Kommunales

Wegen Attacken auf Kommunalpolitiker muss immer öfter die Polizei anrücken. (Foto: dpa/Balk)

20.11.2025

Zielscheibe Bürgermeister: Dingolfing ist kein Einzelfall

Immer öfter werden Kommunalpolitiker attackiert, wie der BSZ vorliegende Zahlen zeigen. Auch der Pegnitzer Bürgermeister Wolfgang Nierhoff ist betroffen - in der BSZ berichtet er von der mutmaßlichen Attacke auf sein Fahrzeug. Der Politiker sagt: "So etwas macht mental was mit dir."

Es war ein lauter Knall, der die Nachbarin von Wolfgang Nierhoff am vorletzten Samstag unsanft weckte. Gegen 3.45 Uhr rief sie daraufhin den Pegnitzer Bürgermeister an. Der traute seinen Augen kaum, als er nach seinem Campingbus sah. Unbekannte hatten ihn angezündet. Als Nierhoff am Fahrzeug war, sah er nach eigener Aussage noch einen Reifen stark qualmen.

Die Polizei ermittelt gegen unbekannt. Sie geht davon aus, dass absichtlich versucht wurde, das Fahrzeug in Brand zu setzen. Im Inneren riecht es bis heute nach verbranntem Gummi, sagt Nierhoff der BSZ und fügt hinzu: „Der Sachschaden ist das eine. Doch so etwas macht mental was mit dir.“ Er schlafe seit dem Vorfall nicht mehr so gut. Er wache teils in der Nacht „wegen des kleinsten Geräuschs auf“.

Nierhoff gehört der Gruppierung „Pegnitzer Gemeinschaft“ an und ist seit 2020 Bürgermeister der 15.000 Einwohner zählenden Stadt im Landkreis Bayreuth. Der Lokalpolitiker sagt: „Hier wurde eine Grenze überschritten.“ Doch er werde weitermachen. „Ich lasse mich nicht einschüchtern.“

Nierhoff ist kein Einzelfall. Insgesamt zählten die Behörden im Freistaat im vergangenen Jahr 170 Fälle, bei denen kommunale Amts- und Mandatsträger Ziel von Drohungen, Beleidigungen, Erpressung und Gewalt wurden – sieben mehr als im Vorjahr. Das ergab eine Anfrage des Grünen-Abgeordneten Andreas Birzele an die Staatsregierung. Die Zahl der Gewaltdelikte stieg den Zahlen des Landeskriminalamts zufolge von elf im Vorjahr auf 14 im vergangenen Jahr. Und dies sind nur die Fälle, die als mutmaßlich politisch motivierte Kriminalität gelten.

Auch normale Bürger werden zu Tätern

„Mit großer Sorge beobachten wir mit Blick auf die bevorstehende Kommunalwahl die zunehmenden Fälle von Hass, Hetze, Bedrohungen und Übergriffen gegenüber kommunalen Mandatsträgerinnen und Mandatsträgern“, sagt auch Thomas Karmasin, Präsident des Bayerischen Landkreistags. Der Vorsitzende des Bayerischen Städtetags, Markus Pannermayr, berichtet ebenfall, dass sich Fälle von Beleidigungen, Anfeindungen und Drohungen mehrten. Diese müssten „konsequent zur Anzeige kommen“. Was mit Beleidigungen beginne, könne rasch in Gewalt gegen Sachen und in Übergriffen gegen Menschen enden, ist der CSU-Politiker überzeugt. 

Die Täter lassen sich den LKA-Zahlen zufolge nur selten dem rechts- oder linksextremen Lager zuordnen. Mitunter sind Reichsbürger übergriffig – zum Teil auch enttäuschte Bürger. Oft lassen sich die Täter schlicht nicht ermitteln.

Kommunale Spitzenverbände und Ermittler beklagen unisono, der Respekt vor Politikern und Staatsbediensteten habe nachgelassen, die Hemmschwelle zur Gewalt sei gesunken. So stieg die Zahl der angezeigten mutmaßlichen Straftaten gegen sämtliche Amts- und Mandatsträger, zu denen etwa auch Richter, Staatsanwälte, Gerichtsvollzieher, Ordnungsamtsmitarbeiter gehören, bayernweit von 2017 bis 2021 von knapp 200 auf 1741.

Es gebe neben zunehmend heftiger geführten gesellschaftlichen Debatten auch eine „wachsende Unzufriedenheit in der Bevölkerung gegenüber dem Staat, weshalb Repräsentanten des Staates und Politiker als Verantwortliche für vermeintliche oder tatsächliche Missstände angesehen werden“, teilt das LKA mit. Dort verweist man als Ursache auch auf das 2020 eingeführte Onlinemeldeverfahren für Amts- und Mandatsträger.
Unstrittig ist: Das Klima wird rauer. Für CSU-Mann Karmasin ist deshalb klar: Wer sich für die Allgemeinheit engagiere, verdiene „Schutz, Respekt und Rückhalt“.

Mehr Unterstützung der Amts- und Mandatsträger

Der Grünen-Abgeordnete Birzele fordert mehr Unterstützung der Amts- und Mandatsträger, etwa durch bessere Beratungsangebote. Auch müssten bestehende Möglichkeiten „noch besser kommuniziert werden“. Der Grüne findet zudem: „Das Bewusstsein in der Bevölkerung über die Bedeutung des kommunalen Ehrenamts und der Respekt vor der Leistung und Verantwortung der Lokalpolitiker muss gestärkt werden.“

Das CSU-geführte bayerische Innenministerium verweist auf vielfältige Maßnahmen zum Schutz von Kommunalpolitikern. So gebe es unter anderem Aktionstage und spezielle, vom LKA entwickelte Broschüren mit Verhaltensweisen und Sicherheitstipps sowie Angebote für Beratungsgespräche. Auch Karmasin lobt die Anstrengungen des Freistaats – etwa in Form von Ansprechpartnern bei den bayerischen Staatsanwaltschaften.

Letztere hatten zuletzt einiges zu tun. Für Schlagzeilen sorgte gerade erst der Rücktritt von Dingolfings Bürgermeister Armin Grassinger. „In den vergangenen Monaten kam es wiederholt zu Anfeindungen und Bedrohungen gegen mich und meine Familie“, so Grassinger. Zudem sei in unmittelbarer Nähe seines Wohnhauses ein Brand gelegt worden, begründete er seinen Schritt. Dabei war unter anderem der Dienstwagen des Bürgermeisters, ein BMW 7er, in Flammen aufgegangen. Grassinger stand seit Mai 2020 für die Unabhängige Wählergemeinschaft an der Spitze der niederbayerischen Stadt.
(Tobias Lill)

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