Kultur

Obszön und bizarr geht es in "La Cage aux Folles" im Staatstheater Nürnberg zu. (Foto: Staatstheater Nürnberg/Ludwig Olah)

27.06.2025

Die queere Community lebt sich aus

„La Cage aux Folles“ feiert am Staatstheater Nürnberg Premiere

Am kuriosesten waren einst vielleicht die Aufführungen auf Hessisch (Volkstheater Frankfurt) oder im Hamburger Ohnsorg-Theater (leider nicht mehr mit Heidi Kabel). Zuletzt gab es den Käfig voller Narren im vergangenen Februar am Münchner Gärtnerplatztheater – jetzt war es nach so vielen Varianten endlich Zeit für das Erfolgsmusical in Nürnberg: La Cage aux Folles und die Premiere mit seltener Selfie-Dichte am Richard-Wagner-Platz, mit rosa Jacketts und Glitzerröcken.

1973 war die Komödie von Jean Poiret in Paris uraufgeführt worden: Es war die beste Zeit für die Sozialkritik dieser Schwulenparodie, aber die ganze große Zeit begann Mitte der Achtziger mit der Vertonung von Jerry Herman.

Nur vergnügliche Stunden fürs Sommertheater wollte sich Jens-Daniel Herzog als Nürnbergs Intendant aber offenbar nicht einkaufen, sondern ein Ensemble unter Melissa King, in dem nur die Staatsphilharmonie und die Statisterie fränkisch sind und das ganze Musical eine politisch-bunte Fanfare. Die Handlung: Ein betagtes schwules Pärchen hat an der Riviera einen Travestie-Club und aus seiner Vor-Homo-Zeit einen Sohn. Der will nun heiraten, der neue Schwiegervater will die „Familie“ kennenlernen – woher aber eine „Mutter“ nehmen?

Melissa King und ihr Bühnenbildner Stephan Prattes nehmen die Gesellschaftskritik des Stückes auch heute noch ziemlich ernst und lassen es im raumhohen Käfig von grässlich gemusterten Tapetenwänden spielen: Sinnbild für die bürgerliche Welt, die nach fast drei Stunden unter dem Ansturm von LGBTQ auseinanderbricht. Der „bunte“ Fahnenwald triumphiert, der Hetero-Käfig ist nur noch lasche Pappe, aus dem jungen Paar werden die neue Punker-Queen und ein trotteliger Clown im Schlafanzug. Und das Publikum trampelt und johlt das marode Nürnberger Opernhaus frenetisch noch ein Stück weiter in Richtung Renovierung.

Geschmackloser Tapetenkäfig

In dem geschmacklosen Tapetenkäfig tobt sich Prattes auch als Kostümbildner aus: Im Wohnzimmer von Georges und Albin gibt es einen goldenen Riesenpenis, der zur Hochzeitsfeier ein schwarzes Kondom samt Kreuz übergezogen bekommt, Albin trägt zivil die herrlichsten Puschel-Pantoffeln und als Revue-Star Zaza bühnenfüllende Roben in Weiß und Rot, unterm Rock mit den Transen des Ensembles: viel falscher Zauber also im Käfig, Strapse und knackige Pobacken sowieso, unter Jürgen Grimm die mehr als kompetent und aus Leibeskräften spielenden Staatsphilharmoniker. Sie besonders sind zuständig für die Atmosphäre der Aufführung, die in dem schrecklichen Tapetenmuster sonst nicht immer aufkommen mag.

Immerhin sind die beiden Hauptdarsteller Martin Berger als Georges und Gaines Hall als Albin routinierte Interpreten zwischen familiären Gefühlsbedürfnissen und schon lange zurückliegender Romantik am Meeresstrand.

Ja, „obszön und bizarr“ geht es zu im „Cage“, aber auch politisch eindeutig: Als Schwiegervater platzt der Abgeordnete Edouard Dindon (Thorsten Tinney) in Uniform, Stiefeln und den Farben des Rassemblement National in die mühsam hergestellte Verlobungsszenerie.

Melissa King hat im Programmheft viel über die Unterdrückung der queeren Community geschrieben, in der Inszenierung zeigt sie, wie die der bürgerlichen Hetero-Gesellschaft einen ordentlichen Riss verschafft. Fahnenschwenkend wird das harmlose „Ich bin jung und verliebt“ der beiden älteren Herren als „strahlenden Schmetterlingen“ und mit vielen Bussis zum lautstarken Queer-Parteitag. (Uwe Mitsching)
 

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