König Ludwig I. war ein großer Freund Italiens und seiner antiken Kultur. Der Wittelsbacher (1786 bis 1868) besaß in Rom sogar eine eigene Villa, die er auf seinen zahlreichen Reisen immer wieder aufsuchte. Insgesamt 19 Mal war er in der „Ewigen Stadt“. Bei dreien seiner Italienreisen begleitete ihn Johann Nepomuk Ringseis (1785 bis 1880) als Reisearzt. Ringseis hat die Fahrten mit dem Kronprinzen in seiner vierbändigen Autobiografie ausführlich beschrieben.
Der Wirtssohn aus dem oberpfälzischen Schwarzhofen hatte sich erst wenige Jahre nach dem Abschluss des Medizinstudiums in Landshut in der Residenzstadt niedergelassen und eröffnete im Sommer 1816 in München seine Praxis. Staatsrat Egid von Kobell, der angesehene Generalsekretär von Max I. Joseph, empfahl dem König den jungen Mediziner als ärztlichen Begleiter seines Sohnes für die im Herbst 1817 anstehende Italienreise. Danach sollte Ringseis den Kronprinzen noch bei zwei weiteren Fahrten begleiten: 1821/22 und 1823/24. Gemeinsame Reiseerlebnisse, wie etwa die gefahrvolle Besteigung des Vesuvs wenige Wochen nach einem Ausbruch, ihre Begeisterung für die Kunst und ihr Hass auf den „Tyrannen“ Napoleon brachten die beiden nahezu gleichaltrigen Persönlichkeiten in eine freundschaftliche Beziehung zueinander, die ein Leben lang hielt.
Ludwig schätzte auch als König den Rat des Oberpfälzers, der schon dem Kronprinzen unverblümt und ohne Schmeichelei seine Meinung sagte. Unmittelbar nach seiner Thronbesteigung (1825) veranlasste Ludwig I. 1826 die Verlegung der Universität von Landshut nach München – Pläne dazu gab es zwar schon länger, Ringseis beeinflusste sie aber aktuell. Ohne sein Zutun erfolgte auch keine Besetzung der Lehrstühle am neuen Universitätsstandort, wo er selbst Professor der Medizinischen Fakultät wurde.
Im Juni 1823 informierte Noch-Kronprinz Ludwig seinen Vertrauten Ringseis, dass er für den Herbst des gleichen Jahres eine erneute Italienreise plane und ihn als Begleiter wünsche. Die Abfahrt zu Ringseis‘ dritter Italienreise erfolgte am 18. Oktober 1823. Im Jahr zuvor hatte er geheiratet. Seine Ehefrau Friederike von Hartmann war für Ludwig keine Unbekannte. Er hatte sie einst in Salzburg kennengelernt und ihr zeitweise sogar den Hof gemacht. Zur gleichen Zeit wie der Kronprinz und ihr Mann begab sich auch Friederike zusammen mit einer Gesellschaftsdame und dem Maler Heinrich Heß auf den Weg nach Italien und erreichte Rom fast drei Wochen nach der ersten Reisegesellschaft.
Hoffen auf Vorsprechen beim Papst
In Rom traf sich Ringseis mit Christian Brentano, dem Bruder der Schriftstellergeschwister Clemens Brentano und Sophie von La Roche; auch Christian wirkte schriftstellerisch – im katholisch-geistlichen Metier. Ringseis hatte er schon früher kennengelernt, durch ihn war er zum streng dogmatischen Katholiken geworden. Ringseis schreibt in seinen Erinnerungen, dass das Collegium Germanicum in Rom seit den Tagen der französischen Invasion in Italien (1797 beziehungsweise 1800) vonseiten der Deutschen, für die die Stiftung vom heiligen Ignatius eigentlich gegründet worden war, nicht mehr genützt wurde. Brentano regte nun an, Ringseis solle doch veranlassen, dass der Kronprinz beim Papst beziehungsweise dessen Staatssekretär Ercole Consalvi die Angelegenheit ansprechen möge. Brentano erwartete sich durch die Ausbildung deutscher Geistlicher in Rom wieder ein engeres Verhältnis zur römischen Kirche. Durch Ludwigs Vermittlung wurden in Zukunft tatsächlich wieder deutsche Bewerber im Germanicum aufgenommen. Einer der ersten Absolventen war der nachmalige Kardinal August Graf von Reisach, der spätere Bischof von Eichstätt und Erzbischof von München-Freising. Viele weitere deutsche geistliche Würdenträger („Römer“) sollten in der Folge im Germanicum in Rom ihre Laufbahn beginnen.
