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Von Bamberg kommend hat man einen weiten Ausblick über das Tal der Mittleren und Rauhen Ebrach, mit dem Sendemast auf dem Sommerrangen am Horizont. Der Ortskern von Burgebrach liegt zwischen dem Mühlbach und der Mittelebrach. (Foto: Andreas Reuß)

10.11.2023

Harmonie in der Vielfalt

Burgebrach im Steigerwald feiert sein 1000-jähriges Bestehen und praktiziert eine Art kommunalen Föderalismus

Der Historiker Sebastian Haffner führte das Aufkommen des Nationalsozialismus in den 1920er-Jahren darauf zurück, dass „die große Gefahr des Lebens in Deutschland“ immer geheißen habe: „Leere und Langeweile. (Ausgenommen vielleicht in gewissen geographischen Randgebieten: Bayern, Rheinland – wo etwas Süden, Romantik und Humor ins Bild kommen.)“

Wenn Haffner Franken und damit den Steigerwald in diesem Sinne zu Bayern rechnet, kann man ihn nur bestätigen. Denn Leere und Langeweile lassen etwa die Bewohner der Marktgemeinde Burgebrach im Landkreis Bamberg, die mehr oder weniger zu diesem Mittelgebirge gehört und 2023 ihr 1000-jähriges Jubiläum feierte, nicht aufkommen. Das stellen allein die sage und schreibe 70 Vereine und Verbände in dem Gemeinwesen mit über 7000 Einwohnerinnen und Einwohnern in 27 Ortsteilen unter Beweis.

Der Humor und das damit verbundene Feiern ist nach dem Ersten Weltkrieg, im Krisenjahr 1923, sogar aktenkundig geworden. Da berichtete der Vorstand des Bezirksamts Bamberg II nach Bayreuth über die Lage in Burgebrach: „Gelegentlich der diesjährigen Sonnwendfeier musste ich die betrübende Wahrnehmung machen, dass weite Volkskreise, die staatstreu gesinnten Vereine und Verbände nicht ausgenommen, für das gegenwärtige wirtschaftliche Elend absolut kein Verständnis zeigen und sich in kostspieligen Festlichkeiten gar nicht genug tun können.“ Soweit nach einem Aufsatz von Sven Pflefka.

Extremistische und zersetzende Ansichten scheinen es in dieser Gegend allgemein nicht leicht zu haben, wie man an dem amtierenden Bürgermeister Johannes Maciejonczyk (CSU) und seiner First Lady Monika Riemer-Maciejonczyk erkennen kann: Fachkenntnis, Bildung, Bürgernähe und die schon genannte humorvolle Fröhlichkeit, die beide ausstrahlen, lassen weder Leere noch Langeweile aufkommen. Man ist aktiv, feiert irgendwie südländisch und fördert damit die Einigkeit, den Zusammenhalt.

Die Vielfalt der Einzelteile wird weder in der Verwaltung noch sonst irgendwo geleugnet. Alle Ortschaften haben ihre interessanten kulturgeschichtlichen Eigenheiten, von Bräuchen über Baudenkmäler bis hin zu Brauereigaststätten. Bei Letzteren genießt die Mönchsambacher überregionalen Kultstatus. Man kann fast sagen: Es herrscht eine Art Föderalismus im Kleinststaat Burgebrach, und die Gemeindeteile besitzen bis zu einem gewissen Grad die Kulturhoheit.
Das scheint die Idee von Burgebrach zu sein: Harmonie in der Vielfalt am Rande eines altumgrenzten Bezirks. Denn alles begann vor langer Zeit mit der Beschreibung einer Grenze. In einer Urkunde aus dem Jahre 1023 ließ kein Geringerer als der deutsche Kaiser selbst, nämlich Heinrich II., den Umriss des Wildbanngebiets im Steigerwald aufschreiben und schenkte das entsprechende Jagdrecht über das Hochwild – etwa Hirsche, Damwild oder Wildschweine – dem Bischof von Würzburg, dem Herrscher im westlichen Nachbargebiet. Er sollte befriedet werden, weil ihm durch die Gründung des Bistums Bamberg 1007 Gebiete beziehungsweise Rechte verloren gegangen waren. In dieser Urkunde wird Burgebrach erstmals schriftlich erwähnt.

