Wirtschaft

Die Freien Bauern fordern faire Preise und politische Unterstützung, um Deutschlands Selbstversorgung mit Lebensmitteln langfristig zu sichern. (Foto: dpa/Matthias Bein)

15.10.2025

Bauern warnen vor Abhängigkeit vom Ausland

Deutschland gilt als Agrarnation – doch im Krisenfall könnten heimische Lebensmittel knapp werden. Während Bauernverbände vor wachsender Abhängigkeit von Importen warnen, verlieren immer mehr Höfe den Anschluss

Deutschland steht derzeit in einer widersprüchlichen Situation: Einerseits liegt der rechnerische Selbstversorgungsgrad für Nahrungsmittel im Deutschland-Durchschnitt der letzten zehn Jahre bei rund 83 Prozent. Andererseits sind gerade Obst, Gemüse, Eier und Honig deutlich von Importen abhängig – in diesen Segmenten erreicht die heimische Erzeugung den Bedarf nur zu Teilen. Diese Diskrepanz zwischen Gesamtstatistik und konkretem Bedarf macht deutlich, wie sensibel die Lage ist – und warum viele Landwirte zunehmend resignieren.

Die Freien Bauern warnen eindringlich davor, dass nur eine Stärkung der heimischen Landwirtschaft den Fortbestand der Versorgung in Krisenzeiten sichern könne. Der Verband weist auf dramatische Kostenschieflagen hin: Produktionskosten steigen, Erlöse stagnieren oder fallen, politische Rahmenbedingungen verschärfen sich. „Die Schere zwischen Aufwand und Ertrag geht immer weiter auseinander“, sagt deren Sprecher Thomas Frenk. 

Hinzu kommt eine Entwicklung, die sich nicht wegdiskutieren lässt: Die Zahl bäuerlicher Betriebe in Deutschland schrumpft. Sie liegt derzeit bei rund 250.000 – mit rückläufiger Tendenz. In Extremfällen, so argumentiert der Verband, könne das Land nicht mehr vollständig eigenständig versorgt werden. Im Jahr 2022 konnte in Deutschland ein Landwirt 147 Menschen ernähren. Das sind zwar mehr als doppelt so viele Menschen wie noch im Jahr 1990, doch damit wären im Ernstfall nur knapp 37 Millionen Deutsche versorgt. Das ist nicht mal die Hälfte der Menschen, die hier leben.

Ein Blick auf die aktuellen Versorgungsbilanzen zeigt, wo insbesondere Defizite bestehen: Für Gemüse lag der Selbstversorgungsgrad im Wirtschaftsjahr 2023/24 bei rund 37 Prozent. Besonders auffällig: Tomaten, ein Grundnahrungsmittel in vielen Haushalten, werden zu nur etwa 4 Prozent heimisch produziert. Beim Obst sind es im Durchschnitt 20 Prozent. Nur bei Produkten wie Kartoffeln, Zucker, Milch und Getreide liegt Deutschland über oder nahe 100 Prozent.

Die Abhängigkeit von Importen birgt Risiken

Diese strukturelle Abhängigkeit von Importen stellt nicht nur eine wirtschaftliche Schwäche dar, sondern birgt Risiken in globalen Krisen – wie Handelsstreitigkeiten, Klimakatastrophen oder Lieferkettenunterbrechungen. In diesem Kontext ist die Forderung der Freien Bauern nach politischer Unterstützung plausibel: Verbesserte Subventionen, Abbau bürokratischer Hürden, faire Preise und Investitionssicherheit.

Doch auch Kritik wird laut: Einige Experten warnen davor, dass der Begriff „Selbstversorgung“ oft romantisiert wird und die Marktdynamiken in der globalisierten Welt ignoriere. So argumentieren sie, dass hohe Importabhängigkeit auch Effizienzgewinne ermögliche und Diversifikation schütze. Der Selbstversorgungsgrad sei stark produktabhängig und könne irreführende Durchschnittswerte erzeugen.

„Wir müssen unsere Produkte zu Weltmarktpreisen anbieten, während unsere Produktionskosten steigen. Das macht uns austauschbar“, heißt es von den Freien Bauern. Diese Aussage verdeutlicht die Herausforderung: Die heimischen Betriebe kämpfen mit externem Wettbewerb und gleichzeitiger eigener Kostenexplosion.

Ob die Bundesregierung, wie von den Freien Bauern gefordert, endlich belastbare Maßnahmen ergreift – bleibt abzuwarten. Klar ist: Die Diskussion über Selbstversorgung ist wieder auf der politischen Agenda. Und je länger sie verdrängt wird, desto fragiler wird die Ernährungssicherheit Deutschlands. (loh)

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