Frau Ringseis trifft in Rom ein
Ringseis freute sich auf die Ankunft seiner Gattin Friederike Ludovika, die er Friedel nannte. Am Abend des 14. November 1823, ihrem 32. Geburtstag, erreichte sie Rom und Ringseis fuhr ihr bis zur Porta del Popolo entgegen. Er hatte für sei eine kleine Wohnung auf dem Monte Caprino mit Blick über Rom gefunden. Kurz nach ihrem Eintreffen begrüßten auch Ludwigs Privatarchitekt Leo von Klenze und der Hofmarschall Gumppenberg, die zu jener Zeit dort ebenfalls weilten, die Reisende, am Tag darauf machte sie dem Kronprinzen ihre Aufwartung.
Bis zur vorgesehenen Abreise nach Palermo hatte Ringseis genügend Zeit, seiner Frau die Stadt zu zeigen und sie vielen seiner römischen Bekannten vorzustellen. Natürlich gehörte zum Aufenthalt in Rom ein Besuch in der spanischen Weinstube des Don Raffaele de Anglada, wo unter dem üblichen Genuss von Sardellen, Oliven und spanischem Pfeffer eine feierliche Weinprobe angesagt war. Dazu gab es ein Frühstück bei Klenze und der Kronprinz lud die Damen zum Essen.
Während Ringseis mit Ludwig nach Palermo weiterreiste, kümmerten sich die in Rom ansässigen deutschen Maler und deren Ehefrauen wie etwa die Overbecks, die Catels und die Veits um die zurückgebliebenen Damen. Auch die Maler Glink, Heß, Schnorr und sogar der berühmte Thorvaldsen ließen es sich nicht nehmen, den Frauen die Ewige Stadt zu zeigen. Dazu kamen regelmäßige Treffen mit verschiedenen Gesandten an den Gesellschaftsabenden beim preußischen Vertreter Bunsen. Die kunstinteressierte Friederike wurde überall hofiert und sie genoss den Aufenthalt in Rom. Derweil reisten über Neapel der Kronprinz und seine Begleiter noch im Dezember nach Palermo. Natürlich waren ihnen die neuen Ausgrabungen von Pompeji einen Besuch wert. Während der Reise pflegte Ringseis seine Mineraliensammlung. An seine Frau in Rom, zu der er engen Briefkontakt hielt, schrieb er: „Aus Sizilien allein müssen für mich wenigstens vier Kisten Mineralien nach München abgehen, noch eine große aus Neapel und eine aus Rom.“ Nicht ohne ironischen Unterton vermerkt er dazu: „Das wird meinem Friedel rechte Freude machen.“ Seine Frau war nämlich von der intensiven Sammeltätigkeit ihres Gatten alles andere als begeistert.
