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Frischholz bediente unter anderem die Bayerische Akademie der Wissenschaften mit Material – die konkreten Stücke lassen sich aber nicht mehr identifizieren. Vielleicht war es ein vergleichbares Stück zu dem hier abgebildeten Coelestin aus dem Gebiet der Seiser Alm, das der Sammler den Akademiemitgliedern Adolph Ferdinand Gehlen und Joseph von Petzl für ihre Forschungen überließ. Aus Unterlagen weiß man, dass er den beiden Coelestin aus dem Grödner Tal, ebenfalls in den Dolomiten, zur Verfügung stellte. (Foto: LfU/Georg Loth)

01.03.2024

Steinreich ohne Geld

Als einer der ersten Mineralienhändler Bayerns bediente Jakob Frischholz Forscher und Laien mit Sinn fürs Besondere

"Gott schläft in den Mineralien, erwacht in Pflanzen, geht in Tieren und denkt in Menschen.“ Was der englische Agrarwissenschaftler Arthur Young (1741 bis 1820) so poetisch auf einen Nenner brachte, war zu seiner Zeit eigentlich schon überholt: Mineralien waren kein Stoff mehr, in dem Gott gesucht wurde, und lässt man alchemistischen Budenzauber beiseite, waren sie vielmehr Gegenstand von naturwissenschaftlicher Forschung. Und das schon allein aus ganz profanen, ökonomischen Gründen: nämlich des Bergbaus und der Ausbeutung von Erdschätzen wegen. Natürlich ging es manchem bei der Betrachtung von Mineralien sicher auch um deren Ästhetik und wie man sie unter diesem Gesichtspunkt nutzen konnte. Die wissenschaftliche Neugier, der Reiz erdgeschichtlicher Raritäten ebenso wie die Freude am schönen Schein mögen gleichermaßen Mineraliensammler beflügelt haben, Kollektionen aufzubauen. Das fußte freilich schon in den legendären fürstlichen Wunderkammern der Renaissance, wurde eifrig auch in Universitäten sowie Klöstern und zunehmend von Privatleuten als Hobby betrieben. Im Laufe des 18. Jahrhunderts war die Nachfrage nach Material so groß, dass sich eine neue Profession etablierte: die des Mineralienhändlers.

Einer der ersten professionellen Mineralienhändler im Königreich Bayern war Jakob Frischholz (1778 bis 1820). Er wird wohl schon eine Weile auf diesem Gebiet zugange gewesen sein, als er 1808 mit einer Anzeige in der Münchener Politischen Zeitung auf sein Angebot aufmerksam machte. Das Inserat ist jedenfalls der erste dokumentierte Nachweis, dass er als Mineralienhändler arbeitete. Zu seiner Kundschaft gehörten Privatleute ebenso wie Forscher und Universitäten, und er lieferte nicht nur wissenschaftlich interessantes Material, sondern bediente auch die Freunde des schön geschliffenen Steines: Er erhielt die Konzession für den Handel ebenso wie für die Steinschleiferei, ja, er veröffentlichte auch dazu ein Handbuch samt Zeichnungen von einer Steinsäge.

Flunkern fürs Geschäft

Welche konkreten Stücke in den heutigen Sammlungen einst von Frischholz erworben wurden, kann man nicht bestimmen. Dazu war er dann wohl doch zu unbedeutend. Entsprechend wenig weiß man auch über ihn persönlich und seine Biografie. Das heißt, in einem Zusammenhang kennt man seinen Namen bis heute: wenn es um den legendären Meteoriten von Waldau geht und darum, wie Frischholz ganz schön geflunkert hat. Das tat er vermutlich aus Marketinggründen, wie man heute sagen würde, um sein Geschäft anzukurbeln, das nicht gerade florierte.

Vielleicht mag man ihm auch eine Portion Bauernschläue attestieren? Aus bäuerlichen Verhältnissen stammte Frischholz nämlich, aus dem oberpfälzischen Dorf Kaimling (heute Gemeinde Vohenstrauß, Landkreis Neustadt an der Waldnaab). Aber er verließ die elterliche Lebenswelt: Seit er 15 Jahre alt war, ist er in Amberger Schulmatrikeln nachweisbar, zunächst am dortigen Kurfürstlichen Gymnasium, dann am Lyzeum, wo er Philosophie studierte. Wie es danach, ab 1802, mit dem inzwischen 24-Jährigen weiterging, ist einer Akte im Bayerischen Hauptstaatsarchiv zu entnehmen. Frischholz arbeitete als Praktikant bei der erst 1801 gegründeten Königlich Bayerischen Gewehrfabrik in Amberg/Haselmühl – unbezahlt, aber mit dem Ziel (vielleicht wurde er auch damit geködert), dort einmal Aufseher zu werden. Zwei Jahre lang ging das so – eine Festanstellung bekam er nicht, auch nicht, als er im August 1807 den König persönlich in einem Brief um eine Beamtenstelle dort bat. Vielleicht lag das daran, dass die Zukunft der Gewehrfabrik selbst auf wackligen Beinen stand und man zu dieser Zeit an eine Privatisierung dachte. (Aus dieser wurde aber nichts, ab 1820 unterstand die Gewehrfabrik der Bayerischen Armee, ab 1919 war es dort vorbei mit der militärischen Produktion und es wurden zivile Werkzeuge hergestellt.)

