Wirtschaft

So sieht es in den Rechenzentren von Noris Network aus. (Fotos: Noris Network)

19.09.2025

"Wir gehen dorthin, wo alte Industrien aufgeben"

Ingo Kraupa, Vorstandschef des Rechenzentrumsbetreibers Noris Network, über KI, steigenden Bedarf an Rechenleistung und zurückhaltende Kommunen

Der Siegeszug der künstlichen Intelligenz hat nicht nur einen enormen Bedarf an Rechenleistung zur Folge. Es wird dafür auch viel Strom benötigt. Platz für Rechenzentren ist ebenfalls gefragt. Aber einige Kommunen wollen keine Rechenzentren.

BSZ: Herr Kraupa, wie wichtig sind die Rechenzentren von Noris Network für Unternehmen und Behörden in Bayern?
Kraupa: Angesichts der fortschreitenden Digitalisierung und der künstlichen Intelligenz immer wichtiger. Wir sind mit unseren Hochsicherheitsrechenzentren in Nürnberg, München und Hof in Bayern einer der großen Anbieter.

BSZ: Welche Kunden haben Sie?
Kraupa: Das sind vor allem Kunden aus der Industrie und der Finanzbranche sowie die öffentliche Hand. In Bayern zählen dazu adidas, BMW, Teambank, das Bauunternehmen Max Bögl, der Flughafen und die Stadt Nürnberg oder auch die Landeshauptstadt München.

BSZ: Wieso haben Sie so namhafte Kunden?
Kraupa: Weil wir Qualität made in Germany anbieten. Unsere Leistungen sind hochsicher, hochverfügbar und gut zertifiziert. Wir verstehen einerseits die Prozesse und regulatorischen Anforderungen unserer Kunden, arbeiten aber schnell und flexibel wie ein Mittelständler.

BSZ: An welchen Standorten betreiben Sie Rechenzentren?
Kraupa: Wir haben derzeit drei Standorte in Nürnberg und jeweils einen in München, Ingolstadt und Hof. Derzeit erweitern wir unser Rechenzentrum in Nürnberg und bauen ein neues in Frankfurt.

BSZ: Wie schätzen Sie den künftigen Bedarf an Rechenzentrumsleistungen ein?
Kraupa: Durch die Anwendungen der KI wird der Bedarf derzeit sehr beschleunigt. Wir können in unseren Rechenzentren zwar gut die Leistung nachträglich erhöhen, aber am besten hätte man schon heute alles, was man in Zukunft braucht. In Nürnberg haben wir derzeit 10 Megawatt IT-Leistung und erweitern aktuell auf 30. In München wollen wir von 10 auf 20 Megawatt nachverdichten und in Frankfurt am Main bauen wir ein neues Rechenzentrum mit 20 Megawatt Nutzleistung. Das ist schon eine enorme Leistungserhöhung.

BSZ: Wie schützen Sie Ihre Rechenzentren vor Blackouts?
Kraupa: Wir arbeiten mit dem von uns erfundenen Konzept der Combined Energy Climate Cell (CECC). Jede dieser Zellen arbeitet autark und ist mit Trafo, Notstromaggregat, USV und Klimaanlage ausgestattet. Jede dieser Zellen ist in sich redundant und es kann auch immer eine ganze Zelle ausfallen. Mit unseren Notstromaggregaten können wir in der Regel 72 Stunden ohne Nachbefüllung überbrücken. Monatlich findet für jedes Aggregat ein Testlauf von einer Stunde statt und einmal im Jahr führen wir auch einen Blackbuildingtest durch. Dadurch sind wir für Netzausfälle sehr gut geschützt.

BSZ: Welche Rolle spielt die Kühlung, um Ausfälle zu vermeiden?
Kraupa: Neben der Energieversorgung ist die Kühlung schon die zweitwichtigste Versorgung. Hier ist neben der Verfügbarkeit auch die Effizienz sehr wichtig, denn die Kühlung erzeugt den Großteil der Verluste im Rechenzentrum. Wir kühlen häufig mit dem Kyoto-Cooling-Verfahren, das herkömmliche Kühlung mit einem Rotationswärmetauscher kombiniert. Da dieser in einen Durchmesser von 6 Meter aufweist, ist das ein Eyecatcher in unseren Rechenzentren.

BSZ: Wird die Abwärme genutzt?
Kraupa: Derzeit noch nicht, aber wir sind mit dem Nürnberger Energieversorger N-Ergie in Gesprächen, unsere Abwärme ins Fernwärmenetz einzuspeisen. Auch benachbarte Unternehmen haben schon Interesse bekundet, uns Wärme abnehmen zu wollen.

"Man merkt, dass wegen KI regional Strom bereits knapp ist"

BSZ: Wie wird sich der Strombedarf durch Rechenzentren entwickeln?
Kraupa: Wegen der KI-Anwendungen ist die Nachfrage aktuell enorm. Jeder will in diesem Thema seine Claims abstecken und der Erste sein. Die Effizienz bleibt da manchmal noch ein wenig auf der Strecke. Man merkt auch, dass regional Strom bereits knapp ist, im Raum Frankfurt, aber auch schon in München.