Klenze will sterben
Am 6. Februar geriet das Schiff bei starken Nordwinden in einen heftigen Sturm. Die meisten Passagiere wurden seekrank, Klenze traf es besonders hart. Er rief ständig nur: „Ach, kann ich denn nicht sterben?“ Klenze und Ringseis mochten sich nicht besonders. Ihre Ansichten über Kunst und Architektur gingen weit auseinander und führten zu heftigen Diskussionen, nicht selten in Anwesenheit Ludwigs, der sich darüber sehr amüsierte. Ringseis, dem die raue See nichts anhaben konnte, fand trotz des Sturmes sogar noch Zeit, Klenze in der Nachbarkoje zu ärgern: Als dieser nämlich seine Luke öffnen wollte, um frische Luft zu bekommen, stieß sie ihm Ringseis von seiner Nachbarluke aus mit einem Schilfrohr immer wieder zu. Klenze fluchte, Ringseis aber bog sich vor Lachen über diesen Spaß. Als Klenze den Spuk bemerkte, wetterte er über den „Bösewicht“ in der Nachbarkabine. Ringseis: „Aber den Tod, glaub ich, hat er sich nicht mehr gewünscht!“
Als am 10. Februar das Schiff endlich wieder in Neapel einlaufen konnte, kam Ringseis auf einem der Kähne, die dem Schiff entgegenfuhren, seine Friedel entgegen. Allerdings wurden die folgenden Karnevalstage in Neapel und Rom bei dieser Fahrt nicht im gleichen Maß genossen wie bei den beiden Reisen zuvor. Es nahten bereits die Tage der Abreise. Während Friederike und ihre Begleitung nach Florenz vorausreisten, fuhr der Kronprinz mit seiner männlichen Begleitung zur Villa Colombella bei Perugia, um mehrere Tage bei der schönen Marianna Marchesa Florenzi zu verbringen, in die sich Ludwig beim Karneval des Jahres 1821 heftig verliebt hatte. Ringseis spricht vom „Huldigungsfeuer des Kronprinzen“ für die Marchesa, das „in hellen Flammen stand“. Ringseis nahm seinen Bericht über die Reise zur Marchesa zum Anlass, sich kritisch über die „schwärmerischen Leidenschaften“ seines hohen Herrn, das „gefährliche Spielen und Schwelgen eines schönheitstrunkenen Sinnes“, auszulassen. Ansonsten tolerierte Ringseis in der Regel die Verliebtheit des Kronprinzen und überging sie in seinen Erinnerungen mit Schweigen. Doch in diesem Fall ging Ludwig offenbar zu weit und die Freundschaft der beiden drohte fast zu zerbrechen.
Aber nicht nur der Kronprinz, auch Klenze war von der Schönheit der Marchesa beeindruckt: „Ich gestehe, dass ich von dieser wahrhaft himmlischen Schönheit ganz ergriffen stehen blieb und nun plötzlich ein Verhältnis mir klar ward, von welchem ich bis jetzt auch nicht die kleinste Ahnung gehabt hatte […] Augenscheinlich wuchs aber diese Liebe täglich bis zu einem wahrhaft erschreckenden Grade und absorbierte für den Augenblick jedes andere Gefühl, jeden Pulsschlag und Atemzug.“
Die Verehrung des Kronprinzen für die Marchesa Florenzi war in Rom Tagesgespräch, zumal Ludwig mit der Marchesa öffentlich auf dem Corso spazieren fuhr. Ringseis hatte im Vorfeld der Reise zur Marchesa noch in Palermo dem Kronprinzen schriftlich ein „Warnungswort“ in Sachen Marchesa Florenzi zukommen lassen. Ludwig reagierte „ungnädig“. Darin ist wohl auch der Grund für Ludwigs Abreise aus Neapel ohne Ringseis zu sehen. Und in Rom wurde dem Geschassten über Baron Gumppenberg beschieden, dass er auch nicht mehr an Ludwigs Tisch erwünscht sei. Gegenüber Klenze stichelte der Kronprinz gegen Ringseis: „Kommen Sie, Klenze! Diese Doktoren – Tod; Künstler – Leben!“ ... (Alfred Wolfsteiner)
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Abbildung:
Ludwig ließ die Marchesa Marianna Florenzi für seine Schönheitengalerie in Nymphenburg malen. Seine schwärmerische Liebe zur schönen Marchesa begann im römischen Fasching des Jahres 1821. Als Ludwig auf der dritten Reise nach Italien allerdings zu offensichtlich die attraktive, verheiratete Adlige umwarb, trat Ringseis auf den Plan und kritisierte den Kronprinzen. Die Freundschaft der beiden war dadurch – zumindest zeitweilig – belastet. Auch nach seiner letzten Italienreise blieb Ludwig mit der Marchesa in engem Briefkontakt. Mehrere Tausend Briefe geben Zeugnis von ihrer Beziehung, erhalten sind allerdings nur die Schreiben der Marchesa. (Foto: Wikipedia)
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