Wirtschaft

29.09.2025

Hohe Investitionen können sinnvoll sein

Biogas statt neue Gaskraftwerke? Viele Anlagenbetreiber kämpfen ums Überleben – dabei könnten flexible Biogasanlagen Versorgungslücken schließen und Klimaschutzchancen bieten. Doch hohe Kosten, Netzanschlüsse und Politik bremsen

Die Bundesenergieministerin Katherina Reiche (CDU) wünscht sich viele neue (Erd-)Gaskraftwerke. Die Alternative: Tausende bestehende vielerorts vor dem Aus stehende Biogasanlagen. Denn deren Weiterbetrieb lohnt sich nach dem Ende der EEG-Vergütungszeit von 20 Jahren wirtschaftlich nicht mehr. Das Fachgespräch „Finanzierung flexibler Biogasanlagen“ in Neumarkt/Oberpfalz machte Betreibern Mut, ihre nachhaltige Energieproduktion nicht aufzugeben. Organisator war Bayerns „Centrales Agrar-Rohstoff Marketing- und Energie-Netzwerk“ CARMEN e. V.

Flexibilisierung, also die Umstellung auf flexiblere Betriebsweisen, heißt das Zauberwort. Fachleute zeigten Praxisbeispiele und es gab konkrete Hilfsangebote.

Zum Leben zu wenig und zum Sterben zu viel für die Biogasbetreiber

„Bin weit gekommen. Doch was soll ich hier? Zum Leben zu wenig und zum Sterben zu viel …“ Das Zitat aus Heinz-Rudolf Kunzes Lied Mit Leib und Seele könnte man gut auch auf viele Biogasbetreiber übertragen. Denn auch die sind „mit Leib und Seele“ dabei, und zwar bei der Sache Klima- und Menschenschutz. Und das, was ihnen ohne Flexibilisierung nach dem Ende der zunächst 20-jährigen EEG-Vergütungsperiode bliebe, wäre sicher „zum Leben zu wenig und zum Sterben zu viel …“. Doch was können sie tun? 

Bayerns Staatsregierung hofft augenscheinlich, dass die aktuelle elektrische Biomasse-Kraftwerksleistung von immerhin 1875 Megawatt (MW) nicht nur erhalten bleibt, sondern sogar ausgebaut wird. Denn Kerstin Ikenmeyer vom bayerischen Wirtschafts- und Energieministerium sieht für die Versorgungssicherheit einen mehr als doppelten Bedarf von insgesamt 4000 MW. Gerade wegen des Überangebots an Solar- und der recht geringen Menge an Windstromleistung fehle in Bayern „erneuerbare, bedarfsgerechte Energie im Zieldreieck sicher, bezahlbar und umweltverträglich“, so die Ministeriale. 

Aber auch schon das momentane Fünftel an bundesdeutscher Biokraftwerkskapazität sei ein deutlicher Wirtschaftsfaktor, hob Ikenmeyer heraus. Kein Wunder also, dass sie versprach, das Ministerium werde sich „weiter für Verbesserungen beim (Bundes-, d. Red.) Biomassepaket mit seinen anspruchsvollen Anforderungen einsetzen“. Und sie appellierte an die Betreiber, weiterzumachen: „Für unsere Zukunft ist es das wert und kann Chancen bedeuten!“

Die aktuellen Rahmenbedingungen für Biogas-Flexibilität sind laut Stefan Rauh vom in Freising beheimateten Fachverband Biogas e. V. (FVB) nicht rosig: „Aktuell wollen alle in die Ausschreibungen rein. Deshalb sind die dreifach überzeichnet.“ Dabei seien die Zuschläge der Bundesnetzagentur, für um die 17 Cent Biogasstrom zu erzeugen, „zum Leben gerade ausreichend“. Rauh empfahl: „Biogasanlagen dürfen dann nicht produzieren, wenn die Börsenstrompreise negativ sind.“

Zumal man seit Inkrafttreten des EEG2023 diesen Strom auch nicht mehr vergütet bekomme. In Dunkelflauten seien dagegen Mehrerlöse möglich – besonders bei massiver Ausweitung des Speichers und der Kraftwerke, „Überbauung“ genannt. „Bei Vierfachüberbauung habe ich einen Puffer, um die richtigen Viertelstunden zu treffen“, so Rauh. Was bedeutet: Bei einer bestehenden 500-kW-Anlage müsste die Stromproduktionskapazität auf 2500 kW ausgebaut und der Gasspeicher entsprechend größer werden. 

Ob der Bundes-Gesetzgeber die Probleme erkannt hat? Das werde sich laut dem FVB-Mann am angekündigten Biomassepaket 2.0 zeigen. Dabei baut Rauh auf die Unterstützung der Länder. „Auch wenn große Teile der Branche in existenzbedrohlicher Lage sind, sollten wir den Kopf nicht in den Sand stecken.“ Zumal inzwischen „Wärme nicht mehr verschenkt werden“ müsse wie in früheren Jahren von EEG und KWK-Prämie, weil Wärmenetze existieren.