Wer lieber auf die digitalen Anzeigen von Computern beziehungsweise Handys schaut, kann vielleicht nicht nachvollziehen, was es für einen fast beglückenden Genuss bedeutet, diese altehrwürdigen, ursprünglich handgeschriebenen und gesiegelten Urkunden zumindest im Druck zu betrachten. Dafür ist das Jubiläumsbuch 1000 Jahre Burgebrach 1023–2023, das auch den zitierten Aufsatz von Pflefka enthält, besonders zu empfehlen. Es fällt noch aus einem anderen Grund aus dem Rahmen der sonst üblichen Ortschroniken: Glänzend geschriebene wissenschaftliche, aber gut verständliche Beiträge von hochklassigen, überregional bedeutenden Fachleuten sind darin zu lesen, die sich mit größeren Zusammenhängen und Einzelheiten aus Geschichte und Gegenwart Burgebrachs eingehend auseinandergesetzt haben.

Sehr anschaulich, mithilfe historischer und aktueller Karten, Fotos und Pläne zeigt etwa Thomas Gunzelmann die Entwicklung der historischen Kulturlandschaft von Burgebrach und Teilen der Umgebung. Wichtig ist dabei die Tatsache, dass diese inzwischen vom Menschen geprägte Region vom späten Mittelalter bis ins 19. Jahrhundert hinein weitgehend unverändert geblieben ist. Darstellungen und materielle Zeugnisse dieses Zustands von vor etwa 200 Jahren sind noch vorhanden. Freilich sind aus dieser Zeit im Bereich von Burgebrach selbst nur noch ganz wenige Reste anzutreffen, zum Beispiel einzelne Terrassenackersysteme oder Altstraßentrassen.

Im weiteren Umgriff vom Zentralort der Marktgemeinde hat der Laie noch öfter den Eindruck, dass man sich die historische Kulturlandschaft vorstellen könne, zum Beispiel beim Blick von Ampferbach aus in Richtung Bamberg: Bis zum Horizont, wo das Juragebirge ansteigt, stört in der warmen Jahreszeit, in der die Bäume belaubt sind, fast keine moderne Infrastruktur den nostalgischen Blick.

Ähnlich verhält es sich mit den Wäldern. Wenn man weiß, dass über die lang  gezogenen Bergrücken seit dem Mittelalter oder in noch früheren Zeiten die sogenannten Hochstraßen liefen, kann man sich auf den als Wanderwege markierten Strecken gut in die alten Strukturen der inzwischen bewaldeten Gebiete hineinversetzen. An den Seiten kommen noch alte Hohlwege herauf, manchmal gesäumt von Eingängen in tief hinabstoßende Bierkeller, in denen nach Gunzelmann „auch Most, Kartoffeln und Futterrüben bei einer gering schwankenden Temperatur um 8° Celsius gelagert wurden“. In Notzeiten gab es Einbrüche und Plünderungen dieser Vorratshaltungen.

Gerade am Sandstein, der die Kellereingänge umkleidet, wird auch der geologische Untergrund, welcher die Burgebracher Gegend zum Teil prägt, augenfällig. Freilich sollten die malerisch verfallenden und überwucherten „Kellerberge“ nicht davon ablenken, dass alle Reste der historischen Kulturlandschaft des Schutzes und der Pflege bedürfen.

Bezüglich Verkehrswege sei ergänzt, dass nach heutigem Empfinden die ehemalige, nun idyllische Eisenbahntrasse genauso in das überkommene Landschaftsbild passt wie die möglicherweise vor- oder frühgeschichtlichen Hochstraßen. Die Bahnlinie kam von Bamberg über Frensdorf, von stilvollen Bahnhofsgebäuden begleitet. Inzwischen nutzen sehr viele Menschen die als Radwanderweg ausgebaute Strecke für Fahrten durch den ganzen Steigerwald und darüber hinaus. Den historischen Zusammenklang von Natur und Kultur kann man gut nachvollziehen, wenn man ... (Andreas Reuß)

Lesen Sie den vollständigen, reich bebilderten Beitrag in der Ausgabe November/Dezember 2023 des BSZ-Online-Magazins UNSER BAYERN. Sie können die komplette, 40-seitige Ausgabe downloaden unter www.bayerische-staatszeitung.deFür BSZ-Abonnenten ist dieser Service kostenlos, sonst 3 Euro pro Ausgabe. 

Abbildungen:
Die mehrbogige Cles- oder Nikolaibrücke aus Sandstein über die Rauhe Ebrach und das begleitende Feuchtgebiet zwischen Grasmannsdorf und Burgebrach schmücken sieben Heiligenfiguren aus der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts. Im Bild Kaiser Heinrich II. Hält er vielleicht neben der Weltkugel die Urkunde in der Hand, in welcher er Burgebrach 1023 erstmals schriftlich erwähnen ließ? (Foto: Andreas Reuß)

Am nördlichen Ortsausgang des Weilers Failshof setzt das Bildhäuschen Sankt Wendelin mit Zeltdach aus der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts einen sakralen Akzent in der bäuerlich geprägten Kulturlandschaft. (Foto: Andreas Reuß)

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