspondenz-Blatt des Vereins.

Frühe Geologische Arbeiten

Zunächst studierte Ammon an der Technischen Hochschule München. 1872 bestand er die Prüfung für das Lehramt in den naturwissenschaftlichen Fächern an technischen Anstalten. Aus dieser Zeit gingen viele Arbeiten über die geologischen Verhältnisse der engen und weiteren Umgebung Regensburgs hervor. In der Chronik der Ludwig-Maximilians-Universität München für das Jahr 1873/74 findet sich folgender Bericht:
„II. Section: Die II. Section der philosophischen Facultät hatte im vergangenen Jahre für die Preisbewerbung eine ,Geologische und paläontologische Untersuchung der Jura-Ablagerungen zwischen Regensburg und Passau‘ verlangt. Die einzige, rechtzeitig eingelaufene Bearbeitung dieses Themas mit dem Motto ,Habt ihr umsonst, Sterne, mich nun an der Vorwelt Reste geführt? Lehrt mich größere Schritte, lehrt mich einen gewaltigen Gang!‘ hat die lithologischestratographische (lithologischestratographische: lithologisch-strati- graphische = in Bezug auf Gestein [Lithos] und Gesteinsschichten [Strata, Stratigraphie]) Seite der Frage in befriedigender Weise beantwortet und insbesondere an der sorgfältigen Durchführung des paläontologischen Theiles ein gutes Zeugnis von des Verfassers gründlichem und umfassendem Wissen und dessen kritischer Schärfe in der Beurtheilung der verschiedenen Arten organischer Ueberreste, sowie ihrer Bedeutung für den Nachweis der alten Fauengebiete [Faunengebiete: = Gebiete mit Tier-Vorkommen] abgelegt. Es darf daher die vorliegende Arbeit trotz einiger stilistischen Schwächen, die ihr anhaften, als eine sehr befriedigende Lösung der gestellten Preisaufgabe angesehen werden und erkennt ihr dementsprechend die Section einstimmig den Preis zu. Der Name des Verfassers ist: Ludwig von Ammon, Cand. d. Naturw. aus Regensburg. [sic]“

Schon an dieser Arbeit zeigte sich die ungewöhnlich exakte Arbeitsweise Ammons.

Ein weiterer seiner Studienorte wurde Berlin. Dort entstanden viele Freundschaften; später sollten in München weitere gute Verbindungen mit Freunden aus dem In- und Ausland geknüpft werden. Sein Fotoalbum aus jenen Jahren, gefüllt auch mit zahlreichen Familienbildern sowie Fotografien von Studienfreunden, hat sich bei den Nachkommen der Familie G. H. Bergér erhalten. So begegnet man darin etwa dem Geologen, Paläontologen und Mineralogen Carl Gottsche (1855 bis 1909). In München pflegte Ammon engen Kontakt zu dem Geologen und Paläontologen Johannes Walther (1860 bis 1937), im Jahr 1924 Präsident der Leopoldina Halle. Und auch mit dem schwedischen Pflanzenbiologen Ernst Ljungström (1854 bis 1943) bestand ein kollegialer Austausch. Eine Aufnahme im Album zeigt auch Felix Semon (1849 bis 1921), Professor der Medizin und Leibarzt von König Edward VII. Er war einer der bedeutendsten Laryngologen (Spezialist für Kehlkopfleiden); von seinen wissenschaftlichen Arbeiten sind besonders seine Beiträge zur Neurologie des Kehlkopfs zu nennen.

Nach Berlin zog es Ludwig von Ammon zum Studium nach Würzburg. Der dortige Hochschullehrer, der Geologe, Paläontologe und Mineraloge Carl Ludwig Fridolin Ritter von Sandberger, erkannte Ammons Fähigkeiten, förderte ihn und stellte eine Verbindung zu dem bayerischen Professor für Geo­logie an der Technischen Hochschule München her, zu Carl Wilhelm Ritter von Gümbel, königlicher Geheimer Rath, Oberbergdirektor und Vorstand des königlichen Oberbergamts. Die Karriere Ammons nahm ihren Anfang: Er war durch seine gewählten Studienfächer Mineralogie, Pe-trografie, Paläontologie und Geologie für die wissenschaftliche Arbeitswelt bestens vorbereitet.