BSZ: Somit wird ein großflächiger Blackout wie vor Kurzem in Spanien und Portugal wahrscheinlicher?
Kraupa: Das hoffe ich nicht. Deutschland ist ein Industrie- und Technologieland. Aber es wird zu Engpässen oder zu Kostensteigerungen kommen, sofern die Deindustrialisierung hier nicht entgegenhält.

BSZ: Wie meinen Sie das?
Kraupa: Energieintensive Unternehmen haben es aufgrund des Strompreises hierzulande immer schwerer, auf dem Weltmarkt konkurrenzfähig zu sein. Deshalb verlagern sie ihre Produktion ins Ausland. In der Folge benötigt die Industrie in Deutschland weniger Strom. Diesen können dann Rechenzentrumsbetreiber wie wir nutzen, ohne dass zusätzliche Stromerzeugungskapazitäten aufgebaut werden müssen.

BSZ: Erzeugen Sie auch Strom?
Kraupa: Das bisher noch nicht, zumindest nicht, was über PV-Anlagen an den Objekten hinausgeht. Aber es ist ein Szenario, das immer näher rückt.

BSZ: Wie bewerten Sie den Strompreis hier in Deutschland?
Kraupa: Wir als deutscher Rechenzentrumsbetreiber sind die hohen Preise seit vielen Jahren gewohnt. Wir hatten früher stets deutlich höhere Kosten als die Industrie, die häufig von der EEG-Umlage, den Netzentgelten und der Stromsteuer befreit ist. Wir profitieren vom Wegfall der EEG-Umlage, da trifft uns die Erhöhung des Strompreises nicht ganz so hart. Wir haben dafür das Problem, dass wir Standorte finden müssen, an denen es überhaupt noch ausreichend Strom gibt.

BSZ: Das heißt?
Kraupa: Wenn wir neue Rechenzentren bauen wollen, sind wir gut beraten dorthin zu gehen, wo alte Industrien aufgeben und wir den dort verfügbaren Strom nutzen können, in Eisenhüttenstadt zum Beispiel.

BSZ: Also auf nach Eisenhüttenstadt?
Kraupa: Moment, das ist nicht so leicht. Da muss man ganz sensibel vorgehen, denn einige Kommunen wollen keine Rechenzentren.

BSZ: Wieso das?
Kraupa: Das verstehe ich auch nicht. Vielleicht haben sie Angst vor dem Ressourcenverbrauch und Netzengpässen. Und das ist ja nicht völlig unberechtigt. Auch wenn gerade KI-Rechenzentren zukünftig für mehr Netzstabilität sorgen könnten.

BSZ: Wie das?
Kraupa: Indem man KI-Prozesse, die viel Strom brauchen, an Tagen, an denen die Sonne vom Himmel knallt, laufen lässt. Derartige Verbraucher, die die Spitzenlast abnehmen, haben wir viel zu wenig. Deshalb müssen die Stromnetzbetreiber zu solchen Zeiten teilweise Stromerzeugungsanlagen abschalten, damit das Netz nicht überlastet wird. Mit diesem Überschussstrom könnte man die KI gut versorgen. Derzeit sind die GPU-Einheiten zwar noch zu teuer, um sie temporär abzuschalten, aber in Zukunft könnte das anders aussehen.

BSZ: Wie sieht es mit der Fachkräfterekrutierung aus?
Kraupa: Wir akquirieren deutschlandweit und bilden selbst aus. Unser Vorteil ist, dass in vielen Bereichen die Arbeit vom Homeoffice aus möglich ist. Die Mitarbeiter, die Server in das Rechenzentrum einbauen, müssen das natürlich immer noch vor Ort tun.

BSZ: Werden Sie irgendwann auch Rechenzentren im Ausland betreiben?
Kraupa: Vielleicht in Griechenland. Dort haben wir schon eine Tochtergesellschaft. Die noris M.I.K.E. sitzt in Thessaloniki und unterstützt die Teams von Noris Network beim internen Operating und bei der Softwareentwicklung für interne und externe Projekte. Aber wir haben auch eine Tochter in der Slowakei.

BSZ: Was machen Sie dort?
Kraupa: In Poprad, nahe der Grenze zu Polen, fertigen wir modulare Rechenzentren.

BSZ: Was kann man darunter verstehen?
Kraupa: Die modulare Bauweise von Rechenzentren hat viele Vorteile. So können aus einzelnen containerartigen Modulen zusammengesetzt und übereinandergestellt mehrstöckige Rechenzentren entstehen. Im neuen Bauabschnitt in Nürnberg werden wir die modulare Bauweise voll ausreizen. Der Vorteil ist die schnelle Produktion und Inbetriebnahme und die Möglichkeit, individuelle Wünsche direkt umzusetzen. Wir fertigen auch einzelne KI-Module mit direkter freier Kühlung und 600 KW IT-Leistung pro Modul. (Interview: Ralph Schweinfurth)

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