Ausländische Geldgeber haben Deutschland gemieden. Vergangenes Jahr sanken ihre Investitionen auf den niedrigsten Stand seit 2011. Nur wenige Monate später ist die Stimmung wieder blendend. Wir fragten im Mittelstand nach, ob die Zukunft dort auch so rosig gesehen wird.
BSZ: Herr von Michel, ausländische Investoren kehren nach Angaben der Förderbank KfW wieder zurück nach Deutschland. Kann der bayerische Mittelstand davon profitieren?
Achim von Michel: Bayern nimmt in diesem Punkt sicherlich eine Sonderrolle ein, weil es noch immer ein sehr attraktiver Wirtschaftsstandort insbesondere im Technologiesektor ist – das zeigt ja die Ansiedlung von Unternehmen wie Google, Microsoft und jüngst auch OpenAI in der Landeshauptstadt. Im Bundesvergleich muss man natürlich die weiterhin sehr mauen Wirtschaftsdaten im Auge behalten. Ein Sondervermögen alleine genügt nicht, um den Turnaround der Wirtschaft einzuleiten. Deshalb blicken viele Investoren im Moment sehr kritisch auf Deutschland. Ob das Kapital tatsächlich wieder zurück ins Land kommt, wird von den nächsten Monaten der neuen Regierung abhängen. Deutschland ist als Wirtschaftsstandort zu teuer und zu überreguliert – das gilt es zu ändern.
BSZ: Außerdem meldet die Förderbank KfW, dass sich die Mittelständler immer mehr aus ihrem Auslandsgeschäft zurückziehen. Trifft das auch auf den Mittelstand in Bayern zu?
Von Michel: Wir sehen generell schon eine Zurückhaltung bei Investitionen, das betrifft natürlich auch die Neuentwicklung von Standorten im Ausland. Grundsätzlich sind andere Länder zum Teil sehr attraktiv für den Mittelstand, sobald dort Bedingungen mit geringeren Lohnzusatzkosten, geringeren Energiekosten und weniger Regulierung angetroffen werden.
BSZ: Wie ist die Stimmung im bayerischen Mittelstand angesichts der neuen Bundesregierung?
Von Michel: Der Mittelstand blickt derzeit hoffnungsvoll auf das Wirken der neuen Bundesregierung. Der angestrebte Wechsel in der Wirtschaftspolitik, der das Prinzip des Förderns und Forderns wieder zum Leitbild der Sozialpolitik macht, der bürokratische Hürden in großem Stil abbaut, Steuern und Energiepreise senkt und Investitionen nicht mehr politisch getrieben, sondern marktwirtschaftlich fördert, gibt uns Anlass zur Hoffnung. Wenn es gelingt, insgesamt eine Aufbruchstimmung in Deutschland zu erzeugen, dann kann in den kommenden Jahren viel Neues entstehen. Zentral wird dabei aber auch die Leistungsbereitschaft sein. Wir müssen alle mit anpacken, und gerade der Mittelstand ist bekannt dafür, in schwierigen Zeiten seinen Teil beizutragen.
BSZ: Was findet der bayerische Mittelstand eigentlich gut am Programm der neuen Bundesregierung?
Von Michel: Äußerst dringend ist natürlich der geplante Abbau von Überregulierung. Europa hat bereits ein umfassendes Lieferkettengesetz und es gibt keinen Grund, dass Deutschland hier noch etwas draufsetzt, nur um als besonders vorbildlich zu gelten. Das ließe sich bei vielen andere Regulierungsansätzen fortführen. Auch die Neuausrichtung der Fachkräftestrategie ist ganz wichtig für das Aufrechterhalten der Produktivität. Dazu gehört die Erhöhung der Erwerbsbeteiligung von Frauen genauso wie schnelle Anerkennung ausländischer Berufsqualifikationen und die Reduzierung des Arbeitsverbots für Schutzsuchende.
BSZ: Was hält der Mittelstand vom am Mittwoch beschlossenen steuerlichen Investitionsbooster des Bundeskabinetts?
Von Michel: Grundsätzlich gut finden wir auch den geplanten steuerlichen Investitionsbooster, allerdings nicht die Reihenfolge der geplanten Maßnahmen. Unsere aktuelle Umfrage dazu hat ergeben, dass rund die Hälfte der Unternehmen gar keinen finanziellen Spielraum mehr für weitere Investitionen hat. Eine schnelle Senkung der Unternehmenssteuern und die sofortige Abschaffung des Solidaritätszuschlags hätten deshalb für viele Mittelständler besser dazu beigetragen, ihre Situation rasch zu verbessern, als Sonderabschreibungen.
BSZ: Was findet der Mittelstand schlecht am Programm der neuen Bundesregierung?
Von Michel: Sehr kritisch betrachten wir beim Thema Mindestlohn überzogene Forderungen, ihn im kommenden Jahr auf 15 Euro anzuheben. Am Beispiel Gastronomie lässt sich das wunderbar beschreiben: Einerseits soll sie durch die Senkung der Mehrwertsteuer für Speisen auf 7 Prozent entlastet werden, andererseits wird der Einsatz von Saisonkräften durch einen Mindestlohnanstieg auf 15 Euro extrem unattraktiv. Dies käme einem Arbeitskostenanstieg von 17 Prozent gleich und wäre für die Betriebe nicht mehr darstellbar. Auch die Mütterrente betrachten wir kritisch, denn sie bindet Steuermittel ohne das zugrunde liegende Problem, nämlich drohende Altersarmut von Müttern, wirklich zu beheben. Schließlich sollte auch der Solidaritätszuschlag endlich komplett abgeschafft werden, da es für diese Sondersteuer längst keine Grundlage mehr gibt. Die wichtigste Aufgabe wird aber sein, die Lohnzusatzkosten zu senken und Wettbewerbsfähigkeit des Standorts zu gewährleisten. Hier ist entschlossenes und schnelles Handeln der Politik gefordert, denn Deutschland wird zunehmend vom internationalen Wettbewerb abgehängt.
(Interview: Ralph Schweinfurth)
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