Anlässlich der Hundertjahrfeier des Bayerischen Geologischen Landesamts München im September 1950 blickte der Geologe Heinrich-Paul Arndt zurück auf die Geschichte dieser Institution. Seiner Festrede, 1951 in der Zeitschrift Geologica Bavarica erschienen, sind die folgenden geschichtlichen Entwicklungen entnommen:
„Als im Jahre 1869 das Bayerische Oberbergamt errichtet und die bisherige ,Geognostische Landesuntersuchung‘ des Königreichs Bayern dem Oberbergamt als ,Geognostische Abteilung‘ unterstellt wurde, betraute man mit der Leitung dieser Abteilung den Oberbergrat Carl Wilhelm von Gümbel. Im Jahre 1879 wird v. Gümbel, nunmehr Oberbergdirektor, Vorstand des Bayerischen Oberbergamtes, behält aber daneben die Leitung der Geognostischen Abteilung bei. V. Gümbel’s Nachfolger in der Leitung der geologischen Landesuntersuchung wird sein langjähriger Mitarbeiter Ludwig v. Ammons ein gebürtiger Regensburger [sic], dessen Liebe zur Geologie wie zur Paläontologie in seinen zahlreichen Veröffentlichungen zum Ausdruck kommt. Ludwig v. Ammon setzt vor allem die Kartierung der Rheinpfalz im Maßstab 1:100 000 fort. So konnte bereits fünf Jahre nach v. Gümbels Tod, 1903, das Blatt Zweibrücken erscheinen, nach weiteren 7 Jahren, 1910, das schon unter v. Gümbel begonnene Blatt Kusel.  […] In die Zeit der Amtsführung v. Ammon fällt bereits der Beginn der geologischen Kartenaufnahme im Maßstab 1:25 000, wie sie bereits schon seit Jahren von anderen deutschen geologischen Landesanstalten durchgeführt wurde. Sie konnte in Bayern aber erst so spät anlaufen, da moderne topographische Karten nicht eher zur Verfügung standen. So begannen die Spezialaufnahmen, der Herausgabe der modernen topographischen Positionsblätter folgend, zuerst in der Rhön und in Oberbayern [...].“

Gümbels Arbeit fortgeführt

Zu Ammons weiteren Aufgabengebieten zählten unter anderem die Untersuchungen der Juraformation um Regensburg, anschließend, im Jahr 1880, die geologische Aufnahme der Pfalz. Zu den wohl wichtigen Ergebnissen seiner Arbeit gehört hier auf jeden Fall die geologische Beschreibung und Kartierung Bayerns in Fortführung von Gümbels Arbeit, die durch dessen Tod unvollendet geblieben war. Daneben war Ammon immer wieder als Gutachter für verschiedene Behörden tätig, unter anderem bei der Ermittlung nutzbarer Lagerstätten von Bodenschätzen oder bei der Ermittlung der Inhaltsstoffe von Heilquellen.

Erwähnenswert ist auch die enge Freundschaft mit dem Apotheker, Mineralogen und Heimatkundler Albert Schmidt (1849 bis 1918) aus Wunsiedel, auf dessen Anregung hin einst das Fichtelgebirgsmuseum gegründet wurde. Der naturwissenschaftliche, historische und topografische Blick sowie der Zusammenhang mit dieser Bergkette im Nordosten Bayerns sollten der Öffentlichkeit nahegebracht werden. Viel Aufbauarbeit aus sehr bescheidenen Anfängen war nötig, bis 1910 die Einweihung eines Museumssaals durch Prinz Leopold, Sohn des Prinzregenten Luitpold, stattfand. Für Albert Schmidt und Ludwig von Ammon war der wissenschaftliche Austausch Freude und Ansporn zugleich – auch die Frage der Radio­aktivität im Fichtelgebirge gehörte mit zu ihren Themenkreisen. Intensiv beschäftigte sich Ammon mit radioaktiven Nachweisen im Zusammenhang mit seinen geologischen Forschungen ... (Eva Reineke) 
Eva Reineke, langjährige Mitarbeiterin in der Bibliothek des Deutschen Museums, München, verstarb kurz vor Veröffentlichung dieser Ausgabe von UNSER BAYERN. Eva Reineke wirkte an zahlreichen Ausstellungen mit. Zudem engagierte sie sich bei der Inventarisierung der Kunst- und Kulturgüter von Kloster Benediktbeuern.

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Abbildung: In einer Karte stellte Ammon übersichtlich radioaktive Vorkommnisse in Ostbayern dar. Die Illustration begleitete seine Abhandlung zu dem Thema in den Geognostischen Jahresheften 1910. (Foto: Bibliothek des Deutschen Museums)

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