Diese Verhandlung am Bayerischen Verwaltungsgericht in München ist noch nicht mal eine Viertelstunde alt – und bis hierhin hat weder die Bürgermeisterin von Garmisch-Partenkirchen ein Wort gesagt noch der Vertreter des gleichnamigen Landkreises, der in dieser Sache von der Marktgemeinde verklagt wird. Vielmehr hat allein Richterin Elisabeth Zollner-Niedt gesprochen, die nun also ankündigt: „Ich lasse die Katze gleich aus dem Sack.“
Und zwar sei die Klage der Gemeinde Garmisch-Partenkirchen wegen der aus ihrer Sicht ungerechten Verteilung von Geflüchteten im Landkreis unzulässig. Ganz einfach, weil es keine Norm oder kein Gesetz gebe, auf das sich das Gericht beziehen könne. „Das heißt: Leute, macht es untereinander aus“, sagt Elisabeth Zollner-Niedt und blickt nacheinander die Bürgermeisterin und den Vertreter des Landratsamts an. „Es ist nicht die Aufgabe des Gerichts, hier zu urteilen.“
Diese klaren Worte sind eine Ohrfeige für die Marktgemeinde, deren Bürgermeisterin Elisabeth Koch die Klage kurz darauf zurücknimmt. Und dennoch sei es richtig und wichtig gewesen, auf juristischem Wege gegen die Verteilung von Geflüchteten im Landkreis vorzugehen, beharrt die CSU-Politikerin nach der Verhandlung. „Erstens, weil ich vom Gemeinderat den Auftrag bekommen habe. Und zweitens, weil das öffentlich angesprochen werden muss.“
Klageschrift selbst verfasst
Als Juristin hatte Elisabeth Koch vergangenes Jahr selbst die Klageschrift verfasst – „nachts und an den Wochenenden“, sagt die Rathauschefin. In dem Papier legte sie dar, dass ihre Marktgemeinde aufgrund der Belastung durch die Vielzahl von Geflüchteten „erdrückt wird“, wie sie es in der mündlichen Verhandlung formuliert. „Ich bin extrem asylaffin, auch als Bürgermeisterin“, betont Elisabeth Koch. „Aber der Markt gelangt an seine Grenzen.“ Dies betreffe vor allem die Infrastruktur in der Gemeinde wie Kindergärten und Schulen, in denen die Geflüchteten aufgenommen werden müssten.
Hinzu komme, dass angesichts der schieren Menge von Asylbewerbern und Menschen aus der Ukraine in Garmisch-Partenkirchen eine Integration „so gut wie unmöglich“ sei, sagt Elisabeth Koch. Und dies führe wiederum dazu, dass die Stimmung in der breiten Bevölkerung sich oftmals gegen Geflüchtete richte, berichtet die Lokalpolitikerin.
Unbotmäßig überbelastet
Dabei – und das ist der Kern ihrer Klageschrift – sieht die Bürgermeisterin ihre Marktgemeinde im Vergleich zu vielen anderen Kommunen im Landkreis Garmisch-Partenkirchen unbotmäßig überbelastet. Zum Beweis führt Elisabeth Koch die sogenannte Erfüllungsquote des Landratsamts an, die angeben soll, inwieweit die einzelnen Orte ihrer Pflicht zur Unterbringung von Geflüchteten nachkommen. Zu Zeiten der Klageerhebung lag Garmisch-Partenkirchen hier bei mehr als 130 Prozent, während andere Gemeinden wie etwa Murnau weit dahinter rangierten.
Seither ist die Erfüllungsquote der mit Abstand größten Kommune im Landkreis indes zurückgegangen – auf mittlerweile nur noch 106 Prozent. Oder in absoluten Zahlen ausgedrückt: Aktuell sind in der gut 28.000 Einwohner zählenden Marktgemeinde 402 Geflüchtete, 874 Menschen aus der Ukraine und 41 sogenannte Fehlbeleger untergebracht – also anerkannte Asylbewerber, die in Gemeinschaftsunterkünften leben, weil sie keine Wohnung finden.
Allgäu: 40 Flüchtlinge auf 79 Einwohner
Jene Erfüllungsquote im Landkreis Garmisch-Partenkirchen habe sich ihre Kammer ebenfalls angesehen, sagt Richterin Elisabeth Zollner-Niedt. „Wir haben auch ein bisschen gerechnet, sind aber nicht ganz durchgestiegen.“ Jedoch habe die Quote für die vorliegende Klage ohnehin keine Bedeutung. Schließlich enthalte die relevante „Verordnung zur Durchführung des Asylgesetzes“ keine Regelung zur Verteilung von Geflüchteten innerhalb eines Landkreises. „Die Gemeinden sind nicht pflichtig eingebunden“, betont die Richterin. „Sie trifft keine Unterbringungspflicht als übertragene Aufgabe.“ Vielmehr sei die Erfüllungsquote des Landkreises ein „Verwaltungsinternum“ ohne zugehörige Norm oder Anspruchsgrundlage, sagt Zollner-Niedt. Daher laufe die Klage ins Leere und sei unzulässig.
„Und was soll eine Kommune dann tun, wenn sie an der Wand steht und nicht mehr weiß, wie sie die Kinderbetreuung stemmen kann?“, fragt Bürgermeisterin Koch im Gerichtssaal. „Und wenn das Selbstverwaltungsrecht missachtet wird?“ Auf diese Fragen erhält die Rathauschefin keine Antworten. Vielmehr ist die Verhandlung schon nach einer halben Stunde wieder beendet.
Wie sie und ihre Marktgemeinde nun in der Angelegenheit weiter vorgehen, wird Elisabeth Koch noch gefragt. Doch hier bleibt die Bürgermeisterin vage und sagt nur: „Jetzt überlegen wir, wie’s weitergeht.“
Klar ist: Nicht nur in Garmisch, auch in anderen Kommunen gab es zuletzt Unmut von Rathauschefs und Bürgern, dass ihre Gemeinden zu viele Flüchtlinge unterbringen müssten. So etwa im Blaichacher Ortsteil Gunzesried-Säge im Oberallgäu. Dort leben nur 79 Einwohner – doch schon bald sollen dort die ersten von 40 Flüchtlingen einziehen. Proteste und auch eine Petition im Landtag blieben bislang jedoch vergebens.
(Patrik Stäbler)
Kommentare (0)
Es sind noch keine Kommentare vorhanden!