Politik

Klaus Ernst (71), Co-Vorsitzender des BSW Bayern. (Foto: dpa/Geisler-Fotopress, Thomas Bartilla)

13.12.2025

Bayerns BSW-Chef Ernst fordert anderen Umgang mit AfD: „Die Brandmauer hat null bewirkt“

Bayerns BSW-Vorsitzender Klaus Ernst spricht im BSZ-Interview über den Umgang mit der AfD, innerparteilichen Zwist, die Klage auf Neuauszählung der Stimmen und russisches Gas. Seine Partei freut sich, dass sie nach eigener Aussage in Bayern nun über 1000 Mitglieder hat

Bayerns BSW-Chef Klaus Ernst glaubt, dass die Klage seiner Partei in Karlsruhe gute Chancen hat. Vorwürfe, er führe den Landesverband autoritär, weist er entschieden zurück. Ernst fordert ein Ende der Waffenlieferungen an die Ukraine. Der 71-Jährige ist sich sicher, dass Sahra Wagenknecht auch nach ihrem teilweisen  Rückzug aus dem BSW "die Nummer eins in der Partei" bleiben wird. Über die EU-Subventionen gegen Russland sagt er: "Das ist wie ein Arzt, der sieht, dass ein Medikament nicht wirkt, aber dennoch die Dosis erhöht."

BSZ: Herr Ernst, bei der Bundestagswahl fehlten dem BSW gut 9500 Stimmen. Nun hat der zuständige Ausschuss des Bundestags entschieden: Es wird nicht neu ausgezählt. Enttäuscht?
Klaus Ernst: Nein. Ich hatte das erwartet.

BSZ: Ist es sinnvoll, dass darüber Abgeordnete entscheiden? Schließlich müssen im Falle eines BSW-Einzugs manche von ihnen ihre Büros räumen.
Ernst: Das geht überhaupt nicht. Und das dürfte weltweit in Demokratien recht einmalig sein. Denn es widerspricht dem Rechtsgrundsatz, dass die Betroffenen nicht selbst über sich entscheiden sollen. Die Ausschussmitglieder wären von ihrer eigenen Partei gesteinigt worden, wenn sie anders entschieden hätten. Die anderen Parteien haben Angst, dass die fehlenden rund 9500 Stimmen gefunden werden. Sonst hätten sie nichts gegen eine Nachzählung.

BSZ: Ihre Partei will nun klagen. Wie bewerten Sie die Chancen?
Ernst: Eigentlich gut. Diverse Juristen glauben, dass wir eine realistische Chance haben. Der Staat muss von sich aus Interesse daran haben, dass jeder Zweifel am Wahlergebnis ausgeschlossen ist, was in unserem Fall ja nicht der Fall ist. Denn die Zweifel sind gewaltig. Es ist die Grundlage einer jeden Demokratie, dass sich der Wählerwille durchsetzt. Die Zweifel lassen sich nur durch eine Neuauszählung ausschließen. Ich glaube, wir haben gute Chancen, dass das Bundesverfassungsgericht deshalb für eine Neuauszählung votiert.

"Vorwürfe entbehren jeder Grundlage"

BSZ: Ihre bayerische Co-Vorsitzende Irmgard Freihoffer wirft Ihnen vor, kritische Stimmen etwa durch Parteiausschlussverfahren zum Verstummen bringen zu wollen. Von einem Klima der Angst ist die Rede. Führen Sie den Landesverband autoritär?
Ernst: (lacht) Die Vorwürfe von Frau Freihoffer entbehren jeder Grundlage. Es gibt für niemand aus Bayern einen Ausschlussantrag. Es ist leider so, dass im Falle von verlorenen demokratischen Abstimmungen die Unterlegenen manchmal dazu neigen, die Entscheidungen als undemokratisch zu bewerten. Das gibt´s halt auch bei uns. Leider kann damit eine Minderheit auch Aufsehen erregen. Das Handeln des Landesverbands beruht auf klaren Beschlüssen des Landesvorstands.

BSZ: Also wollen Sie an der Spitze des BSW bleiben?
Ernst: Im nächsten Jahr wird es regulär Wahlen für den Landesvorstand geben. Bis dahin ist der Landesvorstand im Amt und wird es auch bleiben. Ob ich dann noch einmal antrete, werde ich hier an dieser Stelle nicht sagen.

"Natürlich sind wir regierungsfähig"

BSZ: Innerparteilich kracht es in Ihrer Partei wie zu besten Zeiten bei der Linken. In Brandenburg etwa ist die BSW-Fraktion gespalten. Ist Ihre Partei überhaupt regierungsfähig?
Ernst: Natürlich sind wir regierungsfähig. Sonst wären wir nicht in zwei Landesregierungen. Mittlerweile haben wir allein in Bayern über 1000 Mitglieder – vom Arbeiter bis zum Unternehmer ist das gesamte Spektrum der Gesellschaft vertreten. Das führt natürlich zu mehr Konflikten innerhalb der Partei. Allen unseren Abgeordneten und Mitgliedern einer Regierung muss klar sein: Die Wähler haben uns für ein Programm gewählt. Und dafür müssen unsere Leute stehen.

BSZ: Um das Programm Ihrer Partei wurde es zuletzt wegen des Dauerstreits ruhiger. Jetzt haben Sie die Gelegenheit zu sagen, wofür das BSW überhaupt noch steht.
Ernst: Wir sind die Friedenspartei. Wir stehen dafür, den Krieg in der Ukraine auf Grundlage des Trump-Plans zu beenden. Rüsten wir weiter auf, kaufen auch die anderen Waffen. Am Ende geht das zulasten unserer Menschen. Denn all das Geld, das in die Rüstung fließt, fehlt für die Infrastruktur, die Bildung sowie die Industrie- und Technologiepolitik. Wir ruinieren unsere Wirtschaft, transferieren viele Milliarden Euro in die Ukraine. Und dann will man jetzt sogar die Wehrpflicht einführen. Verkauft wird das Ganze so, dass unsere jungen Menschen wieder Verantwortung übernehmen sollten. Aber das ist Unfug. Wir brauchen endlich Frieden. In der Ukraine sterben die Menschen weiter, solang der Krieg weitergeht. Wir fordern ernsthafte Verhandlungen mit Russland. Wenn die Ukraine Gebiete abtritt, die ohnehin nicht mehr zurückzuerobern sind und in denen längst vor allem Russen leben – und es dafür einen dauerhaften Frieden gibt –, dann muss man das machen.

BSZ: Sie fordern billige Energie aus Russland, um die deutsche Wirtschaft wieder zum Laufen zu bringen. Und der neue BSW-Chef De Masi sieht im Kauf von Gas ein Mittel, um Putin an den Verhandlungstisch zu bringen. Wie realistisch ist dieser Plan?
Ernst: Der Plan ist absolut richtig. Wir haben viel zu hohe Energiekosten im internationalen Vergleich. Künftig sollen diese mit Steuermitteln verbilligt werden. Doch das Geld fehlt an anderer Stelle. Wir sollten lieber das machen, was jeder vernünftige Kaufmann macht: Er kauft dort, wo es billiger ist und die Qualität besser ist – also aus Russland. Die Subventionen haben Moskau nicht zum Einlenken gebracht, sondern bisher nur unserer Industrie geschadet. Doch was macht die EU: Statt umzusteuern, will man diese noch verschärfen. Das ist wie ein Arzt, der sieht, dass ein Medikament nicht wirkt, aber dennoch die Dosis erhöht.

"Das hat mir wehgetan"

BSZ: Ihre Partei steht auch für eine härtere Migrationspolitik. Manche bayerischen Gewerkschafter haben deshalb die Partei verlassen. Hat Ihnen das als früherem Arbeitnehmerführer nicht wehgetan?
Ernst: Absolut. Das hat mir wehgetan. Und hier möchte ich ganz offen sagen. Dass wir im Februar im Bundestag mit Union und AfD gestimmt haben, war falsch. Allerdings nicht in der Sache: Die Forderungen waren richtig. Wir müssen die Migration begrenzen. Die Kommunen stöhnen. Auch den Familiennachzug von Flüchtlingen mit subsidiärem Schutz, also jenen ohne Asylgrund, zu begrenzen, ist richtig. Der Antrag des damaligen Unionsfraktionschefs Friedrich Merz war nur für das Schaufenster. Wir sind Merz auf den Leim gegangen. Es ging ihm nur darum, die Bundesregierung vorzuführen. Es war ein Fehler, zuzustimmen. Wir hätten bedenken müssen, dass der Antrag keine konkrete Wirkung mehr hat, da die Legislaturperiode bereits fast zu Ende war. Letztlich hat es uns massiv geschadet, dass dann auch die AfD für den Antrag gestimmt hat.

"Die Menschen spüren, dass ihnen das Geld für die Ukraine aus der Tasche gezogen wird"

BSZ: Apropos gemeinsames Abstimmen mit der AfD. Sahra Wagenknecht fordert ein Ende der Brandmauer. Können Sie sich eine Zusammenarbeit mit der AfD oder gar eine Koalition vorstellen?
Ernst: Wenn die AfD einen vernünftigen Antrag einbringt, der unseren Positionen entspricht, kann ich mir eine Zustimmung natürlich vorstellen. Wenn etwa die AfD ein Ende der Waffenlieferungen an die Ukraine fordert, würden wir das nicht ablehnen, weil das auch unsere Position ist. Eine Koalition zwischen BSW und AfD kann ich mir dagegen nicht vorstellen. Dazu sind die inhaltlichen Differenzen zu groß. Zur Brandmauer: Natürlich ist die Grundidee, die Rechtsextremen der AfD von wichtigen Posten in den Parlamenten und Ämtern fernzuhalten, erst einmal nachvollziehbar. Aber: Die Brandmauer hat null bewirkt. Seit Merkel abgetreten ist, hat sich die Stimmenzahl der AfD in etwa verdoppelt. Viel besser ist es, sich die Forderungen der AfD anzuschauen. Machen diese Sinn, kann man zustimmen. Die Unzufriedenheit der Bürger ist groß. Besser als eine Brandmauer ist eine andere Politik. Die Menschen spüren, dass ihnen das Geld aus der Tasche gezogen und in die Ukraine geschickt wird oder hier sinnlos für Waffen ausgegeben wird. Die jetzige sowie die vorherige Regierung tragen die Schuld am Aufstieg der AfD.

BSZ: Lange Zeit durften nur ausgewählte Leute, nicht selten altgediente Linke, der Partei beitreten. Der Wahlkampf wurde dadurch erschwert. Ein Fehler?
Ernst: Wir wollten sichergehen, dass unsere Partei nicht einfach übernommen wird. Bei der AfD hat man ja erlebt, wie das passieren kann. Jetzt sind wir von der restriktiven Aufnahmepraxis abgekommen. Aber am Anfang der Gründung war es richtig, nur sehr langsam aufzunehmen.

BSZ: Sie widersprechen gerade Frau Wagenknecht. Sie sagte, die restriktive Aufnahme neuer Mitglieder habe viele verprellt. So sei der Eindruck eines „abgeschotteten Vereins“ entstanden.
Ernst: Da hat sie recht. Aber sie sagt ja nicht, dass das nicht notwendig war – nur, dass wir das jetzt ändern werden. Und das macht auch Sinn. Denn nun haben wir einen einigermaßen stabilen Kern an Parteimitgliedern.

BSZ: Wagenknecht hat sich offiziell weitgehend zurückgezogen. Wie groß bleibt ihr Einfluss?
Ernst: Wagenknecht wird die Nummer eins bleiben. Egal, ob sie Vorsitzende ist oder nicht. Sie engagiert sich weiterhin – und das ist gut so.
(Interview: Tobias Lill)
 

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