Frischholz war inzwischen nach München gezogen und arbeitete in der Porzellanmanufaktur Nymphenburg – aber wohl nur kurzzeitig im Jahr 1807, denn aus dem Folgejahr ist seine Anzeige als Mineralienhändler bekannt. In der Residenzstadt versprach er sich genügend Interessenten für sein neues Metier: Wissenschaftler, Geschäftsleute und Wohlhabende aus Adel und Bürgertum.

Interessante Naturalienkabinette

Aber wie war sein Interesse an Mineralien geweckt worden? Wie hat er sich das nötige Wissen für den Handel angeeignet? Vermutlich hatte er einiges über Mineralien bereits während seiner Lyzeumzeit in Amberg erfahren: Dort hatte vor ihm auch Franz Seraph Graf gelernt und ab 1802/03 gelehrt – und zwar Mineralogie, Chemie und Naturgeschichte; zudem betreute der Graf das dortige Naturalienkabinett, wo auch Sammlungen aufgelöster Klöster zu finden waren und sich somit ein Fundus regionaler Mineralien befand. Aus einem Brief geht hervor, dass Frischholz Graf kannte, auch wenn sich ihre Lern- beziehungsweise Lehrzeit am Lyzeum nicht überschnitt.

Karl Schmetzer, der Autor einer Schrift über Jakob Frischholz, die das Bayerische Landesamt für Umwelt herausgegeben hat, vermutet einen weiteren Ideengeber, der Frischholz maßgeblich inspiriert haben dürfte: den Berg- und Hütteningenieur sowie Oberstbergrat Ignaz von Voith, der als Kommissär just in den Jahren für die Gewehrfabrik in Amberg zuständig war, als Frischholz dort Praktikant war. Voith kannte sich ebenfalls gut aus in der Geologie der Oberpfalz, er veröffentlichte dazu Schriften.

Das Interesse dieser Männer an Mineralien dürfte also in erster Linie im bergmännischen Nutzen, der industriellen Verwertung, gelegen haben. Für die fundierte Ausbildung der Berg- und Hüttenleute brauchte man systematisch aufgebaute Lehrsammlungen mit wissenschaftlich aktuellen Beschreibungen – was wiederum endgültig die Entwicklung der Chemie von der geisteswissenschaftlich-philosophischen zur naturwissenschaftlichen Disziplin bedeutete und die aufkommenden Geowissenschaften befeuerte.

Die Akademie der Wissenschaften und ihre Verbindungen zur damaligen Landesuniversität in Landshut, Industrielle, Wissbegierige und Wohlhabende aus Adel und Bürgertum, aber auch weniger Begüterte, die sich für den schönen Schein manch günstigeren Steines erwärmten: München war also ein ideales Pflaster für den Mineralienhandel. Tatsächlich wird in Schriften von Mitgliedern der Akademie der Wissenschaften erwähnt, dass das untersuchte Material von Frischholz eingeliefert worden war: zum Beispiel Coelestin aus dem Grödner Tal, Gehlenit aus dem Fassatal und Berylle aus Rabenstein im Bayerischen Wald.

Wie kam Frischholz an die Mineralien? Er kaufte bei Sammlern – ließ sich das Material per Post senden und reiste auch eifrig selbst, um es vor Ort zu erstehen. Und so bot er Anzeigen zufolge einerseits „vaterländische“ Steine an, die „vorzüglich von Findlingen aus der Isar nach dem neuesten Geschmacke bearbeitet“ waren, andererseits auch „nordische Fossilien“ (worunter damals auch Mineralien verstanden wurden) und Stücke aus der Schweiz, man konnte auch Amethyste aus Sibirien oder Baryt aus Siebenbürgen bei ihm kaufen. Und dann vor allem Mineralien aus der Tiroler Bergwelt: Prehnite, Analcine, Spargelsteine, Stilpite, Zeolithe, Pinite und viele mehr – und diese dann auch als „auszeichnende Schaustuffen“, wie er warb. Das galt auch für den Igloit (heute: Aragonit) von Neumarkt, den er anscheinend selbst gefunden hat: „in 6-seitigen Säulen kristallisiert mit 6 Flächen zugespitzt“. Ein entsprechendes Vorkommen ist im Burggraben der Ruine Wolfstein bei Neumarkt nachgewiesen.

Schönes aus Stein

Sein gesamtes Angebot machte er per Zeitungsanzeige im Januar 1810 bekannt: Darin warb er auch, „sehr billig“ zu sein, und wies zudem auf seine Werkstatt zum Steinschneiden hin, in der „alle Gattungen von Galanterie-Steinarbeiten“ erledigt werden konnten. Auch schöne Dinge waren zu erwerben: „Dosen, Halsschmuck für Frauenzimmer, Petschaft- und Ringsteine.“ Obendrein bürge er dafür, dass mit einem von ihm verfertigten Pulver Gold- und Silberarbeiten von jedermann wieder zum Glänzen gebracht werden können. 1821 konnte man in den Neuen Jahrbüchern der Berg- und Hüttenkunde, herausgegeben von Carl Erenbert Freyherr von Moll, eine aktualisierte und detaillierte Liste der bayerischen Mineralien studieren, die man bei Frischholz kaufen konnte: Das fing bei 30 Kreuzer für einen Eisenkiesel von Bayreuth an, teuerste Stücke mit bis zu 22 Gulden konnten Stufen von blättrigem und säuligem Prehnit aus Ratschings in Südtirol sein. „Wer viles kauft, erhält noch Procente“, versprach der Händler.

Schon 1809 hatte Frischholz offiziell „durch königlich allerhöchste Gnade“ die Konzession als Mineralienhändler und Steinschneider bekommen – nach eigener Angabe war er der Einzige dieses Gewerbes in München. Seine Geschäfts-adresse wechselte einige Male: von „hinter St. Peter Nro. 111“ über die „Joseph-Spitalgasse Nro. 1229“ in die Sendlinger Straße 946.

Das von ihm postulierte Alleinstellungsmerkmal als Mineralienhändler war vielleicht nur insofern richtig, als er zumindest in München den Handel richtig professionell betrieb, und nicht wie andere Sammler nur als Hobby. Bekannt ist ohnehin Konkurrenz, die in seinem Revier „wilderte“. Tiroler Mineralienhändler hatten das Geschäft schon längst für sich entdeckt – mit Kundschaft nördlich der Alpen. „Es ist keine Stadt in Baiern, die sie nicht wiederholt besuchen, gehen dem Liebhaber nicht vom Halse bis er ihnen abkauft, schleppen das erlöste Geld nach Italien, treiben verschiedenen Unfug, und richten alle bairischen Mineralienhändler zu Grunde“, wetterte Frischholz brieflich beim „Allerdurchlauchtigsten Großmächtigsten König“ und forderte, dass man diese Händler gleich festsetzen und über die Grenze zurückschicken sollte. Zwar gab es vom Generalkommissär des Salzachkreises, Karl Graf von Preysing, tatsächlich eine entsprechende Anordnung an die Polizeidienststellen, die aber wohl verpuffte. Vor allem dem bekannten Südtiroler Händler Girolamo M. Augustin begegnete Frischholz immer wieder, teils übernachteten beide auf ihren Reisen sogar in den gleichen Hotels. Augustin schnappte dem Münchner vermutlich einige lukrative Geschäfte weg, führte er doch nicht mal im Geheimen, sondern sogar im Auftrag wissenschaftlicher Institutionen Sammelreisen durch und bediente namhafte Münchner Mineralogen mit seine  Funden. In der Akademie der Wissenschaften hatte aber auch Frischholz einen Fuß in der Tür: Die dortige mineralogische Sammlung hat Stücke von ihm, allerdings lassen sie sich heute nicht mehr identifizieren. Aber als Bezugsquelle fürs Untersuchungsmaterial ist Frischholz mehrfach in Forschungsberichten erwähnt.

Frischholz publizierte sein Wissen auch selbst: mit einem Aufsatz über die Mineralien der Seiser Alm (Tirol) in Karl Caesar von Leonhards Taschenbuch für die gesammte Mineralogie mit Hinsicht auf die neuesten Entdeckungen (1819); penibel trug er auf einer beigefügten Karte Fundpunkte ein. Leonhard übrigens unterhielt selbst eine Mineralienhandlung im hessischen Hanau, später in Heidelberg. Weitere Veröffentlichungen von Frischholz liest man in Carl Erenberg von Molls Neuen Jahrbüchern der Berg- und Hüttenkunde (1821), so einen Bericht über Smaragde aus dem Habachtal im Land Salzburg sowie die bereits erwähnte aufschlussreiche Preisliste ... (Karin Dütsch)

Lesen Sie den vollständigen, reich bebilderten Beitrag in der Ausgabe März/April 2024  des BSZ-Online-Magazins UNSER BAYERN. Sie können die komplette, 40-seitige Ausgabe downloaden unter www.bayerische-staatszeitung.de Für BSZ-Abonnenten ist dieser Service kostenlos, sonst 3 Euro pro Ausgabe.

Abbildung: Die erste bislang entdeckte Anzeige, die Frischholz in der Tagespresse wie der Münchener Politischen Zeitung schaltete, stammt von 1808. Daraus erfährt man auch seine Geschäftsadresse.

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