Flexibilität als betriebs- und volkswirtschaftliche Notwendigkeit

Auch Martin Strobl von der Bayerischen Landesanstalt für Landwirtschaft LfL sieht „Flexibilität als eine betriebs- und volkswirtschaftliche Notwendigkeit“. Gleichzeitig sei für die gesetzlich gewollte Elektrifizierung der Gesellschaft „eine Vervierfachung der heutigen Stromeinspeiseleistung“ nötig. Absolut wichtig werde hierbei die flexible Erzeugung: „Biogas bedeutet Versorgungssicherheit.“ Denn es gebe jährlich 1800 Stunden mit zu wenig Wind und Sonne: die sogenannten „Dunkelflauten“. 

Doch selbst „wenn ich für eine Anlage mit bis zu fünffacher Überbauung den Zuschlag der Netzagentur bekomme: Bekomme ich für diesen fünffachen Strom auch einen Netzanschluss?“ Norbert Bleisteiner von den Landwirtschaftlichen Lehranstalten Triesdorf in Mittelfranken sprach ein seit Jahren bekanntes, aber ungelöstes Problem an. Das besteht aber auch bei anderen Regenerativerzeugern. Deshalb wünschte er sich: „Wind, Solar und Bioenergie müssen sich zusammentun, nicht gegeneinander agieren.“

Auch Alfons Himmelstoß, Geschäftsführer der AEV Energy GmbH aus Dresden, empfindet den Netzanschluss als große Herausforderung bei der Flexibilisierung von Biogasanlagen. Deshalb seine Empfehlung: „Zuerst mit dem Stromnetzbetreiber reden über den Netzanschluss.“ Denn der allein brauche für eine Antwort zwölf Wochen. 

Doch wann sind Flexibilisierungsmaßnahmen wirtschaftlich? Das wollte Ulrich Kilburg vom Veranstalter CARMEN beantworten. Gerade wegen der Höhe der Kosten sei „natürlich der Netzanschluss Flaschenhals oder mögliches KO-Kriterium“. Doch trügen laut Kilburg auf der Einnahmeseite die Direktvermarkter viel Verantwortung. Er empfahl deshalb eine genaue Analyse der Anbieter. Seine zwiespältige Zusammenfassung: „Es gibt Projektbeispiele, bei denen es geht – aber auch andere.“

Jede Menge Finanzierungs- und Risikoparameter

Das Ergebnis hängt auch stark an der Finanzierung. Deren Details erläuterte Dietmar Limmer vom „Zentralbereich Firmenkunden Agrarwirtschaft“ der DZ Bank, einer Tochter der Volks- und Raiffeisenbanken. Er erwähnte für die Projektfinanzierung per Kredit jede Menge „Finanzierungs- und Risikoparameter“, die bei vielen Zuhörern Stirnrunzeln hervorriefen. Zumal die von Limmer genannte Eigenkapitalquote von mindestens 20 Prozent gerade für kleinere landwirtschaftliche Betreiber schwer aufzubringen ist. 

Doch es gibt Hoffnung, dass Biogas anstelle der regierungsseitig geplanten Gaskraftwerke profitieren kann. Christian Dorfner von der SK Verbundenergie AG aus Regensburg: „Auf jeden Fall mittelfristig werden die Strompreise steigen: Wegen des Netzausbaus aufgrund von mehr Wind- und Solarkraftwerken. Weil der CO2-Preis fossile Stromerzeugung trifft (also auch Gas, d.Red.). Weil für Wärme und Verkehr mehr Strombedarf kommt. Und wegen der Förderung energieintensiver Betriebe.“ (Heinz Wraneschitz)

Kommentare (0)

Es sind noch keine Kommentare vorhanden!
Die Frage der Woche

Ist die Einschränkung der Teilzeit von Beamten sinnvoll?

Unser Pro und Contra jede Woche neu
Diskutieren Sie mit!

Die Frage der Woche – Archiv
X
Vergabeplattform
Vergabeplattform

Staatsanzeiger eServices
die Vergabeplattform für öffentliche
Ausschreibungen und Aufträge Ausschreiber Bewerber

Jahresbeilage 2024

Nächster Erscheinungstermin:
28. November 2025

Weitere Infos unter Tel. 089 / 29 01 42 54 /56
oder
per Mail an anzeigen@bsz.de

Download der aktuellen Ausgabe vom 29.11.2024 (PDF, 19 MB)

E-Paper
Unser Bayern

Die kunst- und kulturhistorische Beilage der Bayerischen Staatszeitung

Abo Anmeldung

Benutzername

Kennwort

Bei Problemen: Tel. 089 – 290142-59 und -69 oder vertrieb@bsz.de.

Abo Anmeldung

Benutzername

Kennwort

Bei Problemen: Tel. 089 – 290142-59 und -69 oder vertrieb@bsz.de.