Im Kichnerhaus präsentieren sich unter dem Titel Gegen alle Widerstände 23 mehr oder weniger bekannte Künstlerinnen, die sich von der ihnen von Männern zugedachten Rolle der „Damenkunst“ abheben.
Erst ab 1919 durften Frauen in Deutschland an Akademien lernen, vorher waren sie auf privaten Unterricht angewiesen oder gingen nach Paris, wo sie sich vielfältige Anregungen holen konnten. Deshalb beginnt der Rundgang mit französischen Gemälden ihrer zeitgenössischen Kolleginnen von dort.
Die Paris-Reise von Paula Modersohn-Becker 1900 wird als symbolischer Aufbruch in neue Darstellungsformen gesehen. Ihre Kinderbilder von 1903/05 wirken keineswegs süßlich-verniedlichend, sondern betonen die Einfachheit der Form, das Flächige der Struktur. Auch Käthe Kollwitz konnte nach Paris reisen. Bemerkenswert sind ihre Druckgrafiken, etwa das Selbstbildnis von 1912, die Radierung einer schwangeren Frau oder das Bildnis ihrer Eltern.
Berühmt wurde sie durch ihre kämpferisch-humane Einstellung, etwa in der Radierfolge zum Bauernkrieg, und ihre Plakate zu ihrem sozialen Engagement, deutlich auch an den Skulpturengruppen von Müttern und Kindern.
Strenge Vereinefachung der Figuren
Eine Ausnahmestellung hatte die Bildhauerin Emy Roeder inne: Sie konzentrierte sich auf eine strenge Vereinfachung der Figur, schuf nach Zeichnungen bis in ihre späten Jahre hinein viele Skulpturen vor allem von Frauen, vom Frühwerk der Schwangeren bis hin zu einer auf gelängte Linien abstrahierten Gestalt.
Viele Künstlerinnen aber arbeiteten eher im Hintergrund. So wurde Emma Ritter beeinflusst von den Brücke-Künstlern wie Karl Schmidt-Rottluff oder Erich Heckel. Ihre Holzschnitte, wie Werft oder Am Kanal, beeindrucken formal durch die flächige Abstraktion. Aus familiären Gründen musste sie bald ihr Schaffen reduzieren.
Auch Else Meidner trat hinter ihrem berühmten Mann Ludwig Meidner als Künstlerin zurück. Sie beschäftigte sich vor allem mit dem Menschenbild. Ihre frühe Radierung Selbstporträt mit entblößter Brust zeigt sie irgendwie trotzig provozierend, während das Selbstporträt mit roter Tischdecke eher nachdenklich wirkt. Ihre späteren Werke von 1944 strahlen Melancholie und Pessimismus aus. Kein Wunder, denn als Jüdin musste sie nach England emigrieren, kehrte nie mehr nach Deutschland zurück.
Auch Künstlerinnen wie Julie Wolfthorn, von der Frauen am Strand zu sehen ist, sind heute nahezu vergessen. Sie wurde als Jüdin 1940 Opfer der Nazis in Theresienstadt. Als Insassin einer Heil- und Pflegeanstalt wurde Elfriede Lohse-Wächtler ebenso von den Nazis ermordet. Ihre Studie eines Frauenkopfes einer Mitpatientin aus der Klinik Friedrichsdorf oder der emotional aufwühlende Liebesakt von 1931 zeigen ihre Begabung. Dagegen wirken die kunstgewerblich dekorativen Arbeiten von 1918 eher freundlich verhalten, aber innerlich aufgeladen.
Elsa Blankenhorn musste dauerhaft in einem Sanatorium leben. Ihre Wahnvorstellungen als Gemahlin von Kaiser Wilhelm II. brachten rätselhafte Bilder innerer Visionen hervor.
Auch die depressive, 1945 verstorbene Martel Schwichtenberg schuf kraftvolle Radierungen, die schwer zu deuten sind, etwa Nachtgedanken. In allem hatte die jüdische Künstlerin Elsa Bertha Fischer-Ginsburg Glück. Sie entging irgendwie der Verfolgung durch die Nazis durch die Hilfe ihrer Mitbürger und die Unterstützung ihres Mannes, konnte bis ins hohe Alter hoch geschätzt schaffen. Ihre frühen Radierungen 1925 beziehungsweise 1934 zeigen sie als expressive Grafikerin. Sie komponiert dabei lockere Strichlagen zu einer rhythmisierten Aussage wie in Heuernte, und ihre Bildnisse ergeben trotz des scheinbar flüchtigen Eindrucks ein prägnantes Bild. Ganz besonders gilt dies für das farbige Porträt Frau Koch. Und schon bei dem frühen Aquarell Mädchen mit Suppenschüssel, einer Erinnerung an die Suppenküche ihrer Mutter, zeigt sich die souveräne Meisterschaft des Weglassens zur Betonung der Aussage.
Stilbildend aber für das gesellschaftliche Verständnis weiblichen Kunstschaffens in den 1930er-Jahren waren Jeanne Mammen und Hanna Nagel. Sie reflektierten und kritisierten ihre Geschlechterrollen, deutlich etwa zu sehen bei der Raucherin oder beim Kurfürstendamm-Paar. Nagel präsentiert sich als emanzipierte Künstlerin zeichnend in Kurzhaarfrisur und Stöckelschuhen. Bei Die Wahl provoziert Mammen auch bürgerliche Vorstellungen durch homoerotische Beziehungen.
Darstellungen von Frauen zeigen später den Weg hin zur Neuen Sachlichkeit zum Beispiel bei Silvia Kollers Junge Frau. Alice Sommer verstärkt diesen Eindruck bei Bildnis eines Jünglings oder mit der Kohlezeichnung Zwei Kinder. Mehr in Richtung Karikatur gesellschaftlichen Verhaltens weist Tina Bauer-Pezellen bei Der Vorleser oder Gastwirt in der Tür.
Mit Ausnahme von Gabriele Münter aber waren diese künstlerisch tätigen Frauen kaum anerkannt. Sie mussten eben gegen alle Widerstände ankämpfen. (Renate Freyeisen)
Bis 8. Februar 2026. Kirchnerhaus-Museum, Ludwigstraße 19, 63739 Aschaffenburg. Dienstag bis Samstag, 14 bis 17 Uhr, Sonntag, 11 bis 17 Uhr.
www.kirchnerhaus